Einfach rot: Seelenmusik mit hellblauen Augen

Behind the scenes: Davide Lombardi mischt Simply Red

FOH-Spezialist Davide Lombardi und Systemfachmann Alessandro Cestaro überhaupt bei der Europa-Tour von Simply Red am FOH anzutreffen, sei nicht selbstverständlich, lacht Davide: So oft, wie ihm zuvor bei Britannia Row die Tür gewiesen wurde …

Simply Red(Bild: Jörg Küster)

Anzeige


Übersicht: 


Im November und Dezember bestritt die britische Formation Simply Red den dritten Teil ihrer „Blue Eyed Soul Tour 2022“. Der Untertitel „All the Hits Live!“ fasste das musikalische Geschehen in vier Worten prägnant zusammen. Sänger Mick Hucknall zählte inzwischen 62 Lenze und ist weiterhin außerordentlich gut bei Stimme, wovon wir uns beim Auftritt in der Lanxess Arena am 20. November 2022 überzeugen konnten.

Mick Hucknall
Sänger Mick Hucknall zählt inzwischen 62 Jahre und ist weiterhin außerordentlich gut bei Stimme (Bild: Jörg Küster)

Zwischen Wunsch und Wirklichkeit

Eingeladen hatte Davide Lombardi (www.davidelombardi. com, www.instagram.com/sound_traveller), der auf der Tour das FOH-Tonpult unter seinen Fittichen hatte und dessen Referenzen ein interessantes Gespräch erwarten ließen: Peter Gabriel, Amy Winehouse, James Taylor, Will Young, Oasis, Beck, Ed Sheeran, Duran Duran, Roxy Music, Dido, Kate Bush (2015 mit Auszeichnung als „Engineer of the Year“) und die Foo Fighters, aber auch Andrea Bocelli und das London Symphony Orchestra tauchen in der langen Liste von Künstlern auf, mit denen der in England lebende Italiener bereits erfolgreich gearbeitet hat – entweder als FOH-Mann oder als System-Engineer. Hinzu kommen diverse Festivals, große Modeschauen, Industrie-Events und Schiffstaufen sowie diverse Festinstallationen, für deren Realisierung Lombardis Audio-Expertise gefragt war. Darüber hinaus ist Lombardi als Workshop-Trainer für die Smaart-Software tätig. Der Start ins Business verlief für den heute 40-jährigen Lombardi eher holprig: „Als ich 20 wurde, entschied ich mich, aus Italien ins Vereinigte Königreich überzusiedeln“, erinnert sich der Tonspezialist. „Zuvor war ich in Italien bereits regelmäßig mit unterschiedlichen Formationen auf Tour. Ich habe in der Branche vergleichsweise früh angefangen: Meine älteren Brüder waren Lichtdesigner und haben irgendwann eine eigene Rental-Company eröffnet, so dass ich bereits im Alter von 15 Jahren regelmäßig im Live-Business aktiv war – insbesondere während der langen Sommerferien war ich eigentlich immer unterwegs.“

Der weitere Berufsweg erschien somit vorgezeichnet, und nach seinem Schulabschluss wurde Davide Lombardi mit 18 Jahren Vollzeit-Veranstaltungstechniker – ohne spezielle Fachausbildung, aber mit einem gerüttelten Maß an praktischer Erfahrung. „Ich habe immer hart gearbeitet, und schon mit 20 Jahren bin ich mit bekannten italienischen Musikformationen quer durchs Land gereist“, berichtet Lombardi. „Mein Wunsch war immer, meinen Lebensunterhalt als FOH-Mischer zu bestreiten. An einem bestimmten Punkt angelangt, konnte ich allerdings nicht mehr übersehen, dass der italienische Markt schlichtweg zu klein ist, um meinen Traum Wirklichkeit werden zu lassen: Interessante Positionen waren allesamt fest mit älteren Kollegen besetzt, und bis ein Generationenwechsel und eine Chance für mich angestanden hätte, wäre sehr viel Geduld erforderlich gewesen.“

