Leidenschaftliches Video-/Immersive-Audio-Projekt

Live, Livestream und Recording mit Martin Kälberer

So produziert, „als ob alles möglich wäre“: Eine Case-Study von Blackmagic Design zu Martin Kälberers Dolby-Atmos-Produktion, inklusive immersive Audio vor Ort und Livestreams im Hoch- und Querformat, machte uns hellhörig. Wir wollten es genauer wissen und baten Regisseur und Koordinator Michael Praetorius zum Interview.

Martin Kälberer am Klavier auf der Bühne(Bild: Blackmagic Design)

Veranstaltungstechnik ist keine Pflicht, sondern eine Chance zur Kreativität. Es geht um Performances, Experimente und Berührung der Menschen, auch ohne riesige Budgets. Im Falle von Martin Kälberers Live-Konzert bedeutete das, Zuschauer in einen Raum aus Klang zu hüllen, eine Blu-Ray zu produzieren und sowohl im Hoch- als auch im Querformat auf Social Media zu streamen. Dass dieses Projekt auch ohne die Erlöse aus tausenden Ticketverkäufen möglich war, ist dem Engagement von Künstler und Crew zu verdanken.

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Übersicht


So produziert, „als ob alles möglich wäre“

Herausforderungen und Stolpersteine besprechen wir mit Michael Praetorius, der das Event technisch koordinierte und live Regie führte: „Das Projekt hat sich von unterschiedlichen Seiten ergeben: Während der Pandemie entstand ein großes Bedürfnis, der Kultur wieder etwas mehr Raum zu geben. Ich hatte mit dem Manager von Martin Kälberer darüber gesprochen, dass ich einen Broadcast-Van bauen werde, und ihn – wenn er fertig ist –gerne gelegentlich zur Verfügung stelle.“ Es gehe darum, zu helfen, die Kultur während oder auch nach der Pandemie wieder „anzuschieben“. „Der Manager erzählte mir, dass in der ‚Alten Brauerei‘ in Stegen am Ammersee, einer Live-Location, gerade ein komplettes Studio mit 3D-Audio-Mischung entstanden war.“ Dort wurde bereits vor der Pandemie darüber nachgedacht, ein Immersive-Audio-Setup zu installieren, mit Lautsprechern an den Decken, um für das Publikum ein 3D-Audio-Erlebnis entstehen zu lassen, erzählt Praetorius. Gemeinsam entstand die Idee zu dem Projekt.

Mit dem Weltmusiker Martin Kälberer sei dafür ein spannender Protagonist verfügbar gewesen; es entstand ein 3D-Immersive-Audio-Konzept, bei dem neben dem Erlebnis vor Ort auch eine Blu-Ray-Produktion in Dolby Atmos, sowie als paralleles Element eine Live-Video-Mischung für soziale Netzwerke zusammenkamen. Das Event fand am 15. März 2023 statt und wurde als Stream per YouTube-Kanal von Kälberer sowie auf mehreren Instagram-Accounts übertragen. „Bei dem Projekt sollte der Produktionsaufwand auf den ersten Blick keine Rolle spielen – man produziert einfach mal, als wäre alles möglich. Dazu haben wir verschiedene Kräfte zusammengezogen, die das auch dann möglich gemacht haben.“

Das Projekt wurde zusammen mit den Münchner MSM-Studios produziert, aufgenommen in den Groundlift-Studios am Ammersee, die in der „Alten Brauerei“ residieren. „Das große Gebäude wurde seinerzeit akustisch komplett umgebaut, mit einer Live-Recording-Location, wo sich Publikum auf einer Bühne mit dem angeschlossenen Tonstudio aufnehmen lässt.“ In dem Studio werden laut Praetorius auch TV-Sendungen, Podcasts oder Hörspiele produziert. Das Studio wurde in den letzten Jahren überarbeitet und im Zuge dessen auch auf die 3-D-Immersive-Audio-Anwendung erweitert. Neben dem Produktions-Team war Dolby mit Atmos-Technologie mit an Bord, Blackmagic Design leistete ebenfalls Support.

