Intercom: Wer hört wen?

Intercom-Grundlagen für Events

Intercom-Anlagen gewinnen im Eventbereich zunehmend an Bedeutung. Ein erhöhter Kommunikationsbedarf zwischen Regie, Akteueren und Technik führt zu komplexeren Anwendungen. Autor David Heuer trägt die Grundlagen zum Thema Intercom zusammen.

Intercom Sprechstelle(Bild: David Heuer)

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Übersicht

Einsatz von Intercom bei Events

Signaltausch

Bestandteile einer Intercom Anlage

Planung und Aufbau von Intercom-Anlagen

Programmierung einer Intercom

„Soft-Skills“

Komplexe Anwendungen und Ausblick


Ausgehend von der Regie müssen im Broadcast alle Beteiligten einer Sendung reibungslos kommunizieren können: Aufnahmeleitung, Redaktion, Bildmischung, Bildtechnik, Tontechnik, Moderation, Kameras usw. Eine Intercom-Anlage funktioniert dabei als eine große programmierbare Audiomatrix, die von zahlreichen Nutzern bedient wird.

Neben der Kommunikation können jedoch auch andere Aufgaben übernommen werden, wie die Visualisierung von Schaltzuständen oder das Auslösen von Schaltungen per GPI/GPO. Zum Beispiel kann auf der Sprechstelle eines Slomo-Operators angezeigt werden, ob seine Slomo-Maschine gerade in die Sendung geschnitten ist. Oder ein Reporter kann über Taster Bildsignale auf seinem Monitor umschalten. Auch komplexe Logiken können realisiert werden und zum Beispiel für Backup-Szenarien genutzt werden. Ich habe das in der Vergangenheit im Event-Kontekt z. B. für eine Backup-Umschaltung zwischen zwei Mischpulten genutzt. Intercom-Signale werden auch zum Signaltransport genutzt. So gibt es die Möglichkeiten, an Sprechstellen auch Audio-Signale abzugreifen oder abzugeben und diese an anderen Orten im System zu nutzen.


Einsatz von Intercom bei Events

Springen wir zurück in die Event-Welt. Hier sind die Intercom-Setups häufig etwas überschaubarer. Aber auch hier gibt es immer mehr drahtlose Kommunikation. Die Anforderungen steigen, insbesondere bei Streaming- oder hybriden Projekten. Meist gibt es keinen spezialisierten Intercom-Techniker, sondern das Thema landet im Gewerk Ton und muss „noch mal eben“ gebaut werden. Für ein solides Basiswissen zu dem Thema lassen sich einige Grundlagen erkennen. Wie auch beim Sendeton-Projekt steht vorab die Planung des Systems. Dabei geht es in der Regel primär um Stückzahlen.

  • Wie viele Sprechstellen braucht es in der Regie?
  • Wie viele drahtlose Beltpacks werden benötigt?
  • Müssen Kamera-Systeme angebunden werden?
  • Müssen Signale ausgetauscht werden?
  • Wie groß muss also meine Matrix dimensioniert sein?

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Signaltausch

Audiosignale können über die verschiedensten Formate mit dem Intercom-System ausgetauscht werden. Analog, Dante, AES usw. Hier gibt es diverse In/Out-Karten. Welche Signale betrifft das?

  • Programm (PGM): Zum Mithören der Sendung oder des Bühnenprogramms genieren der FoH oder das Sendetonmischpult einen Programmton. Dieser wird in das Intercom-System eingespeist und kann bei Bedarf von den Nutzern mitgehört werden.
  • Stage Announce (SA): Hier wird ein Signal aus der Intercom an den FoH übergeben. So kann die Regie zum Beispiel über die Sprechstelle eine Durchsage über die PA machen.
  • 4-wire (4w oder auch 4-Draht): Einfach erklärt – zwei XLR Kabel, eins rein (hören), eins raus (sprechen). Auf diesem Wege werden zum Beispiel System-Kameras angebunden, die ein eigenes Intercom integriert haben. Oder externe Intercom-Anlagen zum Beispiel von einer Krankamera. Auch „Schalten“ werden so angebunden. Gibt es zum Beispiel eine Zoom-Schalte und soll zuvor mit den Teilnehmern per Sprechstelle kommuniziert werden, wird dafür ein 4-wire-Port genutzt. Ebenso funktioniert es bei einer Moderation: Auf dem Ausgang wird ein InEar angesteuert, häufig auch einfach „Ohr“ genannt, auf dem Eingang wird das Mikrofon der Moderation geroutet. So kann die Regie oder die Redaktion dauerhaft mit der Moderation kommunizieren, auch wenn diese gerade nicht „auf Sendung“ ist.

