Report

40 Jahre AED: Just do it!

Mit 16 Jahren setzte Glenn Roggeman seinen Kopf durch und stieg ins Audio-Business ein. Von Belgien aus beliefert AED heute seit vier Jahrzehnten europäische und internationale Kunden. Erfolgsentscheidend nennt er eine Diversifizierung, die vom Dry Hire über TV-Studios bis zum Traversenschweißen reicht.

Glenn Roggemann neben (und unter) dem von ihm entworfenen Touring Compact aus 1986 und seinen ersten Stromverteilern
Glenn Roggemann neben dem von ihm entworfenen Touring Compact aus 1986 und seinen ersten Stromverteilern (Bild: Detlef Hoepfner)

Wenn man Glenn Roggeman außerhalb eines Büros antrifft, ist die Chance groß, dass man seinen Kopf irgendwo zwischen Lautsprechergruppen hervorragen sieht: Beschallungsanlagen waren eine seiner ersten Begeisterungen im Veranstaltungs-Business, ab 1977 in einem kleinen Laden namens „Eglantier“. Wenige Jahre später war aus den Erfahrungen – man vermietet besser Material, als selbst als DJ zu arbeiten – ein so konkretes Geschäftsmodell entstanden, dass er 1985 für die Vermietung von Audiotechnik AED Rent gründete. Das ist immerhin so lange her, dass sich sogar gerade erst die zwei Vorgängermagazine von Production Partner etablierten. Glenn experimentierte – wie eigentlich fast alle „Pro-Audio-Profis“ der damaligen Zeit – mit Säge, Chassis, Spulen und Hörnern herum, um eigene Beschallungsideen wahr werden zu lassen. 1986 baute er 24 Sets des AED Touring Compact im damals typisch „gut stapelbaren“ Format. Einige Exemplare davon konnte Glenn später wieder auftreiben, sie sind im Technik-Museum oder der Kantine seines AED Studiokomplexes in Belgien zu sehen, vor denen sich ein ausgemusterter Starfighter filmreif in den Himmel streckt. Kurz drauf dann schlug er die Brücke zum Licht mit der Anschaffung einer Menge damals angesagter PAR64. Bei allen Witzeleien über die „konkurrierenden“ Lager Licht/Ton sicher ein deutliches Zeichen, sich nicht als Tontechnik-Nerd, sondern als Dienstleister zu positionieren.

Anzeige

In den 90er-Jahren dann wurden die Schritte weiter: Die Gesellschaftsform änderte er von einer BV (Besloten Vennootschap, entspricht einer GmbH) in eine NV (Naamloze Vennootschap, ähnlich einer Aktiengesellschaft). Eine Niederlassung entstand in Frankreich, man fertigte Traversen und errichtete funktionale Lagerflächen. Nach 2000 kamen Stützpunkte in den Niederladen und Deutschland hinzu, man investierte massiv in L-Acoustics und umgekehrt übernahm eine Investorengruppe Teile des Unternehmens und sicherte die finanzielle Stabilität: Nach der PE Group zusätzlich ING Private Equity and Phifin. Von einem Umsatz von etwa 4 Millionen Euro im Jahr 2005 wuchs AED auf etwa 90 Millionen Euro in 2022. Damit hatte man die Pandemie-Krise, in der man nicht nur Impfzentren aufbaute, sondern auch Desinfektionslampen lieferte, gemeistert. Wenn Glenn Roggeman mit seinen 16 Unternehmen kokettiert, ahnt man, dass hier jemand seine Bestimmung gefunden hat. Dass er als Jugendlicher früh seine Ausbildung zugunsten der Unternehmensgründung abbrach, empfiehlt er übrigens nicht weiter: Auch wenn es für ihn gut gelaufen sei, habe man „sein ganzes Leben lang zusätzliches Blei im Rucksack“, verriet er einmal dem Unternehmernetzwerk Sterck. Mit beispielsweise AED Rent, AED Store, AED Lease, AED Display und AED Distribution, den parallel geführten AED Studios (durch Übernahme der heruntergewirtschafteten Alfacam Studios), Eigenmarken wie Luxibel und Lagern und Büros bis nach Dubai entstand jedenfalls ein ganzes Geflecht an Unternehmungen unter seiner Beteiligung; Sohn Dean arbeitet ebenfalls im Unternehmen mit.

