Praxis Bass-Anwendungen

Subwoofer-Anordnung: Der Bass, das Rudeltier

Wellenlängen-bedingt boten Subwoofer bisher ein kugelförmiges Abstrahlverhalten. Bringt man sie aber – in bestimmten Aufstellungen geordnet – mit ihresgleichen zusammen, beginnen sie, gerichtet abzustrahlen. Wofür ist das gut?

Bayern 3_Dorffest 2017
(Bild: Jörg Küster)

Die klassische Subwoofer-Anordnung lautet früher: Ein Bass links der Szenenfläche. Und einen Bass rechts der Bühne. Auch dann war es noch lange Jahre Praxis, als die Theorie der Line-Arrays in der professionellen Beschallungstechnik im großen Stil umgesetzt wurde. Interessanterweise gehörten dagegen in der Sonartechnik alternative Anordnungen schon lange zum Grundwissen. In der Veranstaltungstechnik – mit ihrem offenbar etwas schlechterem Gedächtnis – hält dieses aber erst seit ca. zehn Jahren Einzug; einige der Begriffe sind jetzt auch der Antennentechnik entliehen.

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Betrachtet man die herkömmliche L/R-Anordnung, erhält man eine unausgewogene Bassverteilung. Da Bässe immer Rundstrahler sind, gibt es durch sich addierende und subtrahierende Phasen Auslöschungen und in der Mitte der Anordnung eine Power Alley. Besser wird dies schon mit einer einfachen Anordnung: der „Zahnlücke“. Hier werden die Bässe in bestimmten Entfernungen zueinander gestellt. Diese Entfernungen berechnen sich auf Basis der oberen Trennfrequenz der Bässe (deren halbe Wellenlänge, hierzu gibt es diverse Tools und Tabellen). Nun haben wir auf die Breite der aufgestellten Bässe schon eine Front an tiefen Frequenzen, da sie sich in einer Richtung addieren. Guckt man von der Seite, kommt es dort zu Auslöschungen, weil die Bässe hier nicht zeitgleich eintreffen. Will man diesen Korridor aufweiten, muss man Verzögerungszeiten in die Bässe einführen und die Phasenverschiebung weiter verändern. Normalerweise wird vorgeschlagen, alle Bässe definiert zu bearbeiten. Wir haben aber in der Praxis festgestellt, dass auch bereits ein Verzögern der äußersten Bässe eine Ausweitung bewirkt. Wer hier nicht durch Trial and Error weiterkommen möchte, bedient sich wieder eines Kalkulations-Tools, der Herstellertabellen für Öffnungswinkel oder nimmt ein Messprogramm (plus zugehöriger Schulung) und guckt, wie sich hier die Phase verändert. Außerdem sollte man beobachten, ob man damit die Impulstreue verschlechtert und Bässe, Kick oder auch andere perkussive Musik eher schlechter wiedergeben werden. Man könnte die Bässe – statt deren Zuspielung zu verzögern – natürlich auch physikalisch verschieben, damit erzielt man ja die gleiche Veränderung. Eigentlich kann das ja nicht sein, aber die Impulstreue scheint mir dann rein praktisch ermittelt nicht zu stark angegriffen zu werden. Problematisch bei der mechanischen Umplatzierung ist halt, dass dafür die räumlichen Voraussetzungen gegeben sein müssen: Die Bässe nach außen immer weiter nach hinten zu verschieben – das muss man bei typischen Bühnen erst mal gestellt bekommen.

Vorteil dieser Anordnungen ist, dass sie recht einfach zu errichten sind und schon in kleineren Stückzahlen zu guten Ergebnissen führen. Ihr größter Nachteil: Sie bieten keine Dämpfung nach hinten zur Bühne. Und auch keine Dämpfung nach oben. Wichtig: In die jeweilige „Stacking-Richtung“ schnüren die Bässe immer weiter zu, desto mehr man nebeneinander-/auftürmt – egal, ob horizontal oder vertikal. Wozu könnten man eine Dämpfung nach oben brauchen? Es kann in schwierigen Hallen sehr helfen, Resonanzen aus dem Dach zu bekämpfen. Außerdem geht in der Physik Energie ja nie verloren, heißt man gewinnt auch immer etwas in die Primärrichtung dazu, was dann auch den Eindruck auf den Brustkorb verbessert.

Mike Rauchfleisch
Mike Rauchfleisch, ursprünglich gelernter Kommunikations-Elektroniker, setzt seit über 20 Jahren Live-Events in unterschiedlichster Ausführung durch und betreute als Systemer und Mixer etliche Bands (Bild: Detlef Hoepfner)

Allerdings wird in diesen Aufbauvarianten die Bühne selbst noch ordentlich durchgeschüttelt. Wie bekommt man nun hin, dass die Bühne weniger „belastet“ wird? Dies wird erreicht, indem man der nach hinten gerichteten Energie eine „Gegenenergie“ entgegensetzt, deren Polarität umgedreht wurde. Um eine gute Auslöschung zu erhalten, wird auch die Phasenlage (Zeit) der Bässe zueinander (je nach Aufbau) korrigiert. Je nach Konzept werden die Stärke der Auslöschung oder der zu dämpfende Frequenzbereich optimiert. Zu erwarten sind Dämpfungen von bis zu 10–15 dB. Diese Cardioid-Anwendungen funktionieren in allen Größen, sind einfach zu erstellen und effektiv.

