Road-taugliche AV-Technik

Mobiler Sonderbau im Adenauer SRP+

Künstlerische Freiheit statt Markenbriefing, spontane Inszenierung statt minutiöser Ablaufplanung – was passiert, wenn Eventprofis ein politisches Projekt stemmen? Der Adenauer SRP+ ist ein fahrendes Statement, technisch anspruchsvoll und konzeptionell klar gedacht. Ein Projekt, das Impulse für die Branche liefert.

(Bild: ZFP)

Für die „aggressivste Roadshow Deutschlands“ wurde ein Fahrzeug in den Look eines Gefangenentransporter und zum „Gefechtsstand der Zivilgesellschaft“ umgebaut. Das Zentrum für Politische Schönheit (ZPS) ist seit Januar 2025 mit dem „Adenauer SRP+“ auf Tour, um auf die Notwendigkeit eines AfD Verbotsverfahrens lautstark und öffentlichkeitswirksam aufmerksam zu machen. Der Name Adenauer SRP+ bezieht sich auf die rechtsextreme SRP (Sozialistische Reichspartei), die 1952 unter Konrad Adenauer in einem 10-tägigen Verfahren verboten wurde. Die Tour war ursprünglich bis zur Bundestagswahl angesetzt, wird jetzt aber auf unbestimmte Zeit verlängert.

Anzeige

Kern der Ursprungsaktion war, mehrere tausend Beweise für die Verfassungsfeindlichkeit der AfD zu erfassen, die das ZPS in einer vorgelagerten Aktion recherchierte und im Internet veröffentliche (www.afd-verbot.de). Die Beweise können nun in einer interaktiven Ausstellung im „Gefangentrakt“ erlebt oder mit den umfangreichen technischen Umbauten lautstark nach außen kommuniziert werden. Der Adenauer SRP+ wird genutzt als Beratungscenter für Politik, Medien und Öffentlichkeit, mobile Bühne und Support für Demos gegen die AfD und Rechtsextremismus, als Verstärker von Botschaften (Lautsprecherwagen), „Begleiter“ (oder besser Störer) von Veranstaltungen der AfD, als Studio für Podcast, TV-Dokus und andere Formate sowie als Medienereignis und Bildmotiv. Der Adenauer SRP+ kann von der Zivilbevölkerung gebucht werden. In den ersten zwei Tourmonaten gingen hunderte Vorschläge für „Reiseziele“ ein.

Bässe als Sonderanfertigung in den seitlichen Kofferklappen
Im Adenauer SRP+ befinden sich eine interaktive Ausstellung, angelehnt an einen Gefangenentransporter, sowie eine Kommandozentrale

Weltpremiere in Berlin

Am 10. Januar 2025 wurde der Adenauer SRP+ am Brandenburger Tor erstmals der Öffentlichkeit präsentiert. Die Show erinnerte in einigen Punkten an Weltpremieren im Automobilbereich, fühlte sich aber komplett anders an. Es herrschte Katastrophenstimmung am Brandenburger Tor. NS-Marschmusik, der Sylt Song, Zitate von Weidel, Höcke, Chrupalla und Krah, vermischt mit fast gleichen Zitaten von Goebbels und Hitler. Dazu heult unaufhaltsam die Sirene, die Projektoren und die LED-Wand zeigen Beweise für die Verfassungsfeindlichkeit der AfD.

Der Adenauer SRP+ und die Polizei

Nach der Show am Brandenburger Tor kam es direkt zur ersten intensiven Verkehrskontrolle. Doch bei der sollte es nicht bleiben. In den ersten sechs Wochen wurde der Bus über 20 Mal von der Polizei kontrolliert, zwei Mal abgeschleppt, ein Mal beschlagnahmt und am Ende sogar die Scheibe eingeschlagen.

In Summe wurden fünf Vollgutachten erstellt. Alle ohne Mängel, die über Kleinigkeiten hinaus gehen. Die fünfte Vollabnahme fand unter Teilnahme von parlamentarischen Beobachter:innen, Medienvertreter:innen, ZPS, Polizei und Dekra statt. Dort wurde erneut der technische Zustand als verkehrssicher eingestuft. Seitdem wurde der Adenauer SRP+ nicht mehr wegen der Verkehrssicherheit aufgehalten.

