Multichannel Audio

3D- und Immersive Sound – alles nur wie Quadro?

Soundscape-Demohalle
Soundscape-Demohalle von d&b in Backnang (Bild: Detlef Hoepfner)

Nach vielen verhalteneren Anläufen stürzen sich nun gleich fast alle Beschallungshersteller auf den „umhüllenden“ Sound. Welche Erfahrungen haben sie gemacht, wie argumentiert man für die nötigen Budgets – und wo liegt der Ausbildungsbedarf?

„Immersive Sound“ ist derzeit ein allgegenwärtiges Thema. Dabei muss man nicht nur auf selige Quadro-Zeiten zurückgreifen: Eine schier unzählbare Vielfalt an Ansätzen versuchte über Jahrzehnte, die Zuhörer nicht nur aus einem oder zwei Punkten „anzutröten“, sondern das latente Unbehagen durch eine füllendere Wiedergabe anzureichern. Schon Urgroßvaters Röhrenradio hatte eine „Raumklang“-Taste, nach deren beherztem Einrasten der Schall durch diverse Schallführungen aus dem furnierten Klangmöbel in mehrere Richtungen durch die gute Stube geleitet wurde (spacige Hifi-Konzepte mit Rundumstrahlern kommen einem da auch nicht viel weiterentwickelter vor).

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Im Kino sowieso, aber auch in Theatern und Musicals experimentiert man mit den verschiedensten Anordnungen und Konzepten – verwirrenderweise tritt die gleiche Technologie auch noch unter verschiedenen Labels auf. Tatsächlich umgesetzt wurden weltweit unzählige Projekte. Allein eine Firma wie Fohhn befasst sich seit über 15 Jahren mit diversen Themen zu „Immersive Sound“, Mehrkanalton/3D-Sound und elektronisch veränderbarer Raumakustik. Bereits in den 2000er Jahren hat das Team Projekte mit variabler elektronischer Raumakustik z. B. im Opernhaus Tel Aviv, in Prag und Oslo realisiert, und es wurden Diplomarbeiten und Studienarbeiten zum Thema „Lautsprechersysteme für Wellenfeldsynthese und 3D-Sound“ unterstützt. Mit IOSONO/BARCO richtete Fohhn das damals größte 3D-Vorführsystem Europas ein und es folgten Projekte wie der Shanghai Tower in China mit über 250 Lautsprechersystemen, der Pavillon von Kasachstan auf der EXPO 2015 in Milano oder das Energieerlebniszentrum Aurich. Ähnlich aktiv waren Hersteller wie L-Acoustics und d&b, auch mit Anwendungen im Konzert- und Tournee-Business.

Effekt, Raumsimulation oder Tracking?

Denn die Aufgabenstellungen sind unterschiedlich gewichtet: Die Bespielung des Zuhörers mit Effekten ist die plakativste Variante. So ist auch heute kein Musical mehr ohne derartiges Sound-Design denkbar. Bei einer neuen Produktion wie „Fack Ju Göhte“ in München unterstützen allein 18 Surround-Lautsprecher das Design. Eher zur Reproduktion einer klassischen Konzertsaalatmosphäre dienen die Raumsimulationen z. B. bei Klassik-Open-Airs, bei der eine „trockene“ Frontalbeschallung vom Publikum nicht akzeptiert wird – der Dirigent liest auch lieber eine Lobeshymne über seine Arbeit in der Tagespresse, als Diskussionen über die Beschallung. Als Spielart ist dann noch möglich – besonders in Festinstallationen – über Mikrofone oberhalb der Szenenfläche Schall aufzunehmen und um Rauminformationen angereichert in den Saal zu spielen. Zumindest theoretisch ist so eine breitere Nutzung von Sälen mit zu trockener Akustik möglich.