Eine weitere Variante sind die auf die Zuhörer ausgerichteten Endfire-Arrays. Der Begriff kommt aus der Antennentechnik und beschreibt eine Anordnung, die recht stark bündelt: Es sind hintereinander angeordnete Bässe, die aber einzeln auf den hintersten Bass der Linie verzögert werden. Auch hier gibt es diverse Ausführungen, gerade hintereinander oder auch leicht versetzt. Die Abstrahlung wird dadurch enger oder etwas weiter geöffnet. Je nach Konzept kann man bis zu 30 dB nach hinten reduzieren. Das beruhigt bei Elektronischer Musik die Nachbarn und bei Musik mit mehr als einem Mikro entspannt es sehr den Techniker.

Anordnung reduziert Pegel nach Außen
Zahnlücke im Festzelt: die gerichteten Bässe reduzieren Pegel außerhalb des Festzeltes (Bild: Mike Rauchfleisch)

Legt man dann noch einen Aux-Mix auf den Sub, hat man viele Freiheiten – egal welche Subs und in welcher Anordnung, und es werden wirklich nur die Signale geboostet, die im Bassbereich auch was zu suchen haben. Aber Vorsicht: Achtet hier immer auf den Pegel, der geschickt wird. Bei 24 dB Absenkung pro Oktave und Trennung um 90 Hz haben wir bei 180 Hz immer noch eine nur um 24 dB reduzierte Spannung am Eingang des Verstärkers. Erst in der darauffolgenden Oktave findet dann praktisch keine Übertragung mehr statt. Apropos Trennung: In Zeiten von Line-Arrays ist es immer mehr in Mode gekommen, viel aus den Tops zu holen und die Kameraden auf dem Boden nicht sehr hoch spielen zu lassen. In vielen Situationen hatten wir aber den Eindruck, dass man von unten ruhig etwas mehr als nur 1 oder 1,5 Oktaven nehmen kann. Hier sollte man messen und vor allem hören, was einem zusagt.

 

Geflogene Bässe

Die Bässe befinden sich bei vielen Veranstaltungen auf dem Boden, und hier sind sie auch gut aufgehoben, schon wegen der Gewinne durch die Bodenkopplung. Warum dann Tonnen in die Luft bewegen? Ein Bassarray hinter der geflogenen Hauptbeschallung macht es möglich, den kompletten Frequenzbereich aus einem „Punkt“ cardioidförmig abzustrahlen. Trotzdem befreit man dabei die Topteile (z. B. mit einer 8″-Bestückung) gut von den Frequenzen, für die sie eigentlich nicht primär entwickelt wurden. Deutlich weiterentwickelt haben sich die mechanischen Möglichkeiten, die Bässe einfacher mit in die Luft zu bekommen. Hier gibt es dann eigentlich auch alle akustischen Anordnungen, die hier beschrieben wurden plus der Variante, die Bässe als Linie neben die Topteile zu hängen, was wieder einen eigenen Charakter der Energieverteilung bietet.

Summer Never Ends Festival
Brachial-Bass beim Summer Never Ends: Endfire-Array aus 8 x 3 Kling & Freitag SW 215E plus 6 x 3 Nomos XLC, cardioid als 3er-Stapel links und rechts des Endfire-Aufbaus betrieben (Bild: Jörg Küster)

Extravagante Bass-Anordnungen

Weitere Schmankerl der Bassanordnung sind Lösungen wie das „TM Array“, das Thomas Mundorf für Meyer Sound und Auftritte von Metallica ab 2009 zusammenstellte. Es besteht aus vier senkrechten „Subwoofer-Schornsteinen“ dicht beieinander und war für 360-Grad-Bühnen optimiert. Durch die Länge des Arrays ergibt sich eine gute Rundumstrahlung bei deutlicher Dämpfung nach oben (Hallendecke) und unten (Bühne). Es heißt, dass die Band gerne den Subwoofer-Sound von der Bühne hält und dazu auf Tour nach wie vor kreativ tätig ist, z. B. mit nach unten gerichteten, geflogenen Endfire-Konfiguration und Infras in den Ecken der Venue. Schon angesichts des Gewichts und der nötigen Flugpunkte wird man so eine Lösung aber sicher nicht so häufig nutzen können.

