Lautsprecher Basics

Frequenzgang und Richtcharakteristik bei Lautsprechern

Von einem guten Lautsprecher(system) wird erwartet, dass es einen linearen, neutralen Frequenzgang besitzt und die Bestimmung desselben „auf Achse“, also senkrecht vor der Frontfläche ist – eine der bekanntesten, wichtigsten und aussagekräftigsten Messungen.

Beispielhaftes Isobaren Diagramm für die horizontale Ebene eines Line-Arrays
Beispielhaftes Isobaren-Diagramm für die horizontale Ebene eines Line-Arrays- Die unterschiedlichen Farben kennzeichnen Pegelabfälle in Schritten von 3 dB. Auf der horizontalen Achse ist die Frequenz, auf der vertikalen der Winkel, unter welchem die jeweiligen Pegel auftreten, eingezeichnet.

Und dennoch nur ein kleiner Teil der Wahrheit − als dreidimensional abstrahlendes Gebilde ist sein Wiedergabeverhalten sehr viel komplizierter und wird mit der Achsmessung nur unzureichend erfasst. Wünschenswert ist natürlich, dass ein linearer Frequenzgang nicht nur genau vor dem Lautsprecher, sondern über einen bestimmten Winkelbereich aufrecht erhalten wird, um einen größeren Bereich von Zuhörern mit gleichbleibend gutem Sound zu versorgen (oder − bei Heim- und Monitorsystemen − den sweet spot zu verbreitern, in welchem Bewegung möglich ist, ohne den Klanggenuss zu schmälern).

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Außerhalb des vorgesehenen Winkelbereichs wiederum sollte so wenig Schall wie möglich abgestrahlt werden, um möglichst wenige störende Reflexionen an Wänden und Decken zu erzeugen und den diffusen Nachhall im Vergleich zum Direktschall auf erträglich niedrigem Niveau zu halten.

Dem Ideal dieser gleichmäßigen Abdeckung eines bestimmten Winkelbereiches so nah wie möglich zu kommen, stellt die hohe Kunst des Boxenbaus und kein einfaches Unterfangen dar, denn die zugrunde liegende Physik lässt lediglich Kompromisse zu. Da wäre zunächst einmal die Tatsache zu nennen, dass sich bei Wellenlängen, die groß im Vergleich zum Abstrahler sind, überhaupt keine Richtwirkung erzielen lässt. Kleine bis mittelgroße Regalboxen und Nahfeldmonitore strahlen deshalb Bässe stets rundum ab (was sich wiederum zur Bassverstärkung ausnutzen lässt, indem sie an Wänden oder gar in Ecken aufgestellt werden). Einzig bei größeren Subwoofern (und Anordnungen aus solchen) lässt sich durch einen zweiten (Satz) Tieftöner, der mit geänderter Phase nach hinten abstrahlt, eine moderate Richtwirkung nach vorne erreichen (Stichwort Cardioid-Subwoofer).

Bei steigender Frequenz taucht wiederum das Problem auf, dass direkt strahlende Lautsprecher den Schall zunehmend bündeln, weil der Durchmesser der Membran eben nicht mehr klein gegenüber der Wellenlänge ist. Das hat zur Folge, dass nur senkrecht von vorne betrachtet die gesamte Membran „in Phase“ schwingt und der Schalldruck deshalb dort maximal ist.

Unter Winkel betrachtet ist dies wegen der Laufzeitunterschiede zwischen näheren und ferneren Punkten der Membran nicht mehr der Fall, und im Extremfall gleichen sich − vom Abhörpunkt aus betrachtet − Gebiete mit positiver und negativer Phase aus − ein tiefer Einbruch im Frequenzgang entsteht. Um dies zu vermeiden, muss der betroffene Tief- oder Mitteltöner bei einer tieferen Frequenz abgekoppelt werden und der nächst kleinere Lautsprecher übernimmt die Schallwiedergabe.

Bei typischen HiFi-Boxen ist dies typischerweise ein Kalotten-Mittel- oder Hochtöner, der am unteren Ende seines Arbeitsbereiches klein gegenüber der Wellenlänge ist und dementsprechend breit abstrahlt. Dies hat zur Folge, dass ein eklatanter Sprung im Richtverhalten entsteht: während an einem seitlichen Abhörpunkt im Arbeitsbereich des Tieftöners der Schalldruck zu höheren Frequenzen immer mehr abfällt, ist er beim Einsatz des Mitteltöners plötzlich wieder „voll da“.

Bei der Übernahme vom Mittel- zum Hochtöner wiederholt sich das Schauspiel. Bei typischen Dreiwege-Hifiboxen mit Konus-Tieftöner und Kalotten-Mittel/Hochtöner, die plan auf die Vorderwand montiert sind, entsteht so die typische „Tannenbaumstruktur“ (bei seitlicher Betrachtung) des Isobaren-Diagramms.

Glücklicherweise stehen dem Boxenhersteller aber Mittel zur Verfügung, um diesen Effekt zu verringern. So lassen sich die Kalotten-Lautsprecher zum Beispiel statt planer Frontalmontage auch hinter einem kurzen Hornansatz montieren, der einfach Bestandteil der Frontplatte (die aus Kunststoff oder Alu gegossen oder aus Holz gefräst) sein kann. So entsteht gleichzeitig eine Richtwirkung und eine willkommene Erhöhung des Wirkungsgrades.

Bei geschickter Wahl der Geometrie der Hornanätze und Übernahmefrequenzen lassen sich Sprünge im Richtverhalten vermeiden. Bei hochwertigen Studiomonitoren und HiFi-Lautsprechern sind diese Details deshalb ein wichtiger Bestandteil des Boxendesigns.

Bei PA-Systemen werden Mitten und Höhen alleine schon wegen des Wirkungsgrades in der Regel eh über Hörner wiedergegeben, deren Formgebung von vornherein auf die angestrebte Coverage ausgelegt ist. Die Wahl der Übernahmefrequenzen, insbesondere zwischen direktstrahlenden Konuslautsprechern und dem darüber liegenden Horn, wird geschickterweise so gewählt, dass die Richtwirkung beider dort gleich ist, so dass keine Sprünge im Richtverhalten entstehen.

Trotz dieser grundsätzlichen „Design-Richtlinien“ unterscheiden sich selbst Boxentypen vergleichbarer Größe und Coverage meist deutlich im Klang, selbst wenn sie auf linearen Frequenzgang bei gleicher Übertragungs-Bandbreite getrimmt wurden. Der Grund liegt in der trotzdem stets voneinander abweichenden Richtwirkung, die zu unterschiedlich gefärbten ersten Reflexionen und Energieeinträgen in den Abhörraum führt, was wahrnehmbar ist, obwohl unser Gehörsinn den Direktschall stärker bewertet als verzögerte Komponenten (Haas-Effekt).

Aber selbst im Freifeld oder etwa in einem reflexionsarmen Raum oder sonstigen sehr trockenen Umgebungen bleiben Unterschiede erkennbar, weil tatsächlich mit unterschiedlichen Lautsprechern unmittelbar an den Trommelfellen unterschiedliche Frequenzgänge erzeugt werden, wie sich durch in den Ohrkanal eingeschobene Miniaturmikrofone nachweisen lässt. Neben den unterschiedlichen Richtcharakteristika sind dafür sicher auch unterschiedliche Wellenfeldgeometrien verantwortlich, die zu unterschiedlicher Beugung um den Kopf herum zu den Ohren führen. Die nichtlinearen Verzerrungen scheinen hingegen in viel geringerem Maße zu den divergierenden Höreindrücken zu führen.

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