Eine eher funktionale Aufgabe wird geleistet, wenn es um die Lokalisation von Akteuren und Instrumenten auf der Bühne geht, idealerweise mit automatischem Tracking. Unter wirtschaftlichen Aspekten leider viele negative Erinnerungen weckt die monströse Ben-Hur-Tournee 2009 – hier war das Ziel weniger eine immersive Umhüllung des Publikums, als vielmehr die Orientierung auf der riesigen Spielfläche mit etlichen parallelen Handlungen durch eine akustische Ortung zu ermöglichen. Daran wird das Projekt nicht gescheitert sein, aber die Installation und jeweilige Einmessung der unzähligen Lautsprecher verschlangen an den Spielorten mächtig Ressourcen. Eine verbesserte Lokalisation dient aber generell einem viel natürlicheren und stabileren Klangbild – genau dieses Ziel wird derzeit von einigen Anbietern besonders fokussiert.

Ralf Zuleeg
Ralf Zuleeg: »Um in den Genuss einer mehrdimensionalen Wiedergabe zu kommen, muss man nicht zwingend im Kreis herum Lautsprecher aufbauen. Schon als Frontsystem eingesetzt wird das Klangbild räumlich entzerrt und es stellt sich der Fokus auf die Bühne ein. Plant man das richtig, kommt man mit einem Mehraufwand von vielleicht 20% hin.« (Bild: Detlef Hoepfner)

Matthias Ziegenberg betreut bei Pro Audio-Technik den Vertrieb des lange eingeführten Timax-Trackers zur 3D-Lokalisation. Trotz steigender Nachfrage „stehen wir gefühlt immer noch eher am Anfang, was die Verbreitung der Thematik angeht“, schätzt er den Markt aktuell ein. Ralf Zuleeg, verantwortlich für das „Soundscape“-Projekt bei d&b, erlebt zunehmend Interesse von Tontechnikern, die bei der Thematik bisher zurückhaltend waren: „Offensichtlich geht die Sehnsucht nach mehr Produktionsmöglichkeiten um, die bei herkömmlichen Verfahren einigermaßen ausgereizt zu sein scheinen. Realistisch hat man bei kanalbasierenden Verfahren ja eigentlich auch nur Mehrfach-Mono.“ Ein Effekt, den er in den international neu geschaffenen d&b-Präsentationszentren für die Mehrkanaltechnik gerne demonstriert: Mit nur zwei Quellen L/R hat man – lautsprecherunabhängig – viel Mühe, für eine Hörfläche von größerer Breite als einer Fahrbahnmittellinie einen breiten Stereoeindruck zu realisieren. Ebenfalls Vollgas gibt bei dem Thema Christian Heil mit seinem Team bei L-Acoustics: Sherif El Barbari leitet das zugehörigen L-ISA Lab und stellt fest, dass sich das Interesse nicht mehr auf einzelne Marktsegmente beschränken lasse. „Es geht tatsächlich querbeet von konventionellen Live-Konzerten mit einer Frontbeschallung, Kreativ-Events mit einer 360-Grad-Beschallung auf mehreren Ebenen, der Themenpark-Beschallung mit ausgesprochen viel Automation und Tracking bis zu Museuminstallationen jeglicher Art und, und, und … Hauptsache: immersive!“

260 Fohhn-Lautsprecher
3D-Kompositionen über 260 Fohhn-Lautsprecher, begehbar im Shanghai Tower (Bild: Lukas Taino)

Uli Haug von Fohhn bestätigt, dass das Marktinteresse hinsichtlich der Schaffung beeindruckender, lebensechter und intensiver – also immersiver – Klangerlebnisse seit vielen Jahren da ist. Aber er erinnert daran: „Der finanzielle Aufwand kann, je nachdem welche Anforderungen an ein immersives Soundsystem gestellt werden, sehr hoch sein. Wünsche und Finanzierbarkeit klafften in der Vergangenheit teilweise extrem auseinander. Wirklich immersive Projekte sind weltweit tendenziell immer noch dünn gesät.“

L-ISA bei L-Acoustics
Demonstration von L-ISA bei L-Acoustics: mit Redner-Tracking stabiles Image statt „2 x mono“ (Bild: Detlef Hoepfner)