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Blu-Ray-Produktion, 3D-Audio fürs Publikum – plus Live-Stream

„Es gab zwei Sichtweisen auf dieses Ereignis. Zum einen sollte ein hervorragend klingendes Endprodukt herauskommen, eine Aufnahme unter anderem als Blu-Ray – das heißt, es muss eine 3D-Audio-Mischung stattfinden. Dafür haben die Groundlift-Studios mit dem Pult und Equipment bereits alles, was sie brauchen.“ Die technische Verfügbarkeit und die finanzielle Ausstattung der Künstler seien immer zwei Paar Stiefel: „Normalerweise muss sich ein Künstler das leisten, dort reinzugehen.“ Dazu kam, dass das Immersive-Audio-Erlebnis auch vor Publikum stattfinden sollte.

Blick in den Produktions-Van: Für den Instagram-Livestream kam ein Atem Constellation 8K zum Einsatz
Blick in den Produktions-Van: Für den Instagram-Livestream kam ein Atem Constellation 8K zum Einsatz (Bild: Blackmagic Design)

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Visuell ausgeklügelt

Der zweite „Aufwands-Posten“ entstand aus Praetorius‘ Perspektive: „Ich meinte, wir können den Leuten nicht nur ein Audio-Erlebnis bieten, sondern es muss auch ein visuelles Erlebnis sein. Dabei reden wir von Menschen, die ihr Smartphone sowohl im Hoch- als auch im Querformat nutzen. Beides abzudecken, war eine große Herausforderung – daher wollten mit einer ‚Visual-Installation‘ arbeiten: Weiße Akustikelemente wurden von der Decke gehangen, sodass sich eine Art Kathedrale oder Dom ergab. Dieser Dom wurde Laser-vermessen und als Projektionsfläche für mehrere Videoprojektoren verwendet, die – passend zur Musik – ein immersives Bühnenbild gebildet haben. Das hat die Bühne nochmal um mehrere Meter verlängert und ließ sie gigantisch aussehen.“ Die Aufgabe übernahm der Projektionskünstler Gene Aichinger.

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Visualisierung

„Die Visualisierung wurde auf die Musik abgestimmt – auch dafür gab es tagelange Proben. Wir haben die Kameras dann an diesem Bühnenbild ausgerichtet: Ursprünglich waren acht Kameras geplant, am Schluss waren es elf. Wir haben einen fast vollständigen 4K-Workflow gebaut – es gab darunter nur eine HD-Kamera, die wir upgescaled haben. Wir haben auch in 4K gestreamt und aufgezeichnet. Das bedeutet entsprechende Leitungswege, Gimbal-Kameras, Steady-Cam-Kameras und Armor-Man – wir hatten zwei bewegte Kameras, die wunderschön im Raum ‚herumgetanzt‘ sind, mit verschiedenen Hängepunkten. Allein diese Proben haben mehrere Tage verschlungen. Am Ende waren 30, 40 Leute über mehrere Wochen im Einsatz.

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3D-Audio: Konzept ohne „Effekthascherei“ für die Zuhörer

„Beim Ton ging es darum, die Musik von Martin Kälberer zunächst auf 3D ‚umzubauen‘. Der Künstler hat das so schön beschrieben, dass, wenn er selbst in seiner Sammlung von Instrumenten sitzt, es niemanden gibt, der seine Musik so wahrnehmen kann, wie er selbst. Er wollte diesen Effekt für das Publikum erzeugen.“ Dafür wurden 46 LD Systems SAT62G2-Lautsprecher installiert. „Die 3D-Audio-Mischung, die normalerweise erst in der Postproduktion entsteht, wurde auch in der Live-Produktion gemacht.“ Das Audio-Engineering hierfür übernahm Julius Dreschner von den Groundlift Studios. Das sei ein „irrer“ Aufwand gewesen, erzählt Praetorius. „Es hat allein bedeutet, zwei Wochen mit dem Künstler und Julius Drescher in der Brauerei zu proben, um zu vermessen, wo welcher Zuschauer und welche Zuschauerin den besten Klang hat. Es gab einen Bereich unten und eine Empore. Bei einer Probe konnte Julius an einem Ort der Bühne sitzen und mit dem Künstler den Klang hören. Zu den Equipment-Kosten, der Installation und Verkabelung aller Lautsprecher, kam vor allem auch das Audio-Engineering der Proben.“ Die Lautsprecher wurden mit einem Abstand von 3m im Parkett und 2m auf der Tribüne angesetzt, erläutert Julius Drescher.