>>zurück zum Anfang


Hartnäckigkeit hilft

Mit dem festen Vorsatz, sein Glück auf internationalem Terrain zu suchen, begab sich Davide Lombardi nach England: „Mein primäres Ziel bestand darin, einen Job bei Britannia Row zu ergattern“, berichtet der Italiener, der zum damaligen Zeitpunkt lediglich ein paar Brocken Englisch beherrschte. Man mag derlei Wagemut bewundern oder als jugendliche Blauäugigkeit belächeln – Fakt ist, dass Lombardi nach seiner Ankunft auf der Insel schnurstracks in die Zentrale von Britannia Row marschierte. „Dort wurde mir direkt wieder der Weg zur Tür gewiesen“, erinnert er sich schmunzelnd an den Erstkontakt. E-Mails wurden vom Unternehmen nicht beantwortet, soziale Medien existierten seinerzeit noch nicht. „Ich habe unverzagt tatsächlich noch fünf oder sechs weitere Male mein Glück bei BritRow versucht. Ich stand mehrfach im Empfangsbereich auf der Matte, was letztlich allerdings auch nicht wirklich weitergeholfen hat.“

Die Zeit verging, und nach sechs Monaten im Vereinigten Königreich wurde das Geld spürbar knapp: „In einem Akt der Verzweiflung bin ich dann noch einmal bei Britannia Row vorstellig geworden und habe den Leuten klipp und klar gesagt, dass ich zurück nach Italien gehen würde, wenn es in England nicht mit einem Job klappt. Gefruchtet hat das leider nichts, und ich war mit meinem Latein am Ende. Bevor ich mich frustriert auf den Heimweg machen wollte, habe ich von meinem allerletzten Geld dann ein Ticket für ein Konzert von Peter Gabriel gekauft, weil ich unbedingt einmal eine Show von ihm sehen wollte. Das Londoner Konzert wurde von Britannia Row betreut, und die Leute kannten natürlich inzwischen mein Gesicht und sahen mich vermutlich als eine Art „tragische Figur“, die ihnen seit Monaten auf die Nerven fiel. Wie dem auch sei: Für das folgende Wochenende brauchte man bei BritRow Hilfswillige, die von einer zweijährigen Tour zurückkommendes Material für eine Riesenshow der Red Hot Chili Peppers in Irland umladen sollten. Selbstverständlich habe ich diese Gelegenheit ergriffen, und so stand ich wenige Tage später an der Laderampe und habe von 8 Uhr morgens bis 8 Uhr abends unglaubliche Mengen von Equipment durch die Gegend geschoben.“

Es kam, wie es rückblickend möglicherweise kommen musste: Fleißige Helfer, die bei Bedarf tatkräftig anpacken können und nicht nur schwätzend mit den Händen in den Taschen herumstehen, sind bei vielen Auftraggebern gerne gesehen, und Lombardi hatte im Rahmen der RHCP-Ladeaktion wohl einen ziemlich guten Eindruck hinterlassen. Als Kistenschieber gelang ihm der Einstieg in die renommierte englische Rental-Company, wobei ein Aufstieg erst einmal in weiter Ferne lag: „Ich sprach damals kaum ein Wort Englisch, was die Kommunikation selbst bei einfachen Tätigkeiten erschwerte“, erinnert sich der Audio-Engineer. „Während der ersten Monate bei BritRow hatte ich mich bei einem Sprachkurs angemeldet, konnte an den Unterrichtsstunden allerdings kaum teilnehmen, weil im Lager immer so viel zu tun war und ich mich ums Geldverdienen kümmern musste.“

>>zurück zum Anfang


Mischpult-Diversität

Nicht nur bezüglich der von ihm betreuten Acts, sondern auch hinsichtlich seines Handwerkszeugs zeigt sich Davide Lombardi flexibel: In Köln arbeitete der Tonspezialist mit einem Yamaha PM5-System (CS-R5 Control Surface); er ist bei anderen Gelegenheiten aber auch regelmäßig mit Pulten von SSL oder DiGiCo anzutreffen (eine DiGiCo SD Ten zierte in Köln am Rande bemerkt den Monitorplatz; ein analoger Split sorgte für einen autarken Betrieb).