Audiophile Selbstverliebtheit vs. praktischer Nutzen

Entspringt die Begeisterung der Branche für die mehrkanaligen Events womöglich eher einer audiophilen Selbstverliebtheit, die nicht richtig auf den Kunden überspringt? Ralf Zuleeg mag dem nicht zustimmen: „Vielmehr war der fehlende Bezug zum Geschehen auf der Bühne der Grund, warum man jetzt anders beschallt: Wenn die akustische Quelle nichts mit der optischen zu tun hat, wird das Zuhören schon ziemlich anstrengend. Befriedigt man aber das mediale Modell im Kopf des einzelnen Zuhörers – d. h. kommt der Ton auch daher, von wo er erwartet wird – ist es schon sehr viel leichter, sich der Musik hinzugeben, dem Vortrag zu folgen usw.“

Zu der Frage, warum Lautsprecher oft so ein schlechtes Image haben, geht Ralf sogar noch einen Schritt weiter: „Meine persönliche, nicht fundierte Theorie ist, dass sie eben ziemlich unmotiviert und abgekoppelt vom eigentlichen Geschehen mehr oder weniger gute Klangeindrücke vermitteln. Daher wird der Lautsprecher eher als notwendiges Übel denn als künstlerische Erweiterung angesehen. Warum muss man den Lautsprecher aus dem Blickfeld schieben, während die Lampe direkt in der Szene zu sehen sein darf? Schöner sind Lampen doch eigentlich auch nicht. Außerdem wird das Mischen durch die räumliche Entzerrung des Klanggeschehens sehr vereinfacht. Ist man bei traditionellen Verfahren hauptsächlich damit beschäftigt, in der eindimensionalen Buswelt die wichtigen Informationen zu demaskieren, hat man bei mehrdimensionalen Verfahren mehr Freiheit, sich um die künstlerischen Aspekte der einzelnen Klangquellen zu kümmern.“

Arena-Produktion
Massenspektakel Ben Hur: Arena-Produktion 2009 in 3D-Sound – und mit finanziellen Problemen (Bild: Detlef Hoepfner)

Auch bei Fohhn stellt man vergleichbare Vorteile fest: „Die Ortung des Bühnengeschehens kann für alle Hörerpositionen verbessert werden. Im Idealfall kann der Sweetspot auf die gesamte Hörerfläche erweitert werden. Aufgrund der vielen Lautsprecherkanäle kann ein umfangreiches und beeindruckendes, objektbasiertes Sounddesign geschaffen werden – das Klangerlebnis von der Bühne kann wesentlich plastischer und räumlicher dargestellt werden.“ Und auch die erweiterte Raumnutzung erwähnt Uli Haug: „Elektronisch veränderbare Raumakustik: ein und derselbe Raum lässt sich für verschiedenste Anwendungen wie z. B. Sprache, Kammermusik, klassische Konzertmusik aber auch elektronische Musik jeglicher Art akustisch perfekt anpassen. Eine multifunktionale Nutzung ist problemlos und mit exzellenten Klangergebnissen möglich.“ Matthias Ziegenberg: „Immersive Sound kann die Aufmerksamkeit des Publikums gezielt auf ein bestimmtes Bühnengeschehen oder eine Nebenbühne lenken. Das gilt für große Freilicht-Opern genauso wie große Automotive Events und ist ein handfester Vorteil!“

Fack ju Göhte
Musical: seitliche und hintere Lautsprecher sorgen bei „Fack Ju Göthe“ für die Erzeugung eines immersiven Sound-Erlebnisses (Bild: Julian Reischl)

Sherif El Barbari sieht besonders die Zuschauer bzw. Zuhörer im Mittelpunkt: „Nicht zuletzt wurde diese Entwicklung zur Mehrkanalanwendung vom Wunsch Christian Heils geprägt, den Zuhörern ein besseres, natürlicheres Erlebnis zu bieten. Die Tatsache, dass man zwei Ohren als Hörorgane besitzt, bedeutet nicht im Umkehrschluss, dass zwei Lautsprechersysteme zur Wiedergabe ausreichen. Vor allem nicht, wenn mehr als 90% der Zuhörer nicht exakt in der Mitte zwischen beiden Systemen platziert sind und in der Realität nur ein System hören. Die Vorteile gegenüber einer L/R-Beschallung liegen auf der Hand. Wir versuchen die Ebene „Beschallung” auszublenden und den Zuhörern bzw. Zuschauern – wie auch beim natürlichen Hören – ein ortungsbezogenes Erlebnis zu bieten. Das ermöglicht einen entspannten Genuss und erspart dem Gehirn viel ermüdende Umrechen-Arbeit. Das dient einer besseren Verbindung zwischen Künstlern und Besuchern und ‚zoomt’ die Zuhörer tiefer ins Geschehen.“ Viele Erfahrungen wurden auch bereits mit ungewöhnlichen Situationen gesammelt – wie verfährt man z. B. mit den Zuschauern seitlich von einer Bühne? „Über die Vorteile der natürlichen Ortung hinaus bieten unsere mehrkanaligen Lösungen auch viel Raum für Kreativität. Man kann eine weitaus größere Panoramabasis bieten und somit den von uns bevorzugten ‚Hyper-Realismus’ – auch als „larger than live” beschrieben – realisieren.“

