Prolyte Campus Seminar

Traversensystem: Belastungen berechnen & erleben

„Belastungen von Traversen in Theorie und Praxis“ ist der Titel eines Seminars, das der Traversenhersteller Prolyte am Standort seines Zentrallagers in Emsdetten Prolyte-Nutzern – und denen, die es werden wollen – anbietet.

Prolyte Campus Seminar

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Bereits seit 2011 unterstützt die aus den Niederlanden kommende Prolyte-Group mit ihrem Programm „Prolyte-Campus“ Anwender an verschiedenen internationalen Seminarorten und behandelt dabei Themen wie Rigging, Umgang mit Traversen, Motoren und Bühnenaufbauten. Referent des Seminars „Belastungen von Traversen in Theorie und Praxis“ im Mai 2016 war Dipl.-Ing. Matthias Moeller, Senior Technical Advisor bei Prolyte, Vorstandsbeauftragter der DTHG für Rigging und fliegenden Bauten und Vertreter der IGVW bei der Bauministerkonferenz. Nach allgemeinen Hinweisen zum Ablauf und zur Sicherheit wurden zu Anfangs die rechtlichen Grundlagen für den Einsatz von einem Traversensystem geklärt. Es handelt sich dabei um die DGUV-Vorschriften 17 und 18 – in der Praxis immer noch unter der bisherigen alten Bezeichnung BGV C1 bekannt – die sich inhaltlich nicht verändert haben, sondern lediglich der aktuellen Nomenklatur der berufsgenossenschaftlichen Veröffentlichungen angepasst wurden. Relativ neu von 2015 ist allerdings die entsprechende Durchführungsanweisung DGUV Regel 115-002, in welcher nun auch ausdrücklich Traversenkonstruktionen aufgenommen wurden.

Prolyte Campus Seminar
Belastung: Referent Matthias Moeller erklärt Belastungstabellen (Bild: Hans-Eberhardt Kothe)

Zum weiteren Verständnis der Konstruktionsgrundlagen und der Tragfähigkeit von Traversen wurden dann vom Referenten herstellerübergreifend die physikalischen Grundlagen Normalkraft, Querkraft und Biegemoment erklärt und dabei theoretisch erläutert, wie sich diese Kräfte auf eine Traverse auswirken: Bei Belastung von Traversen innerhalb der Zulässigkeiten durch elastische Verformung (Durchbiegung mit Rückkehr in die Ursprungsform nach Entlastung) und bei Überschreitung der zulässigen Belastungen durch plastische Verformung (dauerhaftes Verbiegen oder Brechen). Die weiteren Ausführungen beschrieben die unterschiedlichen statischen Systeme Einfeldträger und Mehrfeldträger sowie die Belastungsarten CPL (center point load), UDL (uniformly distributed load) sowie den Sonderfall von Auskragungen über ein Auflager hinaus. Dazu nannte Matthias Moeller für die Praxis nützliche Faustformeln: Die maximale Länge einer Auskragung soll 1/6 der Spannweite zwischen den Auflagern nicht überschreiten. Ein weiterer Praxistipp zur überschlägigen Abschätzung der zulässigen Belastung einer Traverse durch mehrere angehängte ungleichmäßig verteilte Lasten: so lange das Gesamtgewicht der eingebrachten Lasten nicht höher ist als die zulässige CPL, wird man sich auf der sicheren Seite sehen. Deutlich wurde aber darauf hingewiesen, dass auch der erfahrene Anwender durch die ihm vom jeweiligen Hersteller der Traversen zur Verfügung gestellten statischen Angaben nur in der Lage sein kann, die Belastungen eines Einfeldträgers als einfaches statisches System abzuschätzen. Die Belastungsberechnung von Mehrfeldträgern und aufwändigeren Traversen-Konstruktionen sollen grundsätzlich nur von erfahrenen und fachlich qualifizierten Ingenieuren angefertigt werden. Ein weiterer Programmpunkt des Seminars beschäftigte sich mit Änderungen der technischen Baubestimmungen. Hier wurden im Zuge der europäischen Harmonisierung die Baubestimmungen der Mitgliedsländer angepasst und die Bemessungsregeln im Bauwesen europaweit vereinheitlich. Diese wirken sich durch den Eurocode 9 „Berechnung und Bemessung von Aluminiumkonstruktionen“ auch auf die Berechnungsgrundlagen zur Belastungsberechnung von Traversen aus. Nach einer mittlerweile abgelaufenen Übergangsfrist müssen daher alle Traversenhersteller in Europa diese eigentlich für den Hochbau eingeführten Regeln bei ihren statischen Angaben berücksichtigen und sie auch in den entsprechenden Dokumenten nennen.