Den Preamps der Yamaha RIVAGE-Serie bescheinigt Davide Lombardi eine sehr gute Klangqualität. Gearbeitet wurde mit einer Abtastrate von 96 kHz. Bei Simply Red hatte Lombardi rund 50 Input-Kanäle zu verwalten. Out- board-Effektgeräte kamen nicht zum Einsatz. Halleffekte wurden überwiegend mit Algorithmen von Bricasti Design und TC Electronic erzeugt. Harmonizer-Effekte lieferte ein virtueller Eventide H3000. Für die Kompression wurden die pultinternen Dynamikeinheiten sowie VCM-Emulatio- nen von Rupert Neve Designs herangezogen.

>>zurück zum Anfang


Auch Umwege führen (manchmal) ans Ziel

Bevor Davide Lombardi als FOH-Mischer für bekanntere Bands tätig werden konnte, gingen Jahre ins Land – Lombardi verwendet das Wortbild „it took ages“, um das ausgedehnte Intermezzo zu umschreiben. „Obwohl ich mir in Italien bereits ein Renommee erarbeitet hatte, musste ich in England noch einmal ganz von unten anfangen“, so Lombardi. „Ich habe meinen Traum, als FOH-Mischer zu arbeiten, dennoch nie aufgegeben.“

Wie oft im Leben führten letztlich Umwege zum Ziel: „Da ich irgendwann nicht mehr nur im Lager tätig war, sondern auch als Bühnentechniker mit auf Tourneen ging, kam ich eines Tages in die Verlegenheit, ein Beschallungssystem aufzuhängen und einzurichten. Ich habe schnell gelernt – immerhin hatte das ja schon mal deutlich mehr mit Audio zu tun, als Flightcases durch die Gegend zu rollen.“

In seiner neuen Rolle als System-Engineer konnte Lombardi zahlreiche Kontakte ins Business knüpfen und vermutlich auch mit seiner freundlichen, tendenziell eher zurückhaltenden Art punkten – selbst in einer Branche, in der eine „große Klappe“ gelegentlich bekanntermaßen durchaus hilfreich sein kann, setzt sich Können und sozialverträgliche Umgangsformen letztlich durch. Ein Meilenstein in Lombardis Karriere war die Arbeit als System-Engineer für Andrea Bocelli: Als für den Künstler nach einiger Zeit ein neuer FOH-Mann gesucht wurde, fragte man Davide Lombardi. Dank einer anderen persönlichen Empfehlung bediente er kurz danach das FOH-Pult bei Tom Jones – der Stein war ins Rollen gekommen.

Als seinen persönlichen Durchbruch bezeichnet Lombardi die FOH-Tätigkeit für Will Young – ein Act, der in Deutschland weniger bekannt, im Vereinigten Königreich jedoch als früherer Gewinner von „Pop Idol“ eine ziemlich große Nummer ist. Young stellt als Künstler höchste Ansprüche und verpflichtet für seine Live-Auftritte ausschließlich die allerbesten Musiker, Produktionsleute und Techniker. „Die Arbeit für Will Young hat mir im UK alle Türen geöffnet“, stellt Lombardi zufrieden fest. „Anschließend war ich in den führenden Köpfen der Branche als qualifizierter FOH-Mischer etabliert.“

>>zurück zum Anfang


Transparenz als Maxime

„Ich liebe es, die einzelnen musikalischen Elemente beim FOH-Mix zu einem Gesamtbild zu formen, welches das Publikum begeistert und die Vision der Künstler transportiert“, sagt Davide Lombardi über die Motivation, die ihn antreibt. „Ich denke, dass ich ein gutes Verständnis dafür besitze, wie Musik funktioniert, mich gleichermaßen gut aber auch mit den Möglichkeiten moderner Audiotechnik auskenne. Mein Ziel ist immer ein Ergebnis mit 100 Prozent – es reicht nicht, in dieser Branche eine ruhige Kugel schieben zu wollen und sich lediglich 70 Prozent als Ziel zusetzen.“