Wächst das Budget auch in 3D?

Bisher stehen immersiven Projekten jedoch sehr hohe Investitionen entgegen. Welchen „Einstieg“ könnte man bei Projekten oder Tourneen empfehlen, um beginnend in einem sehr kleinen Rahmen erste Erfahrungen – für Tontechniker, Auftraggeber und Publikum – zu sammeln, auf die man dann im Weg zu einem „richtigen“ immersiven Projekt aufbauen kann? Ralf Zuleeg denkt, dass es vor allem des Willens bedürfe, ein solches System einzusetzen: „Im Normalfall können kleinere, verteilt platzierte Lautsprecher verwendet werden, um eine ähnliche Energie zu erzeugen, wie sie von eben zwei „Männer-Arrays“ von beiden Seiten der Bühne erzeugt werden. Um in den Genuss der Vorteile einer mehrdimensionalen Wiedergabe zu kommen, muss man auch nicht zwingend im Kreis herum Lautsprecher aufbauen. Schon als Frontsystem eingesetzt wird das Klangbild räumlich entzerrt und der Fokus stellt sich auf die Bühne ein. Plant man das richtig, kommt man mit einem Mehraufwand von vielleicht 20% hin. Das ändert sich natürlich beim Einsatz eines 360°-Systems. Hier ist neben dem erhöhten Material- und Personaleinsatz vor allem zu beachten, dass eigentlich keiner bei der Planung der Hallen an ausreichend Hängepunkte an den Seiten oder hinter dem Publikum gedacht hat. Aber da ist dann umso mehr Willensstärke gefragt. Man kann aber auch hier den Aufwand minimieren, wenn man sich vor Augen hält, dass die Ortungsauflösung im Sichtfeld deutlich höher ist als hinter dem Kopf. Man kann also gerne hinten ein paar Lautsprecher weglassen und man muss auch nicht die größten und lautesten nehmen. Es ist schon erstaunlich, was man mit einem 8″-Coax so alles machen kann …“

DS100 Signal Engine
Die DS100 Signal Engine ist ein Audioprozessor im Dante-Netzwerk für bis zu 64 Klangobjekte: 144 Convolver, 64 x 64 Matrix und I/O-Processing bei nur 1,3 ms Latenz (Bild: Detlef Hoepfner)

Sherif El Barbari verweist darauf, dass die Entwicklung von Anfang an darauf ausgerichtet sein müsse, dass die erzielbaren Resultate vorher simuliert und optimiert werden können – bei L-Acoustics geschieht dies durch ein spezielle Version der L-Acoustics-Simulationssoftware „Soundvision“. „Wir vergleichen eine konventionelle L/R-Beschallung mit der von uns vorgeschlagenen Mehrkanalbeschallung in vielen Aspekten, unter anderem auch den Investitionskosten. Unsere Aufgabe ist es, die Skalierung des Systems auf die Anforderungen zu optimieren und somit keinen, oder möglichst nur einen geringen Mehraufwand – gleich Kosten – zu verursachen. Um einen Einstieg in die Mehrkanalplattform zu bieten, empfehlen wir eine Mindestanzahl von fünf (eventuell kleineren als bei der Zweikanalanwendung) Lautsprechersystemen über der bespielten Bühnenfläche zu installieren. Der Vorteil hiervon ist bereits sehr hoch und bietet den Zuhörern ein weitaus besseres Hörerlebnis als eine konventionelle L/R-Anordnung.“

