Grönemeyer Tumult-Tour 2019

Sonderbauten für Herbert Grönemeyer

Neben den Gewerken Audio, Licht, Rigging und Video wurde Satis&fy auch erstmals bei Herbert Grönemeyer mit dem Bühnenbau betreut. Dabei wussten zahlreiche Sonderbauten zu beeindrucken

(Bild: Harald Heckendorf)

Inhalt


Fünf Nightliner transportierten die 120-köpfige Travel-Party aus Künstlern, Catering-Crew, Garderobenkräften, Fahrern und Technikern. Davon entfielen auf die technische Produktion Satis&fy vier Audiomitarbeiter, vier Videoleute, fünf Lichtler, zwei Bühnenkräfte sowie die Technische Leitung durch Rainer „Enzo“ Vollmer. Bewährte Crew-Heads sowie das gesamte FOH-Team waren über die Produktion eingesetzt worden. Sämtliche zusätzliche Kräfte (z. B. Samt & Eisen, Schoko-pro, Sparbomm) waren von der Produktion oder von Satis&fy ausgesucht worden, was zur angenehmen Folge hatte, dass eine sehr ausgeglichene und entspannte Arbeitsatmosphäre auf der Reise zu den 17 Spielorten, die zum Teil als Doppelshows bespielt wurden, vorherrschte.

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Logistik: Cargo Carts sorgen für schnelles Loading

Ein weiterer Grund für die gute Stimmung dürfte sich aus der gut geplanten Logistik während der Tour ableiten lassen. Die 15 Trucks waren in der Regel allabendlich nach 150 Minuten beladen. Dieser Umstand war durch eine optimal ausgelotete Ladekapazität erreicht worden. Sämtliche Gewerke der Produktion setzten auf Cargo Carts, die es wegen ihrer abgestimmten Abmessungen ermöglichen, die Ladekapazität eines Trucks zentimetergenau auszunutzen. Vier verschiedene Baureihen sind derzeit erhältlich und auch Spezialanfertigungen können beim hauseigenen Vertrieb des Herstellers angefragt werden. Überdies können bei Bedarfsspitzen über den angeschlossenen Cargo Carts Rental Service Einheiten hinzugemietet werden. Für den Transport des imposanten LED-„Propellers“ (siehe weiter unten im Text) wurde eigens eine verlängerte Version entwickelt. Auf diesem Weg konnte nicht nur der schonende Transport des Sonderbaus in nur zwei Cargo Carts realisiert werden, sondern bei der Planung des Blocks und dessen Montage konnte die elegante Transportmöglichkeit bereits berücksichtigt werden.

Mike Lange (Konstrukteur und Planer vieler Sonderbauten) und Rainer ‚Enzo‘ Vollmer (Technischer Leiter, r.)
Ingo Kaiser Konstrukteur und Erfinder der Cargo Carts und Managing Director Late Night Concepts
Cargo Cases sind beliebt bei jedem Gewerk auf dieser Tournee
Eine Winde des „LED-Propellers“
Aufhängung des Rings für die LED-Wände

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Bühne mit vielen durchdachten Extras

Mike Lange wurde als Konstrukteur und Planer mit der Ausführung sämtlicher Satis&Fy-Sonderbauten für die Produktion betraut. Für die Tumult Tour-Bühne wurde in einigen Teilen eine neue Unterkonstruktion gebaut. Ein Wunsch lautete, die komplette Bühne auf Rollen und bereits die Treppenaufgänge angebaut zu haben, damit Licht und Tontechniker sowie die Backliner bequem auf die Bühne gelangen und dort bereits arbeiten können, während das Licht noch gehangen wird. Der Planer entwickelte für Satis&Fy ein modulares Treppensystem, das während der gesamten Zeit (somit auch vor und während des Rollens in die Showposition) an der Bühne bleiben konnte. So befanden sich u. a. zwei Treppen an der zwei Meter hohen Upstage. Das System ist für unterschiedliche Bühnenhöhen entsprechend nachrüstbar. Lediglich die Seitenwange ist dann jeweils zu verändern. Dank eines Schiebesystems können alle Stufen herausgezogen und verschleißfrei wieder eingebaut werden. Das Treppenbild wirkt daher immer klar und ist wiederverwendbar. Ab dem Sommer 2019 werden zwei unterschiedlich breite Varianten existieren, die an gängigen Bühnensystemen (Bütec, Litedeck, Layher) vorhanden sein werden. Auch die Designkante der Bühne, die den Mittelbereich downstage zwischen den Laufstegen (nicht jedoch an den Stegen) zierte und u. a. die Steuerkabel elegant verbarg, war von Mike Langes Team in Handarbeit realisiert worden. Die Vorgabe, auf der leicht nach hinten ansteigenden Bühne keine Treppen, sondern ausschließlich Rampen zur Nivellierung des Bühnenraums zu bauen, wurde ebenfalls stilsicher und praktikabel umgesetzt.