Seinen Ansatz zur Gestaltung einer Mischung beschreibt Davide Lombardi als „transparent“. Lombardi: „Ich arbeite wirklich hart daran, die musikalische Vision meiner Auftraggeber für das Publikum hörbar zu machen. Meiner Meinung nach sollte man am FOH so transparent wie möglich arbeiten und nicht sein persönliches Klangideal verfolgen. Kein Konzertbesucher kommt zu einer Show, um sich anzuhören, was Davide Lombardi unter einem geilen Drumsound versteht, und entsprechend bin ich extrem flexibel, wenn Musiker mit ihren Wünschen und Vorstellungen an mich herantreten. Das mag mit ein Grund sein, warum Anfragen aus unterschiedlichen Bereichen wie Pop, Rock und Klassik bei mir eingehen.“

Davide Lombardi
Davide Lombardi, FOH-Mix Simply Red (Bild: Jörg Küster)

Beim Konzert von Simply Red in der Lanxess Arena konnte man Davide Lombardis Klangphilosophie mit eigenen Ohren vernehmen: Der Sound des Live-Geschehens orientierte sich klar am Klang der von Simply Red bekannten Veröffentlichungen, was laut Lombardi so auch von der Band gewünscht wird. Im Mix räumte Lombardi den einzelnen Instrumenten größere dynamische Spielräume ein, was zur Musik von Simply Red ganz ohne Frage passt. Anzumerken wäre in diesem Zusammenhang natürlich, dass auf der Bühne ausschließlich Musiker standen, die ihr Handwerk beherrschen und die Dynamik ihrer jeweiligen Instrumente perfekt im Griff haben. „Das Geheimnis eines erfolgreichen FOH-Engineers ist eine gute Band!“, merkte Davide Lombardi daraufhin angesprochen an.

>>zurück zum Anfang


Mikrofonierung

Bezüglich der Mikrofone hatte Davide Lombardi für die Tour die Ausstattung übernommen, welche sein Vorgänger bereits vor mehr als einem Jahrzehnt bei Simply Red etabliert hatte. Zum Einsatz kamen allseits bekannte Schallwandler aus dem Umfeld der „üblichen Verdächtigen“. Vertreter aus der esoterischen, von weisen Audio-Altmeistern in Vollmondnächten nach dem Genuss geheimnisvoller Kräuter-Elixire erdachten Boutique-Fraktion waren nicht zu entdecken. Als kleine Besonderheit mag man zwei R-122 MKII Live Ribbon-Mics von Rouyer Labs betrachten, die für die Abnahme von Trompete und Sopransaxophon genutzt wurden. Aufgrund ihrer Positionierung recht weit hinten auf der Bühne gab es keine Probleme mit Übersprechen („Spill“) in die als sensibel geltenden Bändchenmikrofone – Plexiglas-Stellwände rund um das nebenan befindliche Drumkit sind bei den Musikern unerwünscht. Für weitere Saxophone wurden Clip-on-Mics von SD Systems eingesetzt. Die Drums kamen ohne getriggerte Sounds aus, und auch sonst wurde bei der Show „richtig live“ gespielt. Aus Pro Tools kamen lediglich ein paar atmosphärische Klänge (Vogelgezwitscher und Ähnliches) sowie in einzelnen Songs kurze Percussion-Loops und ergänzende Backing-Vocals, welche allerdings vorab von den auf der Bühne stehenden Protagonisten eingesungen worden waren und zu einem etwas volleren Klangbild beitrugen. Darüber hinaus lieferte die DAW einen Clicktrack und bei einzelnen Titeln Timeco- de-Information für synchrone Videozuspielungen.

Rouyer Labs R-122 MKII Live Ribbon-Mic
Rouyer Labs R-122 MKII Live Ribbon-Mic von für die Abnahme des Sopransaxophons (Bild: Jörg Küster)