Studio im Adenauer für Medienvertreter:innen
Studio im Adenauer für Medienvertreter:innen (Bild: Thilo Schoch)

Das Zentrum für Politische Schönheit wirft der Polizei vor, den Protest planvoll verhindern zu wollen. Und es sei auch für Außenstehende schwer nachvollziehbar, warum ein Fahrzeug fünf Vollgutachten und einen Eklat im Berliner Senat brauche, um als verkehrssicher eingestuft zu werden. Die Begegnungen von ZPS und Polizei führten leider oftmals zu Verzögerungen der Tour, aber auch und vor allem zu einem: Aufmerksamkeit. Überall dort, wo der Adenauer seinen Einsatz findet, ist die Polizei auch vor Ort.

So auch am 11. Januar 2025 beim ersten „Kampfeinsatz“ in Riesa. Nach der dreistündigen Polizeikontrolle ging es direkt zum Parteitag der AfD. Der Adenauer war dort offiziell für die Gegendemonstration angemeldet, sollte dort aber vorerst nicht ankommen. Bereits nachts wurde er von der Polizei in einem Gewerbegebiet unweit der Halle „festgesetzt“. In einem unaufmerksamen Moment der Polizei gelang es dem Bus morgens, sich auf den Weg zur Halle zu machen. „Ein Moment zivilen Ungehorsams“, so das ZFB. Eine kurze Verfolgungsjagd und dann der Stopp mitten auf der Zufahrtstraße der AfD Abgeordneten zum Parteitag.

Polizeikontrollen führten zum Ausfall vieler Einsätze. Die Situation eskalierte zwischenzeitlich sogar im Berliner Senat (Bild: ZFP)

„Wir haben leider eine Panne und der Motor geht nicht mehr an“, Stefan Pelzer zum Polizisten vor Ort. Die wahrscheinlich berühmteste Panne Deutschlands. Der Start des Parteitags verzögerte sich um einige Stunden und im Umkreis von 20 km (und jeder TV Aufnahme) war die Sirene wieder nicht zu überhören. Für das ZPS „ein sehr erfolgreicher Einsatz“.

Die neuen Aufbauten werden zum Transport weggeschwenkt, die Bewegung des Material lässt sich szenisch nutzen
Arne Heyen kennt sich mit außergewöhnlichen Formaten aus – sowohl im politischen Raum als auch in der Eventbranche
Testlauf für ein künftiges Bassanhänger-Konzept

„Meisterwerk deutscher Ingenieurskunst“

„Die Umbauten am Adenauer SRP+ sind ein Meisterwerk deutscher Ingenieurskunst“, so das Versprechen des ZPS. Und tatsächlich wurde hier in kürzester Zeit (sechs Wochen Bauphase) ein technisch sehr aufwändiges und effektvolles Fahrzeug gebaut. Die Aufbauten befinden sich überwiegend auf dem Dach und sind per Luftdruck ein- und ausfahrbar. Im Straßenverkehr gelten diese als „Ladung“. Das sah zwischendurch nicht jeder so.

Der Adenauer SRP+ hat über 10.000 Investor:innen. In weniger als 24 Stunden wurden der Kauf des Busses, der Umbau und der erste Teil der Tour (bis zur Bundestagswahl) per Crowdfunding finanziert. Der zweite Teil – Umbau auf Dauerbetrieb – wird aktuell umgesetzt.

Als erstes hat man sich beim weiteren Umbau nochmal dem Thema Tontechnik gewidmet, um eine deutlich höhere Audioqualität und auch die Möglichkeit, lauter zu sein, umzusetzen. Die Bässe als Sonderanfertigung wurden in den seitlichen Kofferklappen fest verbaut. „Die hatte Mercedes Benz für uns dankbarerweise schon vorgesehen“, freut sich Arne Heyen, hauptberuflich Kreativdirektor einer Agentur, augenzwinkernd über den Stauraum.