Blackmagic Studio Camera 6K Pro
Premiere für die Blackmagic Studio Camera 6K Pro (Bild: Blackmagic Design)

Wie wurde die Musik, die von einem Performer kam, aufbereitet, sodass das 3D-Erlebnis überzeugend, aber nicht effekthascherisch funktionierte? Hier verweist Praetorius einmal mehr auf das Zusammenspiel von Drescher und Kälberer. „Das haben wir sehr ausführlich diskutiert: Bei der 3D-Audio-Mischung ging es nicht um ein ‚Effektkino‘ im Sinne des Piepsens von links, des Krachen von oben und den Nebel von unten zu zeichnen – sondern um den innersten Wunsch des Künstlers: Er wollte, dass das Publikum dasselbe Gefühl beim Hören hat wie er, wenn er die Musik macht.“ Es gehe um die „Ego-Perspektive“, mitten am Instrument zu sitzen. „Martin Kälberer sitzt nicht an einem Instrument und hat hinter sich eine Band, die ihn begleitet – er sitzt auf der Bühne inmitten seiner Instrumente. Viele sind sehr selten und einem größeren Publikum eher unbekannt.“ Der Weltmusiker spielt neben dem klassischen Flügel unter anderem ein sogenanntes Waterphon mit einem Geigenbogen und einem griechischen Tischbesen, dazu Shaker, Kalimba, Cajon, Keyboards oder Framedrum. In der Lokalzeitung „Merkur“ wird Kälberer anlässlich eines Konzerts in Landsberg entsprechend zitiert: „Ich suche keine Instrumente, ich suche Klänge.“ Dabei sei dem Musiker demnach egal, ob die Klänge „aus einem Marmeladentopf kommen oder aus einem teuren Instrument“. Er spielte Stücke aus seinem aktuellen Doppelalbum „In.sight.out“.

„Alle Instrumente haben ihren eigenen Raumklang“, ergänzt Michael Praetorius die Grundprämisse. „Das war auch das Motto dieses Abends: der Raumklang. Martin Kälberer wollte den Raum ‚fühlen’, Musik für diesen Raum machen. Bei den Proben war ihm wichtig, die Akustik des Gebäudes wahrzunehmen – was dort zurückkommt, welche Möglichkeiten es ihm eröffnet. Gleichzeitig: Wie fühlt es sich für ihn an in dem Raum? Wir haben innerhalb der Proben 3D-Aufnahmen gemacht, sodass er immer wieder in den Publikumsraum gehen konnte, um dort die Aufnahmen nachzufühlen, wie das Ergebnis ankommt – solange, bis es für ihn dasselbe Empfinden war – wie ein Koch, der seine Suppe abschmeckt.“

Groundlift-Studios
Stereomischung für die Livestreams in den Groundlift-Studios (Bild: Blackmagic Design)

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Mikrofonierung und Hörprobe mit Publikum

„Wir hatten oben ein Trapez mit mehreren Mikrofonen, die in alle Richtungen gingen, dazu auf der Bühne unzählige Mikrofone. Es wurde alles Mögliche mikrofoniert – selbst Martin Kälberer“, erinnert sich Praetorius. Julius Drescher setzte beispielsweise AKG C414-Mikrofone am Flügel ein, dazu Material von Schertler, ein DPA für Loops einer Handpan, sowie Neumann KM184-Exemplare für die solistische Frontposition, wie er erzählt. Für variable Raumakustik verwendeten sie je zwei Røde NT5 in den Quadranten 1 und 2 des Raums, dazu je zwei Oktava-Kleinmembran-Kondensatormikrofone für die Quadranten 3 und 4 sowie die Senkrechte. Als FOH-Pult kam eine Yamaha CL5 im Surround-Modus zur Anwendung. Insgesamt lagen am Pult und im Ambisonic-System 50 Kanäle an. Drescher: „Die Frontbeschallung fand mit dem Stereo-Bus der CL5 statt, die Surround-Kanäle gingen direkt in das Ambisonic-System, wo sie als zweiter Ordnung verarbeitet werden, da hier nur Signale verarbeitet werden, welche groß dargestellt werden sollen. Einzelne Signale gehen dann direkt auf das Ambisonic-System, wo sie in sechster Ordnung präzise im Raum verteilt werden können.“