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Bestandteile einer Intercom Anlage

Sprechstellen

Intercom Sprechstelle(Bild: David Heuer)

Eine Intercom-Sprechstelle ist eine stationäre Einheit mit ca. 8-32 Tasten, die frei programmierbar sind. Meist inkl. Lautsprecher und Mikrofon, optional mit einem Headset ausgestattet. Dazu ist eine größere Intercom-Matrix erforderlich. Die Anbindung einer Sprechstelle erfolgt per Coaxial-Kabel, CAT-Kabel oder netzwerkbasiert über verschiedene Protokolle.

Drahtgebundenes Beltpack

Intercom Beltpack und Sprechstelle(Bild: David Heuer)

Drahtgebundene Beltpacks werden in der Regel mit einem kabelgebundenen Headset betrieben. Sie haben zwischen zwei und vier Tasten, die entweder bei einem analogen System fix belegt sind oder bei einem digitalen System frei programmiert werden können. Verbunden sind die Beltpacks meist über ein handelsübliches, dreipoliges XLR-Kabel. Über dieses werden sie mit Signal und Spannung versorgt. Häufig können diese Systeme bis zu einer gewissen Anzahl in Reihe verkabelt werden. Das erleichtert die Verkabelung. Hier gibt es alternativ meist auch kompakte Tischsprechstellen.

Drahtloses Beltpack

Drahtlos Beltpack Riedel Intercom
Moderne Beltpacks sind sehr individuell auf den Anwendungszweck konfigurierbar (Bild: David Heuer)

Auch hier gibt es alte analoge Systeme, die über mehrere analoge Funkkanäle funktionieren oder neuere digitale Systeme, die über verschiedene Protokolle mit der Basis kommunizieren. Je nach System können hier pro Antenne fünf bis zehn Geräte betrieben werden. Weitere Antennen können zum Beispiel netzwerkbasiert verteilt und das System so erweitert werden. Die Antennen kommunizieren untereinander und „übergeben“ so die Beltpacks an die jeweiligen Antennen mit dem bestem Empfang. So lassen sich auch komplexe Anwendungen in großen Venues mit vielen Teilnehmern realisieren.

Funkgeräte

Eine günstige Alternative zu drahtlosen Beltpacks sind klassische Funkgeräte. Diese kommunizieren ja zunächst nur untereinander. Über ein entsprechendes Interface können Funkkanäle aber auch in Intercom-Anlagen angebunden werden. Anders als bei den Beltpacks erfolgt die Kommunikation hier aber nur „simplex“ oder „semi-duplex“.

  • „Simplex“: Es kann immer nur einer sprechen, alle anderen in der Zeit nur hören. Hier wird nur eine Funkfrequenz genutzt.
  • „Semi-duplex“ nutzt zwei Frequenzen. Auf einer wird gesprochen, auf der anderen gehört. Auch hier kann nur eine Person sprechen, es kann aber dauerhaft gehört werden. Das wird häufig genutzt, um den Regiekreis, auf dem dauerhaft gesprochen wird, für eine Vielzahl an Teilnehmern hörbar zu machen. Diese können jederzeit antworten, ohne dass die Regie „unterbrechen“ muss. Anbindung an die Intercom erfolgt auch hier über 4-wire.

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Planung und Aufbau von Intercom-Anlagen

Intercom-Arbeitsplatz_1
Intercom-Arbeitsplätze sollten gut organisiert sein, häufig hat man es zusätzlich noch mit vielen Kleinteilen zu tun (Bild: David Heuer)

Wurden die nötigen Stückzahlen erfragt, geht es in die Detailplanung. Wie verkabele ich mein System? Dazu ist ein Signalflussdiagramm hilfreich. Wo positioniere ich welche Sprechstelle, wo positioniere ich die Antennen für meine drahtlosen Beltpacks? Hier braucht es eine CAD-Planung. Und für die Orga vor Ort gehören Ausgabe-Listen für die Teilnehmer zum Handwerkszeug: Insbesondere bei vielen Beltpacks und Funkgeräten unerlässlich. Zumindest, wenn man am Ende auch alles wieder zurückhaben möchte.