Für den Fall, dass die Leistung nicht ausreicht, konstruiert das Team zusätzlich einen „Bass-Anhänger“ mit zwölf Doppel-18ern. Gesucht (und schnell in der Branche gefunden) wurde hierfür im Sommer 2025 noch ein passendes Amping.

Auf dem Dach hat der Adenauer SRP+ nun Topteile aus einer Vorserie von Lambda Lab, die sich pneumatisch ausfahren lassen. „Wir haben ja immer das Problem der Höhenbegrenzung mit vier Metern. Deswegen sind unsere ganzen Aufbauten ausklappbar, die ziemlich schweren Geräte da oben fahren übereinander. Also wir haben jetzt zwei Möglichkeiten: Entweder man beschallt beide Richtungen, dann hast du sozusagen zwei Topteile pro Bus-Seite. Oder du klappst sie auf. Dann hast du die Topteile übereinander und kannst in eine Beschallungsrichtung spielen. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn wir eine Kundgebung machen oder wenn wir auf einem Festival sind.“

Friedlichen Protest gegen rechts unterstützt der Adenauer SRP+. In Bremen beispielsweise als Begleitung der Zubringer-Demo und Verstärker der Kundgebung mit über 20.000 Menschen
Aufbauten incl. Kameras zur Beweisaufnahme und Sirene, aber noch ohne die Neukonstruktion. Die „Tröten“ funk

Fahr- vs. Standbetrieb

Für Aktivierungen aber muss niemand aufs Dach: Prämisse in dem Fahrzeug ist, dass das Team dieses nicht verlassen muss, um spielfähig zu werden. Das hat einmal Sicherheitsgründe, wie man sich vorstellen kann. Präventiv werden, auch wenn nicht verpflichtend, nach den zahlreichen Polizei- und Dekra-Kontakten des Teams alle Anbauten auf dem Dach so getrennt, dass sie während der Fahrt in keiner Weise funktionsfähig sind. Sobald das Fahrzeug in den „Aktionsmodus“ geht, kann alles, was auf dem Dach ist, ausgeklappt werden. Die seitlichen Bässe öffnen sich auf Knopfdruck. Auch die Topteile fahren mit einer Kran-Fernsteuerung aus, genauso wie die LED Wand. Alles ist von innen per Knopfdruck zu bewegen.

Um zusätzlich Diskussionen bei Kontrollen zu minimieren, weil man mit Beleuchtungsanlagen auf dem Dach herumfahre, werden sämtliche rundum liegende Flutlichtstrahler motorische geklappt. Die Kombination von Licht und dessen mechanischer Bewegung stellte sich gleich als schöner Move für Inszenierungen von „Katastrophenszenarien“ heraus, bei denen der Bus im Blaulichtnebel steht. Weitere FX werden nun ebenfalls modular für das Dach vorgesehen. Arne: „Wir müssen ja auch immer überraschen und neue Bilder liefern. Und man muss der Situation angepasst die richtigen inszenatorischen Details dabei haben.“

Die Lichttechnik war anfangs zugemietet. Jetzt entwickelt das Team in Zusammenarbeit mit Lichtdesignern angepasste Lampen, die für den Dachaufbau angepasst sind. Auch die Nebelerzeugung auf dem Dach wird durch ein Pumpsystem verändert, sodass man zum Nachfüllen nicht aufs Dach muss. Dort entstand sozusagen ein „Multifunktionsport“ von etwas zwei Quadratmetern Größe, also als wenn man bei einem Geländewagen aufs Dach klettert für Beobachtungen. Durch ein Geländer sind beispielsweise Anwendungen bei Kundgebungen oder mit Musiker:innen möglich. Sozusagen „eine Etage tiefer“ ist ebenfalls eine Minibühne entstanden: die ausfahrbare Rollstuhlrampe wurde umfunktioniert, so dass von dort eine Rede gehalten oder ein DJ auflegen kann.

Experimentierfeld Sonderbau

Ein weiteres mechanische Detail sind in den Laderaum eingeschweißte Wassertanks für die Wasserwerfer. Diese „Hochdruck-Duschen“ wurden aber bisher wetterbedingt noch nicht verwendet.