Die AED Studios, sozusagen wiederbelebt aus den „Alfacam-Ruinen“ liegen im belgischen Lint, AED Rent in Willebroek
Die AED Studios, sozusagen wiederbelebt aus den „Alfacam-Ruinen“ liegen im belgischen Lint, AED Rent in Willebroek (Bild: Detlef Hoepfner)

Kurswechsel in Deutschland

AED Rent bietet neben "Standardprodukten" (r.) auch Eigenmarken (l.)
AED Rent bietet neben “Standardprodukten” (r.) auch Eigenmarken (l.) (Bild: Detlef Hoepfner)

Zurückgefahren wurde dagegen, angetriggert durch die Pandemie, die Präsenz in Deutschland. Alexander Kexel, Geschäftsführer der AED Rent GmbH, bezog ein Büro mit einem kleinen, gesharetem Lager im Gebäude bei Michael Wirth und Tim Ehrenfried (4Live Production) in Montabaur. Für Kunden und AED sei die drastische Verkleinerung von der zuvor sehr ausladenden Niederlassung mit großem Lager und Werkstätten aber zurückblickend ein Vorteil: Bei vielen Aufträgen habe sich herausgestellt, dass sie eh aus kombinierten Teillieferungen aus den Lagern Belgien plus Deutschland bedient worden seien. Seitdem spare man sich in diesen Fällen die parallele Logistik, und Selbstabholungen spielten wegen der oft komplizierten Abstimmungen („Oh, passt ja doch nicht in unseren Sprinter …“) auch keine Rolle.

Glenn Roggeman: „Jedes Jahr war unser Unternehmen profitabel. Einige Abteilungen des Unternehmens entwickeln sich manchmal schneller oder weniger schnell. Wir passen uns also an die Anforderungen des Marktes an. Wir drängen nicht mit unseren Marken oder unserer Mietabteilung auf den Markt. Wir sind dort, wo die Kunden uns haben wollen. Das ist gut. Viele Kunden kennen uns vielleicht nicht aktiv. Wir sind ein Unternehmen, das sie bei ihrer Bilanz und bei ihren Herausforderungen unterstützt. Wenn sie ein Rigging-Set mit zehn Kilometern Traversen benötigen, können wir diese Kunden mit 20, 50 oder 100 km Traversen unterstützen. Wir können ihre Bedürfnisse erfüllen. AED ist das erste und ursprüngliche Dry-Hire-Unternehmen. Es entstanden Kopien von AED. Aber wir waren die Ersten mit einer Preisliste. Wir waren die Ersten mit einem [Rental] Koeffizienten. Wir waren die Ersten mit einer Standardisierung des Materials. Wir waren die Ersten, die einem Dolly Vertrauen schenkten. Wir waren die ersten mit einem modularen Lichtdolly, in den jeder Lichtprojektor passen kann usw., der erste in Sachen Ökologie. AED ist also nicht nur ein Dry Hire Unternehmen, sondern auch ein Beispielunternehmen. Wenn du dich bei AED umsiehst, wirst du sehen, dass unser Qualitätsniveau des durchschnittlichen Mietparks das höchste der Welt ist. Wir sind nicht dazu da, ein großes Unternehmen zu werden. Wir sind dazu da, den Kunden zu helfen. In Europa gibt es 12.000 Verleihfirmen. 3000 von ihnen sind Stammkunden, die im Durchschnitt 20 Mal pro Jahr wiederkommen. Sind wir die billigsten? Nein. Sind wir der treueste Partner? Oh ja. Wir werden niemals dein Konkurrent sein. Niemals. Das ist das eine. Zweitens: Du kannst auf uns bauen. Wenn du bei uns 100 KARA bestellst, dann bekommst du 100 KARAs zu 100% sicher. Auch wenn andere Kunden sie zu spät zurückbringen. Wir werden alles tun. Viele andere Firmen sind Produktionsfirmen, sie garantieren die Produktion. Andere Dry-Hire-Unternehmen sind halb Dry Hire, halb Produktion. Wir sind ein reines Dry-Hire-Unternehmen. Das erste und ursprüngliche.“

Backstage: In den Studios lässt sich nicht nur feiern, auch für intensive Gespräche (Glenn Roggeman mit Detlef Hoepfner) gibt es nur einen Gang weiter ausreichend Rückzugsorte
Backstage: In den Studios lässt sich nicht nur feiern, auch für intensive Gespräche (Glenn Roggeman mit Detlef Hoepfner) gibt es nur einen Gang weiter ausreichend Rückzugsorte (Bild: Alexander Kexel)

