Unkomprimiertes AV over IP – Meistens

SDVoE eröffnet Workflows

Software Defined Video-over-Ethernet ist die technologische Grundlage zur Signalübertragung in mittlerweile über 700 namhaften Geräten. Für welche Anwendungen in der Veranstaltungsbranche ist SDVoE geeignet?

3D illustration(Bild: Shutterstock)

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Man kann schon rasch den Überblick verlieren, so viele unterschiedliche Übertragungstechnologien erheben gleichzeitig den Anspruch, flexibel, einzigartig und überall einsetzbar zu sein. Kürzt man Marketingsprech aus den Webseiten und Broschüren, werden dann doch unterschiedliche Anwendungsfelder für ST 2110, NDI, IPMX & Co. ersichtlich. Im Folgenden wollen wir SDVoE in die Liste möglicher Anwendungen einsortieren und einen Überblick über die Anforderungen der Übertragungstechnologie liefern.


Übersicht: 

Woher kommt SDVoE?

Video Modi von SDVoE

Genlock

Fast Switching

Video Wall

Multiview

Übertragung und Kompression

Netzwerkanforderungen

SDVoE Academy

Mehr als AV

Steuerung des SDVoE-Netzwerkes

SDVoE für Events


Woher kommt SDVoE?

Entwickelt wurde SDVoE von der SDVoE Alliance. Die SDVoE Alliance versteht sich als gemeinnütziges Konsortium von Technologieanbietern. Ihre gemeinsamen Aufgabe ist, den Einsatz von Ethernet zur Übertragung von AV-Signalen in professionellen AV-Umgebungen zu standardisieren. Zudem soll ein Ökosystem rund um diesen „Standard“ geschaffen werden, welches entsprechende Hard- und Software hervorbringt. Im Installationsbereich ist dieses Vorhaben schon erfolgreich angekommen. Es gilt jedoch zu beachten, dass es sich nicht um einen „echten“ Standard handelt. Auch wenn es durch eine breite Akzeptanz und klare Richtlinien für die beteiligten Hersteller zu einer hohen Interoperabilität kommt, so handelt es sich nicht um einen offiziellen Standard, wie es beispielsweise bei Übertragungstechnologien, die durch die SMPTE herausgearbeitet werden, der Fall ist. Am Beispiel von NDI oder auch SRT sehen wir aber, dass nicht jede Entwicklung zwangsläufig aus einem Konsortium mit Standardisierungsauftrag geboren werden muss. Die Frage nach Langlebigkeit, Akzeptanz und Verfügbarkeit stellt sich dennoch immer, wenn wir von kommerziell getriebenen Initiativen sprechen. 2017 wurde SDVoE auf der ISE von Christie vorgestellt und die Entwicklung, die diese Übertragungsform seither nahm, ist durchaus beachtlich. Über eine API ist es Herstellern möglich, die Technologie zu integrieren. Das Zusammenspiel zwischen Geräten spielt eine wesentliche Rolle. So sollen z. B. Installationen mit einfachen Mitteln und dem schlichten Hinzufügen von zusätzlichen Geräten – egal welchen Herstellers – erweitertet werden können. Über 700 Produkte seien bereits verfügbar.

Gegründet wurde die SDVoE Alliance von Christie, Netgear, Semtech und Zeevee. Als federführende Unternehmen kamen seither Blackbox und IDKav hinzu. Die Liste beteiligter Unternehmen wächst stetig. Aus der Veranstaltungstechnik kennen wir u. a. Hersteller wie Audinate, Analog Way, Datapath, Kramer, Lightware, Minrray, QSC, Theatrixx, VuWall oder Yamaha.

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Video Modi von SDVoE

SDVoE zeichnet sich durch vier verschiedene Video-Modi aus, die auch gleichzeitig innerhalb eines Netzwerkes genutzt werden können. Die geringste Latenz zwischen Quelle und Ausgabe erreicht man mit dem Genlock-Modus. Daneben gibt es Fast Switching, Video Wall und Multiview.