„Nach der Generalprobe haben wir gezielt das Publikum befragt, wie sie den Klang fanden – verbunden mit dem jeweiligen Platz der Zuschauer“, so Praetorius. „Wir wussten, dass das Klangerlebnis auf der Empore ein anderes ist als vor dem Bühnenbereich. Julius wollte das für alle perfekt hinbekommen und hat zwischen den beiden Abenden das Sound-Image an der Empore durch eine neue Konfiguration der Lautsprecher komplett überarbeitet – was eine große Herausforderung war, weil es mit der Bestuhlung im Raum zu tun hat. Wo werden die Leute platziert? Wo stehen Leute? Wo werden die Lautsprecher im Raum ausgerichtet?“

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Konzert und öffentliche Generalprobe in kurzer Zeit ausverkauft

„Das Publikum musste leider begrenzt werden. Dadurch, dass die Brauerei nicht sehr groß ist, hatten wir zum einen eine feuer-polizeiliche Herausforderung, zum anderen funktioniert der 3D-Sound nur, wenn ein gewisser Mindestabstand zu den Lautsprechern herrscht. Deshalb durften wir maximal 60 bis 80 Leute in den Raum lassen. Das Konzert war in zwei Tagen ausverkauft, sodass wir uns entschieden haben, auch eine öffentliche Generalprobe zu machen – auch die war innerhalb kürzester Zeit ausverkauft und mit geladenen Gästen versehen. An den zwei Tagen waren insgesamt rund 140 Personen vor Ort, dazu noch ein paar Zuschauer extra auf der Empore.“ Im Stream haben die Übertragung auf YouTube und Instagram am Konzertabend rund 1.000 Leute verfolgt, so Praetorius. „Wir haben aus der vertikalen Live-Mischung auch die Best-Of-Moments für die gesamte Social Media Verwertung wie YouTube Shorts, Facebook, Linkedin effizient gleich während des Konzerts geholt.“

Motorslider mit Kamera
Motorslider brachten zusätzliche Bewegung für unbesetzte Kameras (Bild: Blackmagic Design)

Praetorious‘ Rolle bestand vor allem in der Regie für das Live-Videobild. „Die Herausforderung: Man kann eine Immersive-Sound-Mischung derzeit nicht live auf YouTube abgeben, auch nicht in andere soziale Netzwerke. Aus dem Grund musste eine zweite Audiomischung parallel gemacht werden, in Stereo. Wir haben an dem Abend mit zwei komplett isolierten Recording- und Live-Studio-Atmosphären gearbeitet. Julius Drescher saß für die 3D-Mischung im Raum, praktisch als FOH. In den Groundlift-Studios übernahm Michael Müller-Jin noch eine Stereo-Mischung. Er hatte parallel zwei Probetage und lieferte live ebenfalls einen hervorragenden Stereo-Mix.“

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Zwei Live-Streams plus zwei Bühnenmischungen

Eine der Besonderheiten bestand darin, zwei Live-Streams und Bühnenmischungen gleichzeitig zu absolvieren: Für Instagram wurde im Hochformat produziert, „mit einem Broadcast-Van, der vor der Tür stand.“ Für YouTube entstand eine Produktion im Querformat. „Dazu haben wir alle Kameras ‚verdoppelt‘, sprich, alle Leitungswege über Kreuzschienen doppelt ausgegeben. Zudem wurde ein ISO-Recording gemacht, also nicht nur versucht, schlicht die Time-Codes zu ermitteln, sondern den Schnitt nochmal live mitzuspeichern, sodass für die spätere Blu-Ray-Produktion bereits ein redaktioneller Schnitt durch die Live-Produktion entstand. Wir wollten die drei Gewerke – Postproduktion und die beiden Live-Produktionen – möglichst effizient zusammenführen. Das kombinierte sich mit der dritten Aufgabe: Ein so großes Team, das einerseits mit entsprechender Leistung, aber auch viel Leidenschaft an das Projekt rangeht, wurde nicht fest gebucht, sondern fand sich erst wenige Wochen vorher. Es waren also Menschen, die teils zum ersten Mal zusammengearbeitet haben.“ Es sei ein „konfliktfreies, wunderschönes Arbeiten“ gewesen, betont Praetorius, „mit Menschen, die unter hohem Zeitdruck auch viel neues ausprobieren mussten und sich dabei an ihrem Perfektionismus messen ließen.“