Sänger Mick Hucknall verwendet auf der Bühne seit Jahr und Tag ein kabelgebundenes Shure SM58, was dem Vernehmen nicht zur Diskussion steht. Für Hucknalls Mikrofontechnik erscheint die Vokabel „eigenwillig“ geeignet, denn oft wird nicht nur der untere Teil des Drahtkorbs mit den Händen umschlossen, sondern auch der Abstand zwischen Mund und Kapsel fällt zeitweise erschreckend groß aus – es ist keine Seltenheit, dass sich das SM58 bei Gesangspassagen auf Höhe des Bauchnabels befindet, was für die Tontechnik eine nennenswerte Herausforderung darstellen dürfte. Der Nahbesprechungseffekt tritt auf diese Weise nicht zutage, so dass „untenrum“ wenig gefiltert werden muss. Eine Feedback-Gefahr ist permanent gegeben – speziell, wenn die Show von den anfänglichen rund 88 dB zu ihrem Ende hin knapp 100 dB erreicht. Der „Spill“ vom übrigen Bühnengeschehen dürfte für die Tontechniker ebenfalls ein Thema sein.

>>zurück zum Anfang


„Smooth Coverage“

Zur Ausstattung der „Blue Eyed Soul Tour 2022“ hatten sich Davide Lombardi und sein Systemkollege Alessandro Cestaro übereinstimmend für Lösungen von L-Acoustics entschieden. Die Wahl fiel auf K2-Systeme, mit deren Hilfe eine „smooth coverage“ (O-Ton Lombardi) angestrebt und erreicht wurde. Man darf die Idee des Designs vielleicht mit den Gedankengängen „möglichst viel Direktschall“, „Sound nur dort, wo Publikum ist“ und „Ortung immer auf der Bühne“ zusammenfassen – passend dazu verteilten sich die Lautsprecher in der Halle auf vergleichsweise viele Positionen. System-Engineer Alessandro Cestaro jedenfalls hatte in Köln alle Hände voll zu tun, um dem angestrebten Ideal gerecht zu werden, zumal die Hausanlage der bis unter das Dach ausverkauften Arena (vermutlich aus Kostenerwägungen) nicht in Anspruch genommen wurde.

Alessandro Cestaro
Alessandro Cestaro, System-Engineer Simply Red (Bild: Jörg Küster)

Bezüglich der Positionierung der Main-Hangs sah es so aus, als ob Konfliktpotenzial zwischen der Video- und der Tonabteilung bestehen könnte, wobei sich die Tonfraktion augenscheinlich durchsetzen konnte – wenn Videoscreens riesig sind und der verfügbare Platz begrenzt ist, sind Kompromisse gefragt, und so konnten die Main-Hangs je nach Betrachter:innenposition den freien Blick auf die Bildwände beeinträchtigen.

Für die tontechnische Ausstattung der „Blue Eyed Soul 2022“-Tournee zeichnete Britannia Row verantwortlich. Die Rental-Company gehört seit einigen Jahren ebenso wie weitere namhafte Unternehmen zu Clair Global. Um die in der Post-Brexit-Ära erforderlichen Formalitäten inklusive der Carnet-Verfahren für die vorübergehende Ein- und Ausfuhr kümmerten sich spezialisierte Mitarbeiter:innen von Britannia Row. Beim Konzert in der Lanxess Arena wurde das von der Produktion mitgeführte Equipment durch lokal angemietete Kara II-Units ergänzt.

>>zurück zum Anfang


Klangqualität für alle

Alessandro Cestaro ist wie Davide Lombardi Italiener; kennen und schätzen gelernt haben sich die beiden Audio-Leute in England. Als eingespieltes Team haben sie bereits eine Vielzahl ganz unterschiedlicher Veranstaltungen betreut. Alessandro Cestaro arbeitet seit rund zehn Jahren freiberuflich für Britannia Row. Seit 2014 ist er als System-Tech auf Tourneen unterwegs; seit 2022 gehört er zur Technik-Crew von Simply Red.