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LED-„Propeller“

Die LED-Wand (der „Propeller“, siehe Artikel Licht und Bühnendesign) wurde beim Show-Opening vom Bühnenboden in Position im Rigg gefahren. Für die Steuerung der Drehbewegungen dieser 1,2 t schweren LED-Wand wurde Steffen Boscherts Firma SWL Rigging beauftragt und dabei die bewährte Steuerungssoftware von Fülling&Partner benutzt. In der Endposition hoch über der Bühne konnte der gewaltige LED-Block zu jeder Seite um 270 Grad bewegt werden. Die Konstruktion, die sich aus zwei gleich großen Bauelementen mit einer Länge von jeweils ca. 6 m zusammensetzte, sollte während der Show wie ein Block anmuten und sich auch so verhalten. Das Tragwerk für die beidseitig bestückte LED-Wand war als „Spezialsonderbau“ ebenfalls von Mike Lange konzipiert worden und wie auch die meisten anderen Sonderbauten durch Andre Schniedergers von Area Four Industries aus Münster statisch überprüft. Um genügend Stabilität für die Winvision-LED-Systeme auf dem rund 12 m langen und 2 m hohem Konstrukt zu haben, wurde ein spezielles Aussteifungssystem entwickelt. Für sichere Kabelführung wurde ebenfalls eine eigene und sehr simple Lösung konzipiert: Da die Lastkapazität der beiden Drahtseilwinden nicht überschritten werden durfte, baute man eine leichte, passgenaue Holzwanne ein, über der eine trichterförmig genähte Textilvorrichtung das Kabel aufnahm und sicher führte. Eine leichtgewichtige Lösung, die ein Verhaken von Kabeln völlig unmöglich machte. Nach Wunsch des Bühnendesigners Gunther Hecker sollten die Abstände zwischen den sechs LED-Wänden, die als Backdrop dienten, möglichst filigran – d. h. so schmal wie möglich – wirken. Gleichzeitig sollten die „Schlitze“ groß genug sein, um den Scheinwerfern genügend Platz zu bieten. Da herkömmliche Traversen den Zwischenraum hätten zu groß werden lassen und es von Seiten des Herstellers zu Winvision nur die Möglichkeit gibt, die Panels mittels Single-Aufhängung an Traversen zu hängen, musste auch hier eine Sonderlösung geboren werden. Mike Lange entwickelte auch hier in Zusammenarbeit mit Area Four Industries ein neues Tragwerk für diese Design-Vorgabe. Ein ähnliches System wurde auch schon für die PUR-Tournee 2018 entwickelt und gebaut. Für die sechs Robe Patt, die für die Ausleuchtung der Musiker eingesetzt wurden, entwickelte und realisierte das Satis&fy-Team sechs elegante Edelstahl-Lampenstative mit innenliegender Kabelführung und einer Konusverbindung, aus der der Robe Patt förmlich zu entspringen schien. Axel Koch steuerte mit Samt&Eisen ein bezaubernd analoges HerbertGrönemeyer-Logo für die Show bei. Auf einer Dibondtafel mit EL34-Fassungen bilden 46 „Birnen“ die ineinander verschlungenen Initialen des Sängers. Diese Konstruktion war lange im Rigg geparkt und wurde für wenige Show Minuten stimmungsvoll in das Bühnenbild eingeladen. Den Metallbau verrichtete Satis&fy zum Teil intern. Für einige Tätigkeitsbereiche wurden bewährte Partner gewählt, die jeweils einzelne Komponenten fertigten, die im Vorfeld zusammen mit Mike Lange und Andre Schniedergers entwickelt worden waren. Die komplette Endfertigung sämtlicher Sonderbauten fand bei Satis&fy in Werne statt. Ausgenommen waren nur das Samt & Eisen-Logo und das Flippodium.

Analoge Deko aus dem Hause Samt&Eisen
Das analoge Logo aus dem Hause Samt&Eisen und ein Robe Patt sorgen hier für eine sehr gelungene ruhige Stimmung
Auf einem Teil der B-Stage konnte ein Klavier aus der zuvor geschlossenen Bühnenfläche ausgeklappt werden
Auf einem Teil der B-Stage konnte ein Klavier aus der zuvor geschlossenen Bühnenfläche ausgeklappt werden
Transporteinheit des Flippodiums

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Flippodium für das Klavier auf der B-Stage