Resilienz durch Diversifizierung

Unter dem Rental-Dach gibt es eine Diversifizierung bei AED. Während der Pandemie suchten viele Unternehmen einen Ausweg im schnellen Aufbau von Studios. „Und jetzt… keine Arbeit“, bringt Glenn die Sorge vieler dieser Unternehmen auf den Punkt. Bei AED dagegen werde jedes Engagement wie ein eigenes Unternehmen innerhalb der AED-Gruppe gesehen. Als Beispiel nennt er die eigene Traversenfertigung bei Interal / Next Truss. „Das ist ein reines Unternehmen, das Traversen schweißt. Ich glaube nicht, dass Alexander „Kex“ Kexel (Geschäftsführer AED GmbH) irgendjemanden von diesen Leuten dort kennt. Es ist eine separate Einheit.“

Dies gelte auch für AED Audio: „Das ist eine komplett separate Manufaktur, die uns gehört, und sie ist in Portugal. In der Pandemie hatte AED also bereits Studios, die Proben, Film, Fernsehen, Firmenveranstaltungen durchführten, 5000 m² Bürofläche boten. Selbst während Corona habe ich also im schlechtesten Jahr immer noch 50 % meines Umsatzes in der Gruppe gemacht. […] Haben wir unser Geschäftsmodell geändert? Nein. Hatten wir Probleme, unsere Stromrechnung zu bezahlen? Alles wird mit Solarzellen betrieben, ist batteriegestützt, also hatten wir damit keine Probleme. Das Einzige, was wir hatten, waren Vermögenswerte, aber mit dem jüngsten Gerätepark in der Vermietungsbranche der Welt. Also selbst da hat es nicht sehr weh getan. Steuerlich gesehen haben wir alle Produkte wie jedes andere Jahr abgeschrieben.“

Glenn und Dean Roggeman
Glenn und Dean Roggeman (Bild: Detlef Hoepfner)

»In unserer Branche geht es um People, um Passion und um Performance.«

Glenn Roggeman

Sein Blick auf die Branche aber fällt stolz aus: „Corona hat unsere Branche sehr hart getroffen, und ich muss sagen: „Wow“ für unsere Branche. Wow, für ihre Flexibilität. Wow, wie sie sich regeneriert hat. Wahnsinn. 2022, 2023, 2024 ist die Branche so stark wie nie zuvor zurückgekommen. In unserer Branche geht es also um Personen, um Passion und um Performance. Die drei P unserer Industrie. Und das ist etwas, worauf wir sehr stolz sein können. […] Unsere Branche ist eine sehr magische Sache. Versuche dir einen leeren Veranstaltungsort vorzustellen. Da kommen 20 Trailer und du schaffst Magie. In dieser Magie haben viele Menschen ihre erste Liebe entdeckt. Sie haben ihren ersten Kuss erfahren. Wir schaffen Atmosphäre. Wir schaffen Erinnerungen. Und das ist die AV-Branche. Es ist viel mehr als Leidenschaft: Wir schaffen Erinnerungen.

Blick in die Zukunft

Glenn Roggeman, um ein selbstbewusstes Statement eh nie verlegen, fühlte sich auf der Jubiläumsbühne offensichtlich besonders wohl zwischen historischen AED Touring Compact und den ab 2020 gelaunchten Audiomodellen, entwickelt in Zusammenarbeit mit seinem Sohn.

An was denkt Glenn, wenn er an den ganzen historischen Erinnerungen aus AEDs Anfangstagen vorbeigeht, mit denen er als 16jähriger AED gründete? „Das Leben verläuft extrem schnell; auch wir, wenn wir Spaß haben oder etwas mit Leidenschaft tun. Ein Jahr vergeht wie im Flug. In meinem Kopf heißt es also: Wow, das Leben ist wirklich kurz, also genieße es. Versuche, das Beste im Leben zu tun und ein besserer Mensch zu werden. Das gilt auch für Freunde und gute Kunden, die zu Freunden werden. Sie können dich zu einem besseren Menschen machen. Versuche also, mit Menschen zu arbeiten und mit Menschen zu leben.“

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.