Gruppenbild rund um Martin Kälberer
Engagiert und happy: das Team rund um den leidenschaftlich organisierten Event (Bild: Blackmagic Design)

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Schneller Kartenverkauf als Indiz für den Bedarf solcher Konzertformate?

W ließe sich künftig optimieren? „Das Setup ist schlicht sehr teuer: Sicherlich könnte die Veranstaltung über mehrere Abende laufen. Ein Künstler wie Martin Kälberer hätte auch fünf Abende füllen können.“ An dem schnellen Kartenverkauf hätte sich gezeigt, dass ein riesiger Bedarf an einer solchen Art von Konzerten bestehe, schlussfolgert der Medienproduzent. „Was man auch mit auf die To-Do-Liste nehmen kann: Das ISO-Recording, das die Schnitte für eine spätere Postproduktion speichert, muss man sehr gut anlegen und vorausdenken. Es macht die Postproduktion deutlich kostengünstiger und einfacher. Als drittes ließe sich die Video- und Audio-Distribution optimieren: Das Video- und Audio-Routing könnte für mehrere Plattformen und Weiterverwertungen bereits live bereitgelegt werden. Studios und Kapazitäten könnten von vornherein darauf ausgelegt werden, dass sie in eine Stereosumme müssen, dazu in eine Social-Media-Summe für Quer- und Hochformat, und möglicherweise in eine 3D-Audio-Mischung. Das ist eine der größten Herausforderungen für Produktionen wie diese: Den Live-Moment in einer Variante mitzunehmen, die hochwertig ist und keine Grenzen kennt – und dabei gleichzeitig die Postproduktion möglichst effizient vorbereiten.

Martin Kälberer am Piano
Martin Kälberer benutzt nicht nur viele Instrumente, sondern mixt und loopt seine Instrumente und Songs auch auf der Bühne. Sein Empfinden, von Musik und Klang eingehüllt zu sein, auch für die Gäste vor Ort erlebbar zu machen, war das Ziel der Liveperformance (Bild: Blackmagic Design)

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Das Projekt umsetzen, was man umsetzen möchte

Die Finanzierung habe bei dem Pilotprojekt dadurch funktioniert, „dass jeder das eingebracht hatte, was er aus seiner eigenen Leidenschaft heraus schon immer mal tun wollte. Oft existiert bei Produktionen die Limitierung eines Budgets, die manchmal Kamerapersonen, Regisseure, Soundmischer und andere an ihre Grenzen bringt – wo man sagt, ‚es ging halt nichts anders‘. Natürlich ließe sich ein Konzert auch mit einer Kamera für Instagram filmen – es wird allerdings scheiße aussehen. Es ließe sich aber eben auch mit acht Kameras filmen – und dann fände ich persönlich das absolut geil! Nach dem Motto: ‚So macht man das in vernünftig.‘“