Über das Management des Künstlers war der Wunsch geäußert worden, eine Konstruktion für ein Klavier auf der B-Stage zu entwickeln, die es ermöglicht, das Instrument jeweils nur für die Lieder erscheinen zu lassen, bei denen es der Musiker benötigt. Während der übrigen Zeit sollte das Instrument nicht präsent sein. In der Vergangenheit mussten Helfer die nötigen Umbauten während der Show durchführen. Das hätte zum einen die Zuschauer gestört und zum anderen auch die Set-Abfolge ein Stück weit vorgegeben. In Schokopro fand man erfahrene Kooperationspartner für die Umsetzung dieser Idee. Für das Team um Peter Roth-Lipkow, der u. a. schon die B-Stage der letzten Kraftklub-Tournee konzipiert hatte, galt es erneut eine Lösung zu entwickeln, die sowohl den Wünschen des Managements, als auch allen den gesetzlichen Vorgaben entsprechen würde. Das Tragwerk der Konstruktion für den Flipp-Effekt beruht auf dem modularen Aluzargen-System der HOAC Schweißtechnik, die sich schon für viele zuverlässige und bemerkenswerte Konstruktionen in der Branche bewährt hat. Für den Tournee-Einsatz wurde eine Konstruktion für In- und Outdoor entwickelt, die sich aus mehreren Elementen zusammensetzt: Im Zentrum befindet sich eine ca. 1 t schwere Transporteinheit, welche das Instrument samt Hocker sowie den Drehmechanismus und den Bühnenboden beherbergt. Diese Transporteinheit stellt das Flippodium im Kern dar. Ausschließlich der mittlere Teil der Transporteinheit, auf dem das Klavier befestigt ist, rotiert um die Mittelachse in 180°. Der Clou hierbei: Das Klavier ist mit dem Schnellverbindersystem Resbig Two auf der Plattform verankert. Diese Verbindungstechnik der Resbig Technology kam bereits letztes Jahr während der Helene-Fischer-Tour zum Einsatz, um die LED Wände an die Bühnenkonstruktion zu koppeln. (siehe auch Artikel Helene-Fischer-Stadiontour mit Custom-Bühne „Lego für Erwachsene“ aus unserer Ausgabe 9|2018). Eine Umbauung, die der Plattformerweiterung sowie der horizontalen Aussteifung diente, eine Treppe sowie der elektrischen Ansteuerung komplettieren das System. Eine komplett werkzeugfreie Montage dieser flexiblen und tour-tauglichen Konstruktion reduzierte die Auf- und Abbauzeiten enorm. Auf Rollen ruhend transportiert, müssen am Spielort nach der finalen Positionierung lediglich die senkrechten Trussspindeln montiert werden, bevor das Flippodium aus der Last gehoben werden kann. Anschließend wird mittels Laser auf Endmaß nivelliert. Die umgebenden Elemente werden anschließend z. B. mit Litedeck-Bauteilen des Laufstegs verbunden. Ein Keilanschluss, an dem der Künstleraufstieg befestigt ist, dient dem Übergang auf den Steg und kann je nach Bühnensystem individuell befestigt werden. Bereits Mitte 2018 führten die Mechanics von Schokopro eine Machbarkeitsstudie durch und legten diese dem Auftraggeber vor. Im Februar wurde das System dann in Wiesbaden vorgestellt und ausgewählte Techniker sorgfältig eingewiesen. Robert Masel leitete den Aufbau und zeichnete für die Bedienung und die Einhaltung der Sicherheitsbestimmungen auf der gesamten Hallentour verantwortlich. So muss von ihm während des Fahrvorgangs die gesamte Podestfläche überblickt werden können. Der direkt angrenzende Bereich um das Podest durfte während der Rotation der Plattform keinesfalls von Dritten begangen werden und war deutlich markiert. Über einen Notausschalter kann das System angehalten werden. Gefahr lauerte allabendlich tatsächlich in Form von Rucksäcken und Taschen, die dort von Security-Mitarbeitern gern deponiert wurden. Durchaus nachvollziehbar, denn die seitliche Verkleidung verbarg die Technik komplett und nichts wies auf die technische Überraschung hin. Übrigens wurde dieser elegante Flipp- Effekt auch nicht mit dem Zeigefinger inszeniert. Im Gegenteil: Das Piano erschien eher beiläufig und wartete schon pünktlich, wann immer der Musiker es benötigte. Innerhalb von zehn Sekunden flippte das Klavier samt Hocker aus dem Boden in die benötigte gewünschte Position. Anschließend wurde die Klappe der Podestfläche elektromechanisch vom Techniker verriegelt. Robert Masel vereinbarte mit dem Künstler (der ebenfalls eine entsprechende Einweisung erhalten hatte) ein eindeutiges Handzeichen, sobald die Verriegelung angeschlossen und die sichere Begehbarkeit gegeben war. Der komplette Vorgang inklusive der Verriegelung dauerte ca. 30 Sekunden. Die Befehle erfolgten über eine einfache Handbedienflasche mit den Steuerelementen: Verriegelung öffnen, Freigabe, Rotation auslösen, Verriegelung schließen. Beim Zurückfahren unter den Bühnenboden war wichtig, dass die Position von Mikrofonständer und Hocker nicht eine festgelegte Markierung nicht überschritt, da sonst Kollisionsgefahr bestand.

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