Für Fohhn denkt Uli Haug, dass es letztlich auf den Anspruch und das Ziel der Anwendung ankommt: „Will ich ein dreidimensionales Raumklangerlebnis erzeugen, möglichst nahe an der Wirklichkeit – oder möchte ich in einem Rockkonzert ein Gitarrensolo durch den Raum wandern lassen. Beides kann zweifellos eine starke Wirkung auf die Zuhörer haben, bedeutet aber u. U. einen völlig anderen Material- und Zeitaufwand.“ Er erkennt auch Situationen, wo für reine 3D-Sound Projekte nicht die finanziellen Mittel bereitgestellt würden: „Immersive Sound/Effektsound ist häufig nicht wirtschaftlich darstellbar. Auch hinsichtlich der architektonischen Integration treten immer wieder Probleme auf, ein immersives Soundsystem mit vielen Lautsprechersystemen zu installieren … denkmalgeschützte Gebäude, Optik, Platzbedarf, Verkabelung etc.“ Man setzt daher auf eine neue Software/Hardware, die sowohl elektronische Raumakustik, als auch sehr umfassende 3D-Sound-Möglichkeiten bieten soll: „Elektronisch veränderbare Raumakustik ist eine direkt nachvollziehbare Investition in den Raum und die unterschiedlichen Nutzungsmöglichkeiten. Zudem ist ein elektronisches Raumakustikkonzept oftmals deutlich kostengünstiger als Baumaßnahmen im Raum, um die akustischen Eigenschaften zu verbessern – eine wichtige Funktion, nicht nur ein schöner Effekt.“

Objektpositionierung im Raum
Objektpositionierung im Raum beim d&b Soundscape erfolgt via En-Scene, En-Space übernimmt die Faltung mit der Nachhallcharakteristik von aufwändig vermessenen Konzertsälen, die Systemplanung erfolgt via d&b ArrayCalc (Bild: Detlef Hoepfner)

Angesichts drohender Budget-Diskussionen: wer ist in der Entscheidungskette denn der „kritische Punkt“, der zu so einer Lösung (und in der Regel: Mehraufwand) überzeugt werden muss? Sherif El Barbari erlebt in seinen Projekten: „Im Idealfall gibt es einen Wunsch des Künstlers, ein Immersive-Sound-Konzept einzusetzen. Wenn die Vorzüge richtig ein- und umgesetzt werden, profitieren der Künstler und sein zahlendes Publikum am meisten davon. Das kann aber von Fall zu Fall unterschiedlich sein. So hat sich im Falle von ‚alt- J’ die Band für die Umsetzung ihrer kreativen Ideen an uns gewandt, und sie sind hier die Entscheidungsträger. Bei der laufenden Tournee mit ‚Lorde’ in den USA war das mehr die Entscheidung vom Produktionsteam. In beiden Fällen ging es um ein eindeutiges Bestreben nach Innovation und ein besseres Erlebnis für die Konzertbesucher – nur die Entscheidung kam aus unterschiedlichen Quellen bei den Produktionen.“

Wie sieht immersive Sound-Weiterbildung aus?

Leichter gesagt, als getan? In welchen begleitenden Disziplinen – von Mikrofonierung über Messtechnik bis zu Mischpultworkflows – sollte man sich denn heute besonders fit halten, um in diesen immersiven Projekten erfolgreich mitarbeiten zu können? Ralf Zuleeg sieht hier einige der Themen ganz vorne, die auch d&b schon lange im Fokus hat: „Netzwerktechnik, Mehrkanaltransporttechniken, aber auch Steuerprotokolle wie OCA, OSC oder AES70. Die meiste Zeit beim Aufbau und bei der Inbetriebnahme verplempert man eigentlich mit der Suche nach den richtigen IP-Adressen. Da ist dann die Verstärkersteuerung auf fixe IP-Adressen eingestellt, das Audioprotokoll auf Link Local usw. Da muss man schon ziemlich auf Draht sein, um das zu beherrschen. Wer messen will, soll messen … möglichst so, dass alle Lautsprecher gleich klingen und zu vernünftigen Zeiten ankommen. Da hilft aber bisweilen saubere Vorplanung mehr als der EQ. Man muss sich über das Lautsprechersetup und die einzelnen Funktionsgruppen mehr Gedanken machen, denn neben der Abdeckung muss auch eine ausreichende Überlappung der Lautsprecher in den Gruppen gewährleistet sein. Beim Mikrofonieren ändert sich zunächst gar nichts, man will ja die Instrumente wie schon vorher möglichst original oder aber mit einem bestimmten Klang abgenommen haben. Einzig der Bus geht verloren. Idealerweise mischt man ja nichts vor, sondern man mischt über den Algorithmus der Maschine und der Luft. D. h. also: Mastering muss schon vorher geschehen … am besten im Kopf. Es hilft, sich mal wieder ein akustisches Konzert anzuhören, mit offenen Ohren durch die Welt zu laufen um sein Bild, wie es klingen soll und kann, zu justieren. Die Stimme muss halt nicht mehr mit ‚Gewalt’ nach vorne gemischt werden, die hat ihren Platz im Ensemble und das ist dann auch gut so.“