Damit überschreite man für manche allerdings finanzielle Grenzen. „Ich habe die Kapazitäten mit meinem eigenen Equipment, in den Groundlift-Studios existiert zusätzlich nochmal fast das identische Equipment, sodass wir eine redundante Mischung machen konnten.“ Es bedurfte „nur“ der Lust der beiden Akteure, die vorhandene Technik mitzubringen, meint Praetorius. „Dazu haben wir Menschen gefragt, mit denen wir sehr häufig als Kameraleute zusammenarbeiten, ob sie Lust hätten, bei einem entsprechenden Projekt mit dabei zu sein. Wir haben diese Menschen nicht als Kameraleute gebucht – sondern sie gefragt: Wo sind dir normalerweise Grenzen gesetzt, und worauf hättest du diesmal eigentlich Lust? Wir haben dann geschaut, ob das möglich ist. Haben wir noch einen zusätzlichen Gimbal? Haben wir noch eine zusätzliche Slider-Kamera? Nochmal neue Kameras? Zu diesem Zweck haben wir auch einfach drei neue Kameras hinzugekauft, weil wir sie perspektivisch sowieso gebraucht hätten. Es geht ohnehin alles in Richtung 4K und 6K, daher ergab es Sinn, den Workflow umzustellen. Die vielen Kameraleute hatten teilweise auch eigenes Equipment dabei. Es war keine Einzelleistung: Das besondere war, dass sehr viele Einzelkämpfer und Unternehmen zusammengekommen sind, um gemeinsam diesen Rahmen zu schaffen.“

„Martin Kälberer hat auf seinem eigenen Konzert ohne Honorar gespielt. Aus den verkauften Tickets konnten wir Sachkosten, Reisekosten und sonstiges übernehmen. Ansonsten haben alle Gewerke das eingebracht, worauf sie einfach mal richtig Bock hatten.“ – Michael Praetorius

Michael Praetorius(Bild: Praetorius GmbH)

Die Selbstverwirklichung sei einer der wichtigsten Punkte gewesen: „Der Künstler wollte sich den ‚Raum-Traum‘ erfüllen, in dieser 3D-Atmosphäre zu spielen. Die Brauerei in Stegen hatte nach der Pandemie den Wunsch, endlich mal ein 3D-Audio-Konzert auszurichten, und dazu das passende Equipment anzuschaffen – verbunden mit der Gelegenheit, das entsprechend laut umzusetzen. Es gab den Wunsch, einen kompletten 4K-Worflow auch für Instagram und YouTube live zu produzieren, wie ihn sich Künstlerinnen und Künstler normalerweise erst ab einer gewissen Größenordnung leisten können – oder dann nicht mehr leisten, weil sie dann Angst haben, keine Konzertkarten mehr zu verkaufen.

Martin Kälberer am Klavier auf der Bühne aus Sicht des Publikums
Akustik-Paneele und die Innenfassade der Location dienten als Projektionsflächen (Bild: Blackmagic Design)

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Es geht leider nicht immer so

„Wir haben Dinge gemacht, weil wir einfach Lust darauf hatten. Das ist eine sehr schöne Produktionsgrundlage. Das heißt nicht, dass wir das jeden Tag machen können, weil wir auch sehr viel Zeit damit verbracht haben. Die Arbeiten begannen bereits im September 2022 – eine sehr langwierige Planung, die allerdings auch viel Spaß gemacht hatte. Dabei haben wir auch viel gelernt und Sachen umgesetzt, für die sonst keine Zeit bleibt. Wir haben zum Beispiel das gesamte Bühnenbild in einer 3D-Engine – Unreal – als 3D-Objekt gebaut, um bereits vor dem Aufbau der Kameras zu sehen, wie Bühne und Künstler aussehen, und wie welche Kameraperspektive aussehen wird. Dafür hat man in der Regel bei großen Veranstaltungen weniger Zeit, und bei kleineren Geschichten fehlt das Budget.“ Eine Idee dahinter: „Wir wollten nicht einfach eine Kamera dahin setzen, wo es uns gerade passt, sondern vorher im 3D-Modell feststellen: Wo könnte sie denn cool wirken? Damit konnten wir auch andere Leute überzeugen, wie das nachher aussehen könnte. Es ging immer darum, Menschen mit dem zu begeistern, was da gerade in der Planung war.“

Hochkant-Stream hinter den Kulissen
Mittels DSK wurde eine 9:16-Maske generiert, welche als Bildkontrolle für den Hochkant-Stream genutzt wurde. Damit war es möglich, parallel für 16:9 zu drehen und gleichzeitig die 9:16-Ausschnitte in der Bildmitte ansprechend zu gestalten. Zusätzlich wurden Markierungen auf den Kamerasuchern gesetzt. (Bild: Blackmagic Design)

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Wie kann man solche Projekte fördern?

