dBTechnologies VIO L212

VIO L212: Line-Array für Touring-Dimensionen

Mehr oder weniger „unter dem Radar“ hat sich dBTechnologies aus Italien auf dem professionellen Beschallungsmarkt etabliert: Die Mischung aus italienischer Elektronik- und Lautsprecher-Tradition kommt bei vielen Kunden sehr gut an, die ein modernes Beschallungssystem unterhalb der Top-Budgets suchen. Mit dem Line-Array VIO L212 erklimmt dBTechnologies nun auch die nächste Stufe in Richtung Touring-Dimensionen

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dBTechnologies VIO L212(Bild: Detlef Hoepfner)

Wollte man die Evolution eines typischen Lautsprecherherstellers erforschen, wäre dBTechnologies (in Einheit mit RCF bzw. AEB Industriale) sicher ein dankbares Untersuchungsziel: Seit Jahren entwickelt sich die Firma evolutionär Schritt für Schritt weiter, auf die ersten noch weniger beachteten (aber gut verkauften) Kompaktlautsprecher folgten bald Line- Arrays und Linienlautsprecher mit elektronischen Features und Ausstattungen, die man vor zehn Jahren noch generell für kaum möglich gehalten hätte. Aktuell erweitert wurde das Portfolio um die amerikanische Traditionsmarke EAW – entstanden ist so ein weiterer respektabler europäischer Audio-Hub. Nicht zuletzt mit einer sehr umtriebigen Niederlassung in Deutschland: Sie bedient von Köln aus Materialströme, betreut Kunden, führt Seminare durch, setzt mit einer großen Demo-Halle ein Zeichen und ist wohl äußerst rege, das Kunden- und Markt-Feedback ins R&D nach Italien zu pushen. Mittendrin dabei Teammitglieder wie Jochen Gotzen, der aus einer langjährigen Live-Praxis wichtige Erfahrungen schöpft und einer der Supporter ist, die immer wieder frischen Wind und aktuelle Marktanforderungen in die Produktentwicklung beisteuern.

Die modernste Beschallungslinie bei dBTechnologies läuft derzeit unter dem Label „VIO“ und signalisiert, dass die Firma seitens ihres Know-hows breit aufgestellt ist: Ein modernes Rigging ist heute einerseits selbstverständlich, aber nach wie vor ein nicht zu unterschätzender Entwicklungs- und Fertigungsaufwand für die Hersteller. Lautsprecherseitig ist man in Italien ja eh gut aufgehoben, aber auch bei der Elektronik ist das Team von Firmenchef Arturo Vicari gut aufgestellt: Man beliefert beispielsweise einen renommierten deutschen Mikrofonhersteller als OEM-Partner mit HF-Technik, und das R&D beobachtet kontinuierlich die internationale Halbleiter- und Schaltungstechnik. Die in den VIOs verbauten Amp-Module zählt man mittlerweile zur vierten Generation der hauseigenen Verstärkerentwicklung – ebenfalls keine leichte Aufgabe, wenn man sich einmal umsieht, wie wenige Hersteller überhaupt noch professionelle Hochleistungsverstärker an den Start bekommen. Von der immer wichtiger werdenden Software ganz zu schweigen, für deren nötige Entwickler in der Branche kaum noch Job-Kandidaten zu finden sind.

VIO L212 – sie können auch „fett“

All diese Hürden hat dBTechnologies langsam, aber stetig genommen und mit dem VIO L210 und VIO L208 bereits erfolgreiche VIO-Line-Arrays im Markt platziert. Da sich in dieser Produktgattung sowieso alles nur noch um Systemlösungen dreht, lag der Gedanke nahe, das Konzept weiter zu skalieren – nach oben. Das VIO L212 ist jetzt das erste Line- Array-Modul von dBTechnologies, das für große Touring-Beschallungsanwendungen entwickelt wurde (bisher war dieses Segment eher der Schwesterfirma RCF vorbehalten). Konzeptionell standen im Vordergrund: Hohe Ausgangsleistung, eine optimierte Abstrahlung in einem kompakten und leichten Selfpowered-Line-Array.