Matthias Ziegenberg ermuntert, sich dem Thema kreativ zu nähern: „Immersive Sound kommt ja oft nicht alleine, sondern begleitend zu oder im Zusammenspiel mit Bild oder szenischen Inhalten. Schnittstellen zur Steuerung und Synchronisierung sind also ein zentrales Thema. Mit Computern, DAW, Audio-Interface, Mischer, Amps und Lautsprechern hat praktisch jeder Techniker Mittel an der Hand, um mit Mehrkanalbeschallungen zu experimentieren und auch kleinere Projekte durchzuführen. Was man tut, sollte sich aus dem Kontext der Show ergeben, die man vertonen möchte. Wenn man keine konkrete Show hat, die es zu vertonen gilt, könnte man einfach versuchen, bestimmte Klanglandschaften möglichst realistisch zu erzeugen und Bewegungen akustisch nachzubilden. Das geht dann natürlich stark über reine FOH-/Systemtechniker-Aufgaben hinaus und in den Bereich PostPro hinein!“

Sherif El Barbari stellt fest, dass grundsätzlich ja keine besonderen Anpassungen in der Hardware notwendig seien. „Mikrofonierung und Messtechnik haben sich über Dekaden weiterentwickelt und immer mehr an die Live-Anforderungen angepasst. Das kommt dem Endergebnis besonders zugute. In Bezug auf Mischpultworkflows sind wir sehr bemüht, alles möglichst in der gewohnten Arbeitsumgebung des Engineers zu integrieren, damit Interaktionen mit Tastatur und Maus/Trackpad möglichst nur absolut minimal notwendig werden. Die Herausforderung besteht eher im Verständnis der neuen Möglichkeiten, die das System bietet und diese entsprechend optimal zu nutzen. Das ist ein Lernprozess, dem wir mit Engineer-spezifischen Schulungen beikommen möchten, um den Engineer auf „die richtigen Pfade zu bringen“ und von Anfang an eine Hilfestellung zu leisten.“

Schnittstelle Augmented Reality

Eine der Firmen, die derzeit aus einer anderen Richtung in weitere Firmen und Technologien rund um 3D-Audio investiert, ist Sennheiser: Dear Reality entwickelt Spatial-Audio-Algorithmen und VR/AR-Audiosoftware, eine weitere Kooperation betrifft Sonic Emotion (3D-Audiosoftware und -Verarbeitung). Warum wagt man sich so weit aus dem bisherigen Geschäft immer weiter in angrenzende Bereiche, wie Software-Tools zur Content-Produktion vor? Véronique Larcher ist AMBEO Co-Director bei Sennheiser: „Einerseits ist 3D- Audio für Sennheiser ein natürlicher Schritt und das Ergebnis jahrelanger Forschung im Bereich der 3D-Audio-Mikrofone