Wie die Chance besteht, ein ähnliches Projekt in naher Zukunft nochmal umzusetzen? „Ich weiß, dass das alles Menschen sind, die bei der Produktion dabei waren, die Lust haben, gesellschaftlich relevante Kultur in einer großen Lautstärke stattfinden zu lassen und hervorragend zu produzieren. Das kostet viel Zeit und letztendlich Geld – das muss auch finanziert sein. Das wird ein Modell sein, dass über mehr verkaufte Karten – sprich, mehr Konzertabende – oder auch Kultursponsoring umgesetzt werden kann.“ Ein Vorteil des Pilotprojekts: „Man sieht ein visuelles Ergebnis, und kann damit anders in die Akquise gehen: Beim Konzertkartenverkauf, bei der Sponsorengewinnung – oder auch bei Künstlern, die das möglicherweise auch aus eigener Kraft leisten wollen und können.“

Martin Kälberer mit Mischpult im Vordergrund
Immersiver Raumton wurde auf einer Yamaha CL5 gemischt (Bild: Blackmagic Design)

Michael bedankt sich außerdem explizit bei Blackmagic Design: „Sie haben uns logistisch und mit ihrem Know-how sehr geholfen. Wir haben unser Material zwar über die Jahre selbst gekauft und auch bezahlt, aber auf die Schnelle noch drei neue 6K-Kameras zu bekommen, die eigentlich noch gar nicht auf dem Markt waren“ – er spricht das 6K Pro-Studio-Modell an – „und einen technischen Ansprechpartner zu haben, wenn es darum geht, wie man den Timecode in einer ISO-Mischung synchronisiert, hat uns sehr geholfen.“

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„Showcase“ einer kreativen Umsetzung

Es sei „alles andere als ein Show-Reel, aber ein schöner Showcase, was man alles tun kann. Für alle von uns ist es auch schön, mit einer großartigen Hochkulturleistung zu zeigen, was man im Gepäck hat, statt nur mit Corporate-Content zu werben.“ Zudem gelte: „Das, was hier zustande kam – ein Bühnenbild ‚knallen‘ zu lassen, es visuell für soziale Netzwerke im Hoch- und Querformat erlebbar zu machen, ist keine Anforderung, die per se nur Konzerte bräuchten. Das könnte der ein oder anderen Business-Konferenz oder Vollversammlung auch guttun – die sind visuell manchmal ausbaufähig“.

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Verantwortliche Crew

Produktionskoordinator und Live-Regisseur: Michael Praetorius (Praetorius GmbH)

Produktionsleitung: Groundlift Studios

Produktionsleiter: Daniel Betz (Groundlift Studios)

3D-Mischung (FOH): Julius Drescher

Stereo-Mischung: Michael Müller-Jin

Kameras: Stefan Stelzer, Mattias Meinl, Robin von Medel, Michael Schöpf

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Instagram Live Producer

Instagram hat den Instagram Live Producer vorgestellt, welcher nur über den Browser unter instagram.com zugänglich gemacht wird. Live Producer ermöglicht per RTMP-Stream auf ein Instagram-Profil zu streamen. Instagram empfiehlt eine Auflösung von 720 × 1280 bei 30 Bildern pro Sekunde. 60 Bilder pro Sekunde seien ebenfalls möglich und auch höherauflösende Signale werden von der Plattform verarbeitet. Das Feature wird aktuell noch nicht für alle Nutzer:innen zur Verfügung gestellt. Ob der eigene Kanal das Streaming-Tool nutzen kann, wird ersichtlich, wenn über den „Create“-Button im Browser die Option zum Livestream angeboten wird.

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Links zu Videos des Abends

Zwei Minuten Blick hinter die Kulissen der Produktion:

Eine Vorstellung vom Abend bekommt man mit dem Video „It‘s Alright“ auf YouTube:

 

Die Instagram-Aufzeichnung des Livestreams findet sich auch noch online:

 

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Ein Beitrag geteilt von Michael Praetorius (@praetorius)

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