Intercom Arbeitsplatz(Bild: David Heuer)

Der Intercom-Arbeitsplatz sollte gut organisiert sein. Häufig hat man es mit vielen Kleinteilen zu tun. Neben den Beltpacks und Funkgeräten gibt es eine Reihe von Zubehör. Verschiedene Headsets, Tarnsets, „Rasierer“ (Lautsprechermikrofon am Funkgerät) usw. Auch diese sollten in der Ausgabeliste erfasst werden. Man braucht viel Stellfläche für Ladeschalen und das gesamte Material. Hier empfehlen sich Regale oder gestapelte Tische, wenn der Platz vor Ort knapp ist. Auch eine saubere Beschriftung der Geräte ist wichtig. Digitale Beschriftungsgeräte, die im Idealfall über einen Laptop bedient werden können, erleichtern die Arbeit enorm.

Vor Beginn der ersten Probe sollte ein interner Check erfolgen. Funktionieren alle Headsets? Können sich die entsprechenden Gruppen untereinander hören? Passen die Level zueinander? Gibt es bei dicht beieinander stehenden Sprechstellen ggf. eine Rückkopplung? Während der Proben und des Events ist es die Aufgabe, das System bestmöglich zu überwachen und ggf. die Programmierung anzupassen. Ich frage dazu nach einer Probe häufig alle Teilnehmer, die ich antreffe, ob sie gut arbeiten können oder es noch Anpassungen bedarf. Auch das Pegeln der Teilnehmer untereinander gehört zum Job. Muss ich unterschiedliche Headset-Typen aufeinander abgleichen? Gibt es generell eher leise sprechende Teilnehmer, die angehoben werden müssen? Manchmal hilft auch einfach der freundliche Hinweis, das Mikrofon des Headsets nach der Mittagspause wieder runterzuklappen.

Fallen Teile des Systems aus, ist immer eine gute Backup-Strategie hilfreich. Insbesondere bei der Verwendung von drahtlosen Beltpacks ist das wichtig. Bei den Proben hat alles super funktioniert. Jetzt sitzen 5.000 Zuschauer in einer Arena mit 5.000 Handys, die fleißig in diversen Bändern funken und ggf. mein System stören. Was mache ich also, wenn plötzlich zwei Minuten vor Beginn das drahtlose Beltpack der Regie Aussetzer hat oder sich komplett abmeldet? Im schlimmsten Fall führt das zum Abbruch der Produktion. Es sollte also mindestens einen Plan B geben. Eine Sprechstelle, ein drahtgebundenes Beltpack mit einem ausreichend langen Kabel oder ein Funkgerät zum Beispiel.

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Programmierung einer Intercom

Intercom Matrix
Bei der Programmierung ist die zentrale Frage: Wer spricht wann mit wem? (Bild: David Heuer)

Habe ich meinen Arbeitsplatz organisiert, alles aufgebaut, verkabelt und getestet geht es an die Programmierung. Hier ist die zentrale Frage: Wer spricht wann mit wem? Logisch – alle hören die Regie dauerhaft. Der Ton-FoH muss mit seiner Mikrofonierungs-Crew sprechen, ohne da bei die Regie zu stören. Der Lichtoperator gibt den Follow-Spots Anweisungen, ohne dass es jemand anders hören sollte. Der Bildmischer spricht mit den Kameras, wollen die wirklich auch die Regie die ganze Zeit mithören? Ein Redakteur spricht der Moderation aufs Ohr, in der Zeit soll das Programmsignal leiser zu hören sein für die Moderation. Wie organisiere ich mir also mein Intercom-System? Dazu gibt es verschiedene Tools.

  • Port to Port: Die einfachste Verbindung. Hier spricht auf Tastendruck ein Teilnehmer mit einem anderen Teilnehmer. Der andere kann entsprechend antworten. So ergibt sich eine bidirektionale „private“ Kommunikation zwischen zwei Personen.
  • Gruppe: Auf Tastendruck spricht eine Person zu einer vordefinierten Gruppe von Teilnehmern.
  • Konferenz: Ähnlich wie die Gruppe spricht man hier zu einer Mehrzahl von Teilnehmern. In einer Konferenz hören allerdings alle die anderen Teilnehmer einer Konferenz. Ein „virtueller“ Konferenzraum sozusagen, in dem alle alle hören. Baue ich mir also zum Beispiel eine Konferenz „Regie“ und verteile diese auf alle Sprechstellen und Beltpacks, können auf diesem Kreis schon mal alle die Regie hören und dieser auch antworten. Generiere ich weitere Konferenzen für einzelne Gewerke, können diese untereinander kommunizieren. Also zum Beispiel, Ton, Licht, Video, Kameras usw. So kann ich schnell mein System einfach organisieren und bei Bedarf erweitern.