„Wenn es um Beschallungssysteme geht, ist L-Acoustics meine bevorzugte Marke“, konstatierte Alessandro Cestaro in Köln. „Meine ersten Lorbeeren konnte ich mit diesen Systemen sammeln, und ich habe inzwischen auch etliche Seminare von L-Acoustics absolviert. Ab und an arbeite ich auch mit d&b Systemen, wobei ich einräumen muss, dass mich die neue SL-Serie schwer beeindruckt hat – die GSL- Lautsprecher sind unglaublich und klingen restlos überzeugend! Letztlich spielen natürlich aber immer auch persönliche Präferenzen eine Rolle, und ich besitze einfach mehr Erfahrung im Umgang mit den Systemkonzepten aus Frankreich.“

Lanxess Arena
Nachmittags in der Arena: Die Ruhe vor dem Soundcheck (Bild: Jörg Küster)

Alessandro Cestaro strebt nach eigenen Worten an, dass möglichst viele Konzertbesucher:innen einen ebenso guten Klang erleben können, wie ihn Davide Lombardi am FOH- Platz hört. „Ich lege viel Wert auf die bestmögliche Positionierung der Delay-Lautsprecher, welche ich gerne ein wenig weiter hinten aufhänge, als es gemeinhin üblich ist“, erläuterte Cestaro. „Das akustische Image soll immer zum Bühnengeschehen passen und den Fokus der Zuhörenden auf dieses richten. Gerne dürfen die Delay-Hangs auch etwas länger als üblich ausfallen, um das Low-End so weit wie möglich in kontrollierter Form zu allen Plätzen zu bringen. Gerade in den größeren Hallen muss man dabei allerdings aufpassen, damit man sich nicht zu viel Dröhnen in den tieffrequenten Bereichen einfängt.“

Erste Delay-Line
Blick von der Bühne in den Zuschauerraum, weit oben ist die erste Delay-Line zu erkennen (Bild: Jörg Küster)

Über die für die Umsetzung der Tournee wesentlichen L- Acoustics K2-Lautsprecher äußerte sich Alessandro Cestaro mehr als zufrieden: „Die beiden 12-Zöller in der K2 sind deutlich schneller als die Doppel-Fünfzehner-Alternative in der K1. Auch der Low-End-Output der K2 lässt sich besser handhaben, als es bei größeren Systemen der Fall ist. Für die Musik von Simply Red passt das perfekt.“

>>zurück zum Anfang


System-Setup

In Köln setzten sich die Main-Hangs aus jeweils 18 K2 (14 × 70° oben, 4 × 110° unten) zusammen. Hinzu gesellte sich ein kleiner Center-Hang mit zwei L-Acoustics A15. Hinter den Main-Arrays wurden je acht KS28 in einem kardioiden Setup (3+1, 3+1) geflogen. Als Sidehangs fanden 2 × 16 K2 (alle 110°) Verwendung. Hinzu kamen als Besonderheit in Köln zwei Dritt-Hangs (je zwölf Kara II) für Rangbereiche seitlich der Bühne. Die erste Delay-Line setzte sich aus links und rechts geflogenen Arrays mit jeweils zwölf Kara II zusammen, was in exakt gleicher Form auch für die zweite Delay-Line galt.

 Kara II
Die erste Delay-Line mit zwölf Kara II (Bild: Jörg Küster)

Vor der Bühne hatte Alessandro Cestaro 4 × 2 KS21 positioniert, auf denen sich jeweils liegend eine A10 Zweiwege- Box befand. Die Frontfills deckten ungefähr die ersten drei Sitzreihen ab; die geflogenen A15 konnten ihr Frontfill-Potenzial insbesondere entfalten, als sich die Zuschauer:innen nach dem ersten Drittel des Sets zunehmend von ihren Plätzen erhoben. Cestaro hätte die A10 vermutlich gerne höher positioniert, was jedoch aus optischen Erwägungen in Abstimmung mit den Wünschen des Lichtdesigners nicht infrage kam. Konventionelle Wedges waren auf der Bühne nicht zu sehen; die Musiker hörten sich über drahtlose Sennheiser In-Ear-Systeme.