VIO L212 Mittel-/Hochtoneinheit
Schnitt durch die Mittel-/Hochtoneinheit (Bild: Detlef Hoepfner)

Acht Komponenten von 12″ bis 1,4″

VIO L212 setzt auf drei aktive Wege, die mit Neodym-Komponenten ausgestattet sind. Zwei 12″-Tieftöner von B&C mit 3″-Schwingspule in der Front für eine kräftige Low-End-Wiedergabe bereits aus dem geflogenen Array. Zentral sitzt eine kombinierte Mittel-/Hochtoneinheit mit vier OEM-Tieftönern (6,5″, Schwingspule 2″). Dazwischen sind nochmals zwei 1,4″-Neodymtreiber von RCF (3″-Schwingspule) positioniert. Deren Waveguide lehnt sich an die bewährten Designs an, um eine möglichst zylindrische Wellenfront zu erzeugen.

Luftzufuhr
Fräsungen und Gitter zur Luftzufuhr (Bild: Detlef Hoepfner)

Class-D-Verstärker mit PFC

In jeder VIO L212 arbeiten zwei der erwähnten Digipro-Amps G4 mit zusammen 3200 W RMS. Das Schaltnetzteil ist mit einer PFC (Power Factor Correction) ausgestattet und dient einer weltweiten Kompatibilität an Stromversorgungen von 90 bis 265 Volt (50/60 Hz). Zusätzlich soll das Netzteil auch gegen 380 V resistent sein, um gegen versehentliche Fehlspannungen geschützt zu sein. Sinnvoll in der Praxis ist auch die Intelligent Power-On Sequence, welche die Reihenfolge verzögert steuert, in der die Stromversorgungen aller Einheiten innerhalb eines Arrays hochgefahren werden. Die unangenehmen Überraschungen durch zu hohe gleichzeitige Einschaltströme hat wohl jeder schon einmal „erleben dürfen“.

VIO-Entwicklungsmuster
Elektronik, Rigging-Strang und massive Regen-Cover (Entwicklungsmuster) (Bild: Detlef Hoepfner)

Dante-ready

Die Elektronik ist mit einem modularen Steckplatz für Erweiterungskarten ausgestattet. Standardmäßig ist er mit einer RD-Net-Karte von dBTechnologies bestückt, um die Echtzeitfernsteuerung über die Aurora-Net-Software zu übernehmen. Konkret vorbereitet ist man aber bereits für ein Upgrade mit einer Dante-Karte. Eine Glaubensfrage ist ja ein wenig, ob man nun die Elektronik lieber sicher zentral in Racks zusammenfasst, oder direkt dort integriert, wo sie benötigt wird: dicht am Chassis. Hier in der VIO L212 erlaubt die Entscheidung für letzteres Konzept jedenfalls die einfache Erweiterung um zusätzliche Technologien: NFC-Näherungssensoren in allen Boxen werden dazu verwendet, um die Position einer jeden Box innerhalb eines Arrays zu bestimmen. In Verbindung mit einer schaltbaren, hellen LED in der Front des Gehäuses ist via der Fernbedienungssoftware Aurora Net erkennbar, wo im Array die einzelnen Elemente positioniert sind. Ebenfalls integriert sind ein Systemtest und eine Echtzeit-Impedanzkontrolle. Per USB erfolgen Firmware-Updates oder das Auslesen von Logfiles. Brummproblemen soll übrigens mit einer eingangsseitigen galvanischen Trennung vorgebeugt werden.