und -Technologien. Gleichzeitig müssen wir, um überzeugende Lösungen für Immersive Audio zu liefern, sowohl die Anforderungen der Content-Creator als auch die der 3D-Audio-Konsumenten erfüllen und die Komplexität verringern, die natürlich entsteht, wenn dem Audio eine neue Dimension hinzufügt wird. Daher sind Software- und Content-Produktions-Workflows neben der Audio-Hardware ein wichtiger Bestandteil unseres AMBEO-Programmes.“ Dabei hat Sennheisers AMBEO-Projekt bereits eine gewisse Entwicklungsgeschichte hinter sich. Warum wird das 3D-Sound-Thema jetzt nochmal weiter angeschoben? Liegt es an den neuen Tools zur Entwicklung von AR-Projekten, die jetzt endlich auch den direkten Weg zum Konsumenten finden könnten (Stichwort IKEA-App zur AR-Platzierung von Möbeln in der eigenen Wohnung), oder liegt es an dem möglicherweise zunehmenden Audio-Konsum der Smartphone-Ära? Véronique Larcher: „In der Tat ist es sehr interessant zu sehen, dass Technologien wie etwa Aufnahmen mit dem Kunstkopf jetzt immer mehr Aufmerksamkeit erhalten. Dies wurde vor allem durch den Aufstieg von Virtual Reality seit 2012 angetrieben. 3D- Audio ist ein „Must-Have“ für Creator von Virtual Reality, um Emotionen zu vermitteln. Einige Anwendungsbereiche werden für eine noch breitere Akzeptanz der Konsumenten im Bereich Immersives Audio sorgen. Insbesondere bei Sport- und Unterhaltungsprogrammen werden die Zuschauer die Möglichkeiten haben, die Live-Performance oder das Spiel so zu erleben, als wären sie dort gewesen. Sennheiser AMBEO ist aktiv an der Entwicklung von Lösungen beteiligt, die solche immersiven Klangerlebnisse ermöglichen.“

Ambeo-Headset
AMBEO Smart Headset zur binauralen Aufnahme als Consumer-Mikrofon (Bild: Sennheiser)

Sogar Consumer-Produkte wie das Sennheiser AMBEO Smart Headset könnten Consumer künftig zusätzlich für das Thema 3D-Sound sensibilisieren. Welche Audio-Möglichkeiten kann ich heute meinem Kunden als Veranstaltungstechnik-Dienstleister oder -Planer auch bei moderaten Budgets für seinen Event (Messestand, Ausstellung, Konzert) anbieten, die in Richtung 3D-Sound gehen? „Nun, das AMBEO Smart Headset hat die Fähigkeit, eine virtuelle Sound-Szene mit akustischen Ereignissen zu verschmelzen, die sich um die Person, die es trägt, abspielen. Es ist eine großartige Möglichkeit, um erweiterte Audioinhalte zu liefern. Zum Beispiel Live-Musik, bei der nur wenige Musiker physisch anwesend sind, während alle anderen Instrumente nur virtuell sind. Wir haben das schon einmal gemacht, und es ist ziemlich beeindruckend – und spart natürlich Reiseaufwand und Kosten. Dies könnte möglicherweise bei Konferenzen angewendet werden, bei denen zusätzliche Audioinformationen der Stimme des Präsentators hinzugefügt werden, um das Verständnis zu erleichtern. Das AMBEO Smart Headset ist auch ein praktisches binaurales Aufnahmemikrofon, mit dem Veranstaltungstechnik-Dienstleister eindrucksvolle Sound-Erinnerungen zu sehr reduzierten Produktionskosten liefern können, die jeder mit einem guten Kopfhörer erleben kann.“ Als wichtige Schnittstelle identifiziert Véronique Larcher moderne Workflows und Audio-Formate, zu der man Informationen unter der Website „AMBEO for VR“ sammelt: „Die Audioformate werden wahrscheinlich für die Produktion von Events genau wichtig sein, wie sie heute für Broadcast-Übertragungen gelten. Es geht darum, Audio in einem Format zur Verfügung zu stellen, das sich an die einzelnen Komponenten des Mixes „erinnert“, so dass es sich leicht an mehrere Lautsprecher-Setups anpassen lässt, ohne den gesamten Mixprozess noch einmal durchlaufen zu müssen. Sennheiser AMBEO, mit den Sonic Emotion Tools, bietet in diesem Bereich viele Lösungen. Der Virtual-Reality-Workflow wird sich wahrscheinlich auch weiterhin auf die Produktion von Unternehmensveranstaltungen auswirken.“

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