Dynamische Show-Elemente

Was ist eigentlich Kinetik?

Kraft gleich Masse mal Beschleunigung – szenische Bewegungen aller Art sind en vogue. Was für den unbedarften Betrachter einer Show oftmals wie Zauberei anmutet, sind in Wirklichkeit handfeste Ergebnisse aus dem Maschinenbau.

(Bild: Jorrit Lousberg)

Was ist Kinetik? Gemeint sind hier alle Bewegungen, die szenisch für das Publikum sichtbar oder auch im Off stattfinden. Im Theater wird dies mit dem etwas mystifizierendem Begriff „Verwandlung“ bezeichnet; hier sollen jedoch mobile Anwendungen im Vordergrund stehen.

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Bewegungen im Raum

Üblicherweise stehen bestimmte Vorstellungen am Anfang eines solchen Einsatzes: Ein Raum soll vergrößert oder verkleinert werden, Perspektiven sollen verändert werden oder bestimmte Dinge – wie Requisiten oder Instrumente – werden auf der Bühne temporär gebraucht. Raumveränderungen durch das Entfernen oder Einbringen von bis dahin bestehenden Begrenzungen, (Wänden, Leinwänden oder LED-Wänden) eröffnen neue Perspektiven oder erlauben die dramatische Enthüllung von Produkten. Gerade im Bereich der Produktpräsentation von Fahrzeugen wird diese Möglichkeit gerne genutzt, um eine dynamische Inszenierung zu erreichen und das Produkt emotional aufzuladen.

Naturgemäß ist es beeindruckender, in großen Hallen auch große Bewegungen durchzuführen: Das Einschweben eines Automobils auf seine Präsentationsfläche ist spektakulärer, als das eines Schokoriegels in Originalformat. Aber nicht nur die vertikale Bewegung ist hier von Interesse, sondern auch die horizontale Verfahrung eröffnet Möglichkeiten der Inszenierung. LED-Wände können sich an Schienen hängend oder auf dem Boden rollbar teilen und Auftrittsmöglichkeiten freigeben, Dekorationselemente oder Instrumente können nach Bedarf in den Aktionsbereich gefahren werden und auch für die Fahrzeugpräsentation bietet ein externer Antrieb die Möglichkeit (unter Umgehung der Problematik mit möglicherweise brandschutzrelevanten Eigenantrieben durch Verbrennungsmotoren und Ähnlichem) ein Automobil dynamisch zu präsentieren – mit dem weiteren Vorteil des Ausschlusses der menschlichen Fehlerquelle durch Fehlbedienung eines Fahrers auf engen Bühnen.

Neben aus dem Boden herausfahrbaren Mikrofonstativen, deren Rohrelemente teleskopierbar sein können und die so mit einer Einbautiefe von 60 Zentimetern auskommen, eröffnen im Bühnenboden eingebaute Personenversenkeinrichtungen überraschende Auf- und Abtrittsmöglichkeiten für Akteure. Laufbänder ermöglichen Dynamik ohne Ortsveränderung und auch das Öffnen und Schließen eines Vorhangs gehört im weiteren Sinne zu kinetischen Effekten. Eine spektakuläre Art der Vorhangöffnung ist sicherlich der Kabukivorhang, der mechanisch ausgelöst zu Boden fällt. Rollensysteme lassen Leinwände oder auch Vorhänge durch Abwicklung entstehen und wieder verschwinden – durchgehende Bildbreiten von bis zu 30 Metern wurden schon realisiert.

Hexapod Für einen Automobilhersteller wurde bereits vor einigen Jahren ein Hexapod gebaut, welches mit sechs über Kugelumlaufspindeln angetriebenen Stabachsen in allen Achsen und hoher Dynamik bewegt wurde (Bild: Schokopro)

 

Weitere Möglichkeiten neben den Bewegungen in den drei Raumachsen X, Y und Z sind auch die Rotation um diese Achsen mit Kippen und Drehen. Drehbühnen für komplexe Anwendungen werden von Kinetikfirmen hergestellt oder bestehende Drehbühnen modifiziert, wenn besondere Bewegungen oder Bewegungsabfolgen (Änderung von Drehrichtung oder Geschwindigkeit, bestimmte Stopps oder Starts mit Erreichen von festgelegten Positionen) gefordert werden.