Genlock

Hierbei synchronisiert der Empfänger auf das Signal des Senders. Es liegt also kein separates Sync-Signal an. Die Latenz von etwa 0,1 Millisekunden ist beeindruckend und mit den gängigen Mitteln im Videotechnikregal nicht einmal messbar. Man kann hier also von einer Übertragungsgeschwindigkeit sprechen, die direkter Kupferverbindung nicht nachsteht. Die geringe Latenz bezieht sich auf Signale, die nicht skaliert werden. SDVoE bietet nämlich auch die Möglichkeit, Signale im Netzwerk zu skalieren. Im Genlock-Fall bedeutet dies etwa 1⁄4 Frame zusätzliche Latenz – vernachlässigbar. Diese Art des Genlock bietet den großen Vorteil, kein Precision Time Protocol im Netzwerk integrieren zu müssen. Der Nachteil ist jedoch, dass die Signale nicht alle auf einen Takt synchronisieren und eine synchrone Weiterverarbeitung – zum Beispiel in einem Bildmischer – nur unter Einsatz von Framebuffern oder zusätzlichen Framesynchronizern erfolgen kann, was wiederum Latenzen mit sich bringt.

Fast Switching

Der Video Mode „Fast Switching“ nutzt Frame-Buffering für schnelles Umschalten zwischen Quellen im Netzwerk. Dazu wird eine Latenz von 1-2 Frames fällig. Eine Überblendung wird dadurch nicht möglich, aber der nahtlose Schnitt von einem Bildsignal an das andere. Das ist ausreichend für Downstage-Monitore, Backstagebereiche, Digital-Signage-Anwendungen und alle Bereiche, bei denen die kurze Latenz keine Rolle spielt und es bequemer und effizienter ist, über die Matrix zwischen Signalen umzuschalten.

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Netzwerkswitch mit HDMI? Mit dem Zyper-Modul von Zeevee erweitert man M4300-96X Switche von Netgear direkt um HDMI-Inputs, die dann im SDVoE-Netzwerk verfügbar werden (Bild: Zeevee)

Video Wall

Ein Feature, welches auch in einer hochwertigen Hardware- Matrix zu finden sein kann, ist der Video Wall Mode. Aus einem Bildsignal wird der Ausschnitt für einen Decoder festgelegt. Auch eine Bezelkorrektur zum Ausgleich aneinander liegender Kanten ist direkter Bestandteil der SDVoE-Technologie. Alle beteiligten Decoder synchronisieren auf das gleiche Quellsignal. Das stellt sicher, dass kein Tearing zwischen den Displays entsteht.

Multiview

Als vierter Mode im Bunde gesellt sich die Multiview-Anwendung dazu, die auch für Bild-in-Bild genutzt werden kann. Während direkte Signalübertragungen bis UHDp30 ohne Kompression auskommen, so wird bei Multiview-Anwendungen komprimiert, um eine maximale Bandbreite von 9,5 Gbit/s sicherzustellen und in den Schranken des 10-Gbit- Netzwerkes zu bleiben. Multiview-Anwendungen haben zudem eine höhere Latenz.

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Übertragung und Kompression

Der Fast Switching Mode und besonders der Genlock-Mode sorgen für derart geringe Latenzen, dass man ohne Sorge auch die Übertragung an Projektoren und LED-Prozessoren mit SDVoE lösen kann. Doch wie steht es um die Übertragungsqualität?

Eine Kompression der Bildsignale findet erst dann statt, wenn das Ausgangssignal eine Bandbreite über 10 Gbit/s aufweist. 1280 × 720p60 mit 8 Bit und 4:4:4 Chroma-Subsampling liegt bei 1,6 Gbit/s. Damit wird auch sofort ersichtlich, dass SDVoE mindestens 10-Gbit-Netzwerke als Grundlage benötigt, denn ein 1-Gbit-Netzwerk wäre mit Full-HD bei 4:2:2 Subsampling und den daraus resultierenden 2,2 Gbit/s bereits hoffnungslos überlastet.
UHD-Signale mit 60 Hz, 8 Bit und 4:4:4 Chroma-Subsampling übersteigen aber auch die 10 Gbit/s und werden dementsprechend von 13 Gbit/s auf 8,7 Gbit/s komprimiert.

Die Komprimierung erfolgt binnen von nur sieben Zeilen Video und ist latenzseitig vernachlässigbar. Qualitativ bleibt ein hochwertiges Signal, dessen Kompression wohl nur in wenigen Fällen auffallen dürfte, insbesondere, wenn es an der 1:1 Gegenüberstellung mit dem unkomprimierten Original mangelt.