Diese drei Funktionen bilden die Basis des Setups und werden Tasten auf Sprechstellen oder Beltpacks zugeordnet.

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PTT vs. Latching

Ein Taster kann verschiedene Verhaltensweisen haben:

  • „Momentary“ oder „PTT“ (Pust-to-talk): Ich spreche nur, solange ich den Taster gedrückt halte. So wie man es zum Beispiel von einem Funkgerät gewohnt ist.
  • „Latching“: Ein Knopfdruck rastet die Funktion ein, der nächste Knopfdruck deaktiviert ihn wieder. Die Regie wird sich zum Beispiel wünschen, nicht dauerhaft den Knopf zu drücken, sondern sich per Tastendruck dauerhaft „einzutasten“. Das wäre also eine Anwendung für „Latching“. Allen anderen Teilnehmern im Regiekreis würde ich diese Funktion nicht gestatten, damit sich diese nicht versehentlich dauerhaft in den Regiekreis eintasten und damit womöglich den Ablauf der Sendung oder des Events stören.

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„Soft-Skills“

Neben den technischen Skills, die Anlage zu planen und zu programmieren, gehören definitiv auch „Soft-Skills“ zum Toolset guter Intercom-Operator. Wir haben es mit einer Vielzahl von Anwendern zu tun. Mal mit mehr, mal mit weniger Erfahrung mit der Kommunikation über ein Intercom-System. „Wieso höre ich jetzt den sprechen?“ „Warum hört der mich nicht?“ Diese Fragen werden auftauchen. In den seltensten Fällen kann man das durch eine geschickte Programmierung vorab gänzlich vermeiden. Wichtig ist bei der Erstübergabe eines Beltpacks eine gute Einweisung. Dazu erkläre ich im Idealfall jeden Knopf, was er macht und wann er zu benutzen ist. Neben den Basics wie dem Einstellen der Lautstärke gehört dazu neuerdings auch das Verbinden von selbst mitgebrachten Bluetooth-Headsets. Auch eine klare Absprache, wann das Gerät wo zurückgegeben wird und wer für den Akkuzustand zuständig ist und den Akku ggf. tauscht. Das verhindert wild abgelegte Geräte im Set oder Beschwerden über leere Akkus. Ich ziehe hier gern den Nutzer in die Verantwortung. Wenn das klar kommuniziert ist, meist kein Problem: Achte auf deinen Akku und, wenn er leer ist, komme rechtzeitig zu mir.

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Komplexe Anwendungen und Ausblick

Intercom und Tonkonsole in einem Ü-Wagen(Bild: David Heuer)

Mit entsprechenden Wandlern/Tools können Sprechstellen auch über Glasfaser abgesetzt oder gar über das Internet auf der ganzen Welt verteilt werden. So können auch mehrere Intercom-Systeme untereinander verschaltet werden. So kann ich verschiedene Standorte einer Produktion untereinander vernetzen. Das wird zum Beispiel bei großen Sportereignissen wie Olympia oder der Fußball WM genutzt, um Spielorte untereinander zu verknüpfen. Hier geht die Verknüpfung natürlich weit über das Intercom hinaus und bezieht sich auch auf Steuerdaten, Bild- und Video-Signale usw. Künftig wird auch das Thema Remote-Production immer mehr eine Rolle spielen. So gibt es schon Projekte, wo die Regie auf einem anderen Kontinent sitzt als das Studio oder der Regisseur krankheitsbedingt die Sendung von zu Hause aus leitet. Vielleicht betreut bald ein Toningenieur von seinem Home-Studio aus verschiedene Sendungen an verschiedenen Orten am selben Tag. Festinstallierte Kameras in Sportstätten, die von einer zentralen Regie-Landschaft bedient werden. Oder Dolmetscher, die von ihrem Büro aus Veranstaltungen in einem anderen Land dolmetschen. Was in der IT-Welt immer mehr Einzug findet, wird auch in der Event-Welt Auswirkungen haben. Vielleicht mieten wir bald unser Mischpult passend über eine Cloud-Lösung, heute bitte 161 Inputs und 67 Outputs im Stil einer SSL-Konsole. Da muss nur noch das Multitouch Display mit einer haptischen Rückmeldung erfunden werden. Einen Fader hätte ich dann schon noch gern in der Hand.

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