Dieses Sammeln von Erfahrungen mit Speziallösungen ist, was Arne besonders fasziniert, jenseits der ganzen Medientechnik, über die sich beispielsweise Nachrichten schnell auf die Außendisplays tippen lassen: „Ich mache ja ganz viel normalen Corporate Events. Und immer wieder ist diese große Problematik des Sonderbau da. Keiner traut sich an Dinge ran, die nicht von irgendeiner DIN-Norm vorgegeben werden. Hier sind einfach Leute am Werk, die diese Maschinen bauen. Und das in einer Perfektion. Alles, was auf das Dach konstruiert ist, ist Sonderbau.“ Es sei also keine einzige Traverse zu sehen (aufnahmen dafür werden aber gerade zusätzlich vorgesehen). „Jegliches Teil ist zusammenkonstruiert, geschweißt. Druck drauf und es fährt. Vor allem auch alles autark über das Akkusystem, was wir da im Bus haben. […] Ich habe sehr viele komplexe Sonderbau-Projekte in der Agentur miterlebt. Diese Prozesse sind in der Regel extrem mühselig, langwierig und werden oftmals viel zu kompliziert gedacht. Den Adenauer haben wir in sechs Wochen gekauft, umgebaut und (ein Mal) durch den TÜV gebracht. Für unsere Branche (leider) unvorstellbar.“

Als im Bundestag das Parteiverbotsverfahren diskutiert wurde, war der Adenauer SRP+ mit einem juristischen Beratungsteam vor Ort (Bild: ZFP)

Technik für Storytelling

Auch der Theater und Kulissenbau im Bus begeistert ihn. Als Zentrum nutze man Kunst und Geschichten, zu denen die Illusion eines Gefangenentransporters, mit dem Beate Zschäpe in die JVA Chemnitz gebracht worden sei, zum Storytelling. (Tatsächlich hätte man anfangs beinahe einen Gefangenentransporter gekauft. Behördenfahrzeuge dürfen aber eine Überlänge besitzen, die man selbst nicht zugelassen bekommt.) Tatsächlich handele es sich in der Basis um einen umgebauten französischen Schulbus. Das erklärt übrigens auch die verschiedenen „Fahrzeugausfälle“, bei denen der Bus unvermittelt an manchen Punkten stoppte und nicht wieder in Bewegung zu setzen war. Dafür brauchte es keinen unterstellten Totmannschalter: Für das Fahrzeug war ursprünglich vorgeschrieben, vor dem Motorstart einen Alkoholtest durch das Pusten in ein integriertes Messgerät zu absolvieren. Ohne Atemprobe kein neuer Motorstart.

Adenauer SRP+ bei Nazi-Demo in Berlin mit noch nicht finalem PA-Setup
Panne mitten auf der Zufahrtsstraße der AfD Abgeordneten

Gemeinsam mit Theatermalern und Requisiten habe man für die Besucher:innen der Ausstellung eine überzeugende Illusion geschaffen, obwohl natürlich in einem „echten“ Transporter keine Lichtpulte in die Wand gebaut worden wären, Zellenwände anders und nicht in MDF ausgeführt etc. „Es folgt nicht in allen Punkten der Logik, aber es macht unheimlich viel Spaß. Du denkst wahnsinnig kreativ.“

Wie schätzt Arne Heyen das Projektteam hinter dem Adenauer SRP ein? „Wahnsinnig entschlossen, mutig und extrem professionell! Unsere Branche könnte viel davon lernen. Von der Ideenentwicklung, über technischen Planung und Bau bis in die letzten Details waren hier Vollprofis am Werk. Überwiegend mit Fachqualifikation im Eventbereich. Allerdings eher Fusion-Festival als Corporate Event. Aber die Anforderungen ähneln sich in den meisten Punkten.“

Was kann die Eventwelt vom Adenauer SRP+ lernen? Arne Heyen: „Vor allem eines: Setzt eure Fähigkeiten auch für sinnvolle Themen ein! Wir sind Kommunikations-Profis. Unsere Instrumente sind nicht nur für Marken geeignet.“

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.