Ein ebenfalls sehr experimentierfreudiger und kommunikationsfreudiger Kandidat ist Dave Rat, der ebenfalls seit Jahrzehnten mit ganz vielen ähnlichen Konfigurationen und Processing Versuche anstellt, plakativ als Vortex oder Orgasmatron benannt. Auch hier werden Bässe beieinander platziert und durch Verzögerungszeiten innerhalb des Arrays ein definiertes Abstrahlverhalten erreicht. Er führt Links/Rechts-Signale über Kreuz, verändert die Zeiten – alles kein Hokuspokus, aber sicher eine schöne Hausaufgabe, diese mal im Lager nachzustellen.

"Zahnlücke" für den Sänger
Stadthalle Wilhelmshaven: Zahnlücke mit Cardio-Bass, um gezielt beim Sänger eine Auslöschung zu erzielen (Bild: Mike Rauchfleisch)

Bass macht verrückt – oder beruhigt

Bässe lassen sich also auf unterschiedliche Art durchaus ausrichten – das ist mehr Aufwand, aber sie stören dann auch weniger: egal ob auf der Bühne in den Mikros oder auch bei den Nachbarn eines Events. In den Höhen haben wie hier ja selten Probleme, dagegen macht das „Bumm Bumm“ doch viele verrückt. Man sollte mit Blick auf den eigenen Mix nicht vergessen, dass die Zuhörer für Bässe doch besonders sensibilisiert sein und unterschiedlich reagieren können. Angstzustände sind zwar sicher selten, können wohl aber auch vorkommen. Man setzt das ja in Sound-Designs auch bewusst ein: Ein subtiler Basslauf bereitet in einem Spukhaus die nötige Grundstimmung, so dass man auf die weiteren Schockmomente noch mehr reagiert. Oder man denke an Hannibal Lecters Glasgefängnis, bei dem in „Schweigen der Lämmer“ permanent eine Klimaanlage brummt. Schon aus der Natur kennen wir Gefahren wie Gewitter als tieffrequent – der Donner mit seiner langen Wellenläge ist weit zu hören und wir sind dadurch gewarnt. Man könnte vielleicht sagen, dass so was in unserem DNA-Gedächtnis abgelegt ist, und wir uns etwas unbehaglich fühlen. Umgekehrt tauchen bei EDMMusik ja auch sehr extreme Bässe auf, die an den Uterus im Mutterleib erinnern sollen, aber hier pulsiert die tieffrequente Information. Da einem ja manchmal der nötige Abstand zur eigenen Arbeit fehlt, empfiehlt es sich, öfter mal zu messen, was sich im Lautstärkespektrum so abbildet und auch einmal zwischen A-bewertetem Modus (hier sind die Bässe deutlich abgeschwächt) und C umzuschalten.

Klassische Endfire-Aufstellung
Klassische Endfire-Aufstellung: In 4er-Reihen hat man besonders gute Auslöschungen (Bild: Mike Rauchfleisch)

Was wäre dann eine „natürliche Basswiedergabe“? Das ist vielleicht geschmacksabhängig, aber es gibt alleine in der Bassreflex-Abteilung Bässe, die sehr „knackig“ sind und dann wieder welche, die sehr „langsam“ daherkommen. Und nicht zuletzt ist die Frage, welches Material sich im Lager befindet und Geld verdient. Die pragmatische Anforderung im alltäglichen Business ist daher meist, mit möglichst wenig Aufwand eine gerichtete Abstrahlung zu erreichen – und damit einen Event zum Erfolg zu führen. Mit der nötigen Erfahrung und dem Wissen über solche Anordnungen ist man dann auf bestem Wege, mehr als nur ein Weekend Warrior der Veranstaltungstechnik zu werden.


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Kommentare zu diesem Artikel

  1. Sehr gelungener Text , obwohl ich dies schon wusste war es doch interessant. Ich selbst habe mir eine PA aufgebaut in einem Raum , nur um Musik zu hören. Es klingt einfach natürlich und direkt , statt mit den billig pseudo hifi lautsprechern. Laut wird es natürlich auch , mit 152,9 dezibel an der Wand gemessen auch nicht ohne… Lautsprecher ist eben nicht nur hinstellen und fertig.. , sondern eine ganz eigene Wissenschaft.

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  2. Nu es ist bekannt, dass Wellenabstrahlung durch bestimmte Anordnungen der Wandler Richtwirkungen haben- wie bei Antennenanordnungen und Mikrofoncharakter. Es wurde bislang nur sehr wenig bei den Low Frequenz Wandlern ( Bass) darüber berichtet und unterrichtet. Hier ist Nachholbedarf gegeben. Auch die Speaker Konstrukteure sind hier gefragt und die Stacking Designer! Bühnenprobleme bei den verschiedenen Arten von Bühnen erfordern verschiedenartige Lösungen. Diese hier zu erörtern und Lösungsvorschläge aufzuzeigen ist die Devise!

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