Simply Red
Main-Hang mit K2 (links), KS28-Subwoofer (dahinter), Side-Hang mit K2 und Dritt-Hang mit KARA II (klein ganz rechts oben im Bild) (Bild: Jörg Küster)

Als Verstärker fanden ausschließlich L-Acoustics LA12X DSP-Verstärker Verwendung, die in luftiger Höhe oberhalb der Subwoofer geflogen wurden. „Es macht ganz einfach einen riesigen Unterschied, wenn man kurze Kabel zwischen Amp und Lautsprecher verwenden kann“, so Alessandro Cestaro. „Die Wiedergabe von Transienten verbessert sich ganz erheblich, und wenn es irgendwie machbar ist, sollte man immer auf die kürzeste mögliche Kabellänge setzen. Das Design der Ampracks hat sich Technical Project Manager Joshua Lloyd bei Britannia Row Productions ausgedacht. Die Cases lassen sich fliegen, und man kann unter ihnen Boxen aufhängen. Bei uns hängen aktuell acht KS28 unter jedem der beiden Ampracks, die mit je 18 LA12X bestückt sind. Hinzu kommen drei LA12X pro Seite, die sich auf dem Boden befinden. Die Subwoofer und die Verstärker werden gemeinsam nach oben gefahren, was vergleichsweise wenig Zeit in Anspruch nimmt – ich glaube, wir sind die erste Produktion, die das auf diese Weise macht.“

L-Acoustics LA12X DSP-Verstärker
L-Acoustics LA12X DSP-Verstärker die größtenteils in luftiger Höhe oberhalb der Sub- woofer geflogen wurden (Bild: Jörg Küster)

Der Audio-Signalfluss gestaltete sich auf der Tour vollständig digital: Aus dem Yamaha PM5-System wurden AES/EBU-Signale mit 96-kHz-Abtastrate in als Matrizen dienende Lake LM44 geführt. Von dort wurden AES/EBU-Signale in eine L-Acoustics P1 „AVB Processor and Measurement Platform“ geführt und anschließend als AVB- Streams über Netzwerkkabel in die Amps geleitet. Zusätzlich zur digitalen Verbindung hatte Alessandro Cestaro rei analoge Fallback-Layer eingerichtet, zu denen sogar eine direkte analoge Verbindung von der zum FOH-Platz gehörenden Stage-Box in die Verstärker gehörte.

„Zum Glück habe ich die analoge Sicherheitsleine noch nie bemühen müssen, aber better safe than sorry …“, merkte Cestaro an und klopfte sofort auf einen in der Nähe stehenden Holztisch. Das Clocking des Setups oblag den Lake Prozessoren. Neben der L-Acoustics M1-Software und dem LA Network Manager verwendete Cestaro in Köln die Smaart Suite, mit der er nach eigener Aussage „allerbestens vertraut“ ist.

>>zurück zum Anfang


Holding back the Years

„Stars“, „Fairground“, „Something got me started“, „Holding back the Years“ und natürlich „Money“, das „too tight to mention“ ist: Simply Red ließen es im Anschluss an einen eher geruhsamen Auftakt nach dem ersten Drittel des Sets in Köln wohltemperiert krachen, so dass die im Innenraum aufgestellten Stühle zunehmend zum Hindernis für junggebliebene Besucher:innen gerieten, welche es nicht mehr auf den Plätzen hielt. Songs des Albums „Blue Eyed Soul“ gab es am Abend überraschenderweise nicht zu hören, dafür aber einen neuen Titel, dessen Refrain („It’s so good to be together“) gemäß Anleitung des Frontmanns zwar vieltausendstimmig mitgesungen wurde, insgesamt jedoch eher belanglos dahinplätscherte. Der hervorragenden Stimmung tat der maue Song-Ausreißer in der Hit-after-Hit-Revue keinen Abbruch, zumal sich die zahlreich angereisten weiblichen Fans zu diesem Zeitpunkt ohnehin bereits in einem Zustand vollständiger Verzückung befanden – „You make me feel brand new“ stand vereinzelt in leuchtende Augen geschrieben.

Beschlossen wurde das kompakte, rund 90-minütige Kölner Konzert mit „If you don’t know me by now“. Die sichtlich zufriedenen Gäste erlebten eine ebenso wohlklingende wie geschmackvoll zusammengestellte musikalische Zeitreise mit der gesamten Spannbreite von intimer Lounge- Atmosphäre bis zur ausgelassenen Club-Party, wobei stets ein sanfter Hauch von Nostalgie durch die Halle wehte. Schön war ́s …

>>zurück zum Anfang

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.