Auch Sonderanfertigungen auf Kundenwunsch sind möglich. Für einen Automobilhersteller wurde bereits vor einigen Jahren ein Hexapod gebaut, welches mit sechs über Kugelumlaufspindeln angetriebenen Stabachsen in allen Achsen und mit hoher Dynamik bewegt wurde. Auf diesem Podest konnte das Publikum der Einführungsveranstaltung des neusten Fahrzeugs Platz nehmen und als „Gruppenfahrsimulator“ die Bewegungen einer Fahrt in dem Fahrzeug erleben, die auf einer großen Leinwand als Film dargestellt wurde. Ein aktualisierter Einsatz würde heute unter Verwendung von Virtual-Reality-Brillen neue Dimensionen des Erlebens ermöglichen.

Bei allen bewegten Elementen sind Überlegungen zur sicheren Leitungsführung anzustellen, um eine Beschädigung von Leitungen zu verhindern – sowohl deren zum eigentlichen Bewegungsbetrieb als auch der, die die bewegten Elemente, wie zum Beispiel LED-Wände mit Energie und Signal versorgen. Permanente Bewegungen, wie das andauernde Drehen einer Drehbühne, stellen besondere Herausforderungen dar, wenn etwas auf der Drehbühne verkabelt werden muss.

Notwendig für aufwändigere Bewegungsabläufe ist eine entsprechend sichere Steuerung, die mit Elementen für Geschwindigkeits- und Positionserfassung präzise und wiederholbare Vorgänge ermöglicht. Die Weitergabe von Signalen wie Schaltimpulsen und Positionsdaten ermöglicht die Anbindung an weitere Mediensteuerungen wie zum Beispiel für ein 3D-Mapping mittels Medienserver.

Aufwändigere Bewegungsabläufe notwendig dafür ist eine entsprechende sichere Steuerung, die mit Elementen für Geschwindigkeits- und Positionserfassung präzise und wiederholbare Vorgänge ermöglicht (Bild: Whitevoid)

 

„Kinetik zum Selbstzweck, zum Beispiel die Bewegung einer Traverse als dynamisches Element einer Show, ist nur kleiner Teil der Arbeit“ sagt Mike Brockmann vom Planungsbüro rgb. „Oft soll etwas präsentiert oder ein Raum verändert werden. Als Erstes wird eine Kreatividee, eine Geschichte benötigt, dann kommt die Frage der Umsetzung. Im Bereich Kinetik wird viel mehr custom made gearbeitet als zum Beispiel in der Lichttechnik, wo fertige Komponenten zu einem System zusammengesetzt werden. Daher werden bei Ausschreibungen die entsprechenden Anforderungen in einem Leistungsverzeichnis eher funktional mit entsprechenden Parametern wie zum Beispiel Belastung, Geschwindigkeit, Lautstärke und maximale Größe der Unterkonstruktion beschrieben.“

Möchte man Masse bewegen, benötigt man Kraft. Je größer die Masse ist, umso mehr Kraft benötigt man. Durch den Einsatz von Ausgleichsgewichten kann die notwendige Kraft deutlich verringert werden – wie im Theater, wo an die festinstallierten handbedienbaren Seilzüge Gegengewichte gehängt werden, die dem Gewicht an der Laststange entsprechen und die dann sehr leicht händisch bewegt werden können.

Eine Umsetzung von szenischer Veränderungen durch Muskelkraft ist sicherlich auch heute noch manchmal das richtige Mittel – abhängig von Komplexität, Zuverlässigkeit durch notwendige Präzision und Wiederholgenauigkeit sowie unter Berücksichtigung von Sicherheitsaspekten wird in vielen Fällen jedoch die Wahl auf technische Hilfssysteme fallen. Bei allen Bewegungen – unerheblich wie angetrieben – sind allerdings nicht nur Überlegungen notwendig, wie die Masse in Bewegung versetzt werden kann, sondern auch, wie man diese wieder zum gewünschten Stillstand bekommt. Dabei müssen alle Phasen von Beschleunigung, Fahrt, Bremsung und Ruhe in einem sicheren und kontrollierbaren Zustand sein. Lesen Sie mehr über die verschiedenen Antriebe im folgenden Artikel.


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Kommentare zu diesem Artikel

  1. Das Foto erzeugt die Illusion von einem schwebenden Bühnenvorhang. Dass hierbei know how aus dem Maschinenbau beteiligt ist verwundert nicht. Für den Laien wirkt das wie ein gigantischer Aufwand, der vermutlich vom Profi belächelt wird.

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