LED
Verborgene LED zur Systemidentifikation (Bild: Detlef Hoepfner)

Smart-Rigging für das Line-Array

Die L212 nutzt ebenfalls das 3-Punkt-Rigging der VIO-Serie und ist vollständig kompatibel mit dem VIO L210. Die Front wird über zwei Links verbunden, rückseitig verläuft der Riggstrang. An dessen Haken pro Modul werden die Winkel zwischen 0,5° bis 8°eingestellt. Die Winkel werden vorab eingestellt, dazu stehen je vier Module (je ca. 53 kg) in einem DT-VIOL212. Wird das Arrays an- gehoben, rastet der Riggstrang die Module in die voreingestellten Winkel ein. Der DT-VIOL212 kann auch für den Bau von Groundstacks genutzt werden. Hinzu kommt der 2-Punkt-Flugrahmen DRK-212 für eine präzise Neigung des Arrays für positive oder negative Winkel. Im DT-DRK212 können zwei Flugrahmen und Kabel/Zubehör transportiert werden. Über einen Adapter können auch VIO L210 als Down-Fill unter einem großen VIO-L212- Array geflogen werden.

VIO L212 seitlich der Bühne(Bild: Detlef Hoepfner)

Listening

Einen ersten Eindruck vom L212 konnten wir uns in Rimini verschaffen. Präzise terminiert gemäß Murphys Law erwartete uns in diesem Traumsommer bei der Ankunft in Rimini – eine kräftige Regenfront. Pro Seite hatte die Crew 16 Stück der neuen L212 geflogen, aber wenn man sich die ausgetüftelten, von Magneten positionierten Regenkappen auf den Modulrückseiten der L212 ansieht, muss man sich um Feuchtigkeitsprobleme wohl wenig Sorgen machen. Auf dem Boden sorgten 8 Stacks aus je drei Subwoofern S218 im Cardioid-Betrieb für die Sub-Ergänzung, getrennt bei 70 Hz. Für das Nearfield wurden sie je von L210 aus der gleichen Familie gekrönt. Von einer Midas Pro X ging es über zwei Lakes mit je einem Weg nach L, R und die Front- fills. Weitere acht Wege liefen auf die Subs. Die Stromversorgung erfolgte über zwei VIO-Power-Boxen mit 63-A-CEE, von wo aus es jeweils mit einer Verteilung LKS19 von Soka auf sechs Einzelphasen nach oben ging. Ein zweiter Soka-Out je Seite belieferte die je zwölf Subs und vier L210. Netzwerk und Audiosignal wurden in diesem Fall in Rimini per LKS25- Multipin auf 8fach-Analog-Multis je zu den SUBs und ins Array hochgeführt. Da das RD-Net zur „Aurorakontrolle“ seriell ist, wurde eine der XLR-Leitungen samt Adapter auf Ethercon genutzt, um das Controlling zu gewährleisten. Für die kleinen VIO-Systeme bietet dBTechnologies aber bereits eine andere „Einkabel-Lösung“ an, die auch bereits Dante- ready ist und von Sommer Cable gefertigt wird. Cool wäre natürlich, auch für das L212 so ein Produkt zu haben, das in einem Kabel CAT 7, analoges NF und 2 × Powercon True für ein Vierer-Dolly liefert – ein weltweiter Standard wird dazu im Unternehmen gerade beschlossen, während dieser Text entsteht.

Dargeboten wurde ein kraftvolles Programm von „CapArEzza“, einem in Italien bekannten Hip-Hopper, der gesellschaftskritische Texte auf humoristische Weise verarbeitet. Die ausverkaufte Fläche wurde gut abgedeckt, und die ebenfalls anwesende FoH-Reisegruppe zeigte sich nicht nur beeindruckt von der Systemleistung, sondern wechselte nach ausführlicher Inspektion des Aufbaus bald schon die Diskussionsthemen: Wie hätte man selbst das Array und die Subs positioniert, wie arbeiten die italienischen Crew-Kollegen – und was sind das da für skurille Dekoelemente auf der Bühne? Was kann ein Audiosystem dann noch besser leisten, als dass man nach kurzem Hinhören einen positiven Haken dran macht – und sich den nächsten Fragen zuwendet?

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