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Netzwerkanforderungen

Die notwendigen 10 Gbit/s als Mindestanforderung für SDVoE haben wir bereits herausgestellt. Anforderungen an ein Netzwerk stellen sich jedoch weit über diese Kennziffer hinaus. Eine allgemeinhin große Herausforderung ist die korrekte Konfiguration und zielsichere Fehlersuche bei netzwerkbasierten Übertragungssystemen. Weder die Ausbildung zur Fachkraft für Veranstaltungstechnik noch die Ausbildung zum Mediengestalter für Bild und Ton vermögen die Kenntnisse für souveränes Netzwerkdesign zu vermitteln. Wie schwierig ist es also, SDVoE auch mit nur rudimentären IT-Kenntnissen an den Start zu bekommen?

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Adaptierung
Der aktuelle Weg in die
Veranstaltungsbranche führt erst einmal über angepasste Chassis und Formfaktoren, wie hier bei der IPAV-Pro Serie von Purelink ersichtlich wird

Hersteller von SDVoE-Geräten geben ausführliche Netzwerkkonfigurationsdokumente zur Begleitung ihrer Produkte heraus. Wird die Topologie von Netzwerken umfangreicher, so empfiehlt sich definitiv die Betreuung durch professionelle Netzwerktechniker. Bis es so weit ist, müssen jedoch einige Signale verwaltet werden wollen. Der Einstieg und Nutzen von SDVoE kann mit der entsprechenden Hardware auch sehr leicht und nutzerfreundlich von der Hand gehen. Netgear hat sich hier als sehr aktives Gründungsmitglied der Alliance in eine clevere Position gebracht. So sind beispielsweise Geräte aus der M4300-Serie „out of the Box“ für SDVoE-Anwendungen konfiguriert.

Für eine funktionierende SDVoE-Sternverkabelung um einen einzelnen Switch reicht es tatsächlich aus, wenn man nicht viel mehr kann, als Netzwerk-Adressen zu vergeben. IGMP- Snooping, Multicast-Einstellungen, VLAN-Konfigurationen: Wissen darüber ist nicht nötig, der Switch wird ohne Konfiguration zur Matrix der AV-Signale. Dieser Denkansatz geht so weit, dass in Kooperation zwischen Zeevee und Netgear bereits HDMI-Einschübe für Netzwerkswitche der M4300-96X Serie verfügbar sind.

Größere Sorgfalt ist erforderlich, wenn man mehrere Switche in einem Setup verwenden möchte – und genau das macht den Reiz aus: An verschiedenen Stellen in einer Venue Switche zu platzieren und bei Bedarf irgendein Signal abgreifen zu können – ohne eine weitere Leitung ziehen zu müssen. Gestaltet man die Bündelungen zwischen Switches so, dass alle Signale in alle Richtungen übertragen werden könnten, kann man Problemen aus dem Weg gehen. Netgear hat auch hier mehrere Schritte zur Erleichterung implementiert. Mit IGMP Plus, welches automatisch für VLAN 1 in M4250, M4300 und M4500 Modellen aktiviert ist, wird eine Sternverkabelung zwischen den Geräten möglich. Dennoch kann es nötig sein, einen Switch im Netzwerk als IGMP Querier festzulegen, die Verbindungen zwischen den Geräten muss nach wie vor den benötigten Bandbreiten standhalten und ein wenig mehr Netzwerkwissen wird abverlangt für die Verwaltung von VLANs.

Es gilt klarzustellen, dass Netgear nicht die einzigen Switche herstellt, die in der Lage sind, SDVoE-Signale zu verwalten. Das können alle professionellen Lösungen. Mit dem Plug-and-Play-Charakter und der Spezialisierung auf SDVoE vereinfacht der Hersteller den Einstieg in die Thematik aber deutlich.

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SDVoE Academy

Die Alliance betreibt eine eigene Online-Akademie. Neben allgemeinen Informationen gibt es kurze Kurse zu Videosignalen, System-Design, Netzwerkgrundlagen, Sales und Potenzialen im AV-over-IP Markt. Über die Zertifizierungsprogramme kann man weitere Erkenntnisse erwerben. Der Beitritt zur Akademie ist kostenfrei. Beim kurzen Stöbern erfährt man ein paar Basics, in die Tiefe gehen die meisten Videos aber nicht. Als Ausgangspunkt zum Kennenlernen der Plattform kann man die Akademie dennoch empfehlen.