Schadensbilder: Truss Busters

Nach so viel trockener Theorie wurde es Zeit für Abwechslung. Der Nachmittag gehörte dem von vielen Teilnehmern als Höhepunkt empfundenen Bereich der Praxis am Traversensystem. Von Prolyte liebevoll mit dem Begriff Truss Busters bezeichnet führt der Hersteller Be- und Überlastungsversuche an einem Traversensystem direkt durch, die dem Anwender ein Gefühl dafür vermitteln, wie sich diese Situationen praktisch darstellen. Matthias Moeller demonstrierte dies mit sichtlicher Freude und startete dabei als Warmup mit der Vorführung der systembedingt fehlenden Seitensteifigkeit eines Zweigurtträgers. Spektakulärer wurde dann der Versuch, einen 2-TonnenBetonklotz als CPL mittels eines Motors an einer 12 Meter messenden 30er 51/2 Traverse anzuheben. Mit Hilfe der Daten einer eingesetzten Lastmesszelle konnten die Teilnehmer beobachten wie die belastete Traverse bis 1,7-facher Überlastung über den laut Statik angegebenen Maximalwert im Bereich der elastischen Verformung blieb. Erst bei deutlicher Überschreitung kam es zum Versagen durch plastische Verformung der oberen Gurtrohre. Bei einem zweiten Versuch mit einer 4-Meter-Traverse gelang es trotz absichtlicher Schwächung durch Verbiegen der Braces und Dynamik des Motors nicht, die Traverse zu brechen. Natürlich handelte es sich hier aus Sicherheitsgründen um Versuche in kontrollierter Umgebung und eine Nichtweiterverwendung der entsprechenden Träger wurde sichergestellt. Vor einer Nachahmung ohne entsprechende Fachkenntnis wird ausdrücklich gewarnt.

Nicht mischen!

Zum Abschluss des Seminars trafen die Teilnehmer nochmals im Vortragsraum zusammen, Matthias Moeller erläuterte die kurz zuvor im Rahmen der Versuche beobachteten Schadensbilder und berichtete aus seiner Praxis als Gutachter über Erfahrungen in der Bewertung von Traversenversagen. In diesem Rahmen nahm er auch Stellung zu der teilweise in der Praxis vorkommenden Mischung von Traversensystem zu Traversensystem unterschiedlicher Hersteller. Auch wenn landläufig manchmal die Vorstellung herrscht, bestimmte Produkte seien miteinander kompatibel und unter Berücksichtigung der „schwächeren Statik“ sei dies zulässig, handele es sich um die Verbindung zweier nicht zueinander gehörender Arbeitsmittel und führt rechtlich gesehen zur Herstellung eines neuen Produktes. Dies unterliegt dem Produktsicherheitsgesetz und man wird nachweispflichtig für die Bauart gemäß EU-Bauprodukteverordnung – eine Rechtsfolge, von der jedem abzuraten ist. Bei dem Seminar handelte es sich um eine Veranstaltung, die jedem Praktiker im Umgang mit Traversen zu empfehlen ist. Es ist zu hoffen, dass auch andere Hersteller sich ein Beispiel daran nehmen und ihre Kunden ebenso informativ und unterhaltsam – auch nach dem Kauf – begleiten.

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