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Mehr als AV

Eine weitere Besonderheit von SDVoE ist die Möglichkeit, mehr als nur AV-Signale zu übertragen. Eine Übertragung von USB-Signalen ist möglich und in viele Geräte integriert. Das Senden von RS-232-Befehlen wird in unseren Gefilden sicher seltener zum Einsatz kommen als im Installationsbereich, die Möglichkeit ist dennoch interessant. Ein weiteres Plus sind die oft verbauten, zusätzlichen Netzwerkschnitt- stellen an Encodern und Decodern. Diese sind auf ein Gbit/s beschränkt und geben Zugriff auf das gleiche Netzwerk, in dem auch die Datenströme fließen. Damit lässt sich beispielsweise die Steuerung eines Projektors gleich mit über die SDVoE-Verbindung realisieren. Ebenfalls ist der Zugriff auf die verwendete Management-Plattform darüber möglich.

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Steuerung des SDVoE-Netzwerkes

Die Steuerung der Geräte erfolgt über eine zusätzliche Management-Instanz im AV-Netzwerk. Hierzu verwaltet ein kleiner Server die angeschlossenen Geräte. Die Verwaltung über das Management-Tool beinhaltet auch die Adressierung der verwendeten Encoder und Decoder, diese werden automisch gefunden und dem System hinzugefügt. Eine Verwaltung über DHCP ist auch möglich, wenn ein DHCP-Server Teil des Netzwerkes ist. Durch die herstellerübergreifende Interoperabilität kann die Wahl für die Management-Plattform unabhängig von den Encodern und Decodern erfolgen.

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SDVoE für Events

Trotz zahlreicher Alliance-Mitglieder, die auch aus dem Eventbereich bekannt sind, findet sich der Großteil der Produkte im Installationsmarkt heimisch. Allmählich entdecken die Hersteller auch die Veranstaltungstechnik für sich und bringen Produkte hervor, die auf unsere Anforderungen abzielen. Hersteller wie Analog Way gehen diesen Schritt vielleicht sogar ein wenig zufällig, die Multiscreen-Management- Systeme finden seit jeher in Installation und Event gleichermaßen Anwendung. Mit Input- und Output-Karten für Livepremiere entsteht eine eher seltene Schnittstelle im SDVoE- Universum: Bildgestaltende Systeme. Der Fokus liegt klar auf der matrixgleichen Übertragung von Signalen und deren flexibler Auswahl innerhalb des Netzwerks. Purelink und auch Zeevee haben „ruggedized“ Varianten von Encodern und Decodern auf den Markt gebracht und wollen damit an Attraktivität gewinnen. Erste Capturekarten, zum Beispiel von Datapath, eröffnen indes neue Workflows für Computersysteme von der Stange.

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Erste Capturekarten, wie die abgebildete VisionSC-S2 von Datapath, eröffnen die computerbasierte Signalverarbeitung von SDVoE (Bild: Datapath)

Die Alliance hat einen guten Start hingelegt und bietet eine qualitativ hochwertige und vor allem latenzarme Signalverwaltung. Da man ohne PTP auskommt, bietet die Technologie einen niedrigschwelligen Einstieg und kann auch ohne tiefgreifende Netzwerkkenntnisse in Betrieb genommen werden. Der Vorstoß in die mobile Veranstaltungstechnik hat also durchaus seine Berechtigung. Die Geräte in robustere Gehäuse zu packen, ist ein guter Ausgangspunkt für manche Anwendungen, reicht allein aber noch nicht aus, um gänzlich für unsere Praxis tauglich zu sein. So wären Integrationen in Mediensteuerungen, wie Companion, Universe oder Pixera Control sinnvoll. Auch generische Schnittstellen, wie beispielsweise OSC zum Abrufen von Presets wären willkommen. Die Integration in Mediensteuerungen ist natürlich möglich – schließlich handelt es sich um ein Produkt aus dem Integrationsmarkt – die Schnittstellen sind jedoch noch nicht ideal für unsere ad hoc getriebenen Bedürfnisse.

SDVoE Bandbreite Übersicht

Betrachtet man die unterschiedlichen Video Modi, Einfachheit und Signalqualität, so lässt sich SDVoE als eine featurereiche, netzwerkbasierte Signalmatrix zusammenfassen.

 

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