Was sind die größten Feinde winziger Lavalier- und Headset-Mikrofone? Wackelige Positionierung mit raschelndem oder „sinkendem“ Ton. Plus: jeder noch so leichte Luftzug. Neben und in der Kapsel fehlt der Raum, um Windbewegungen ohne weiteres Zubehör abzubremsen. Der Air1 soll nun das Maximum an Windschutz ausloten, und auch dessen knifflige Handhabung erleichtern – nicht nur für DPA-Mikrofone.
DPA Air1 auf ein Mikrofon geklemmt – sitzt und passt auf den 1. Versuch (Bild: Detlef Hoepfner)
Grobmotoriker sollte man sowieso nicht mit Miniaturmikrofonen hantieren lassen. Aber auch mit viel Sorgfalt bleibt deren Handhabung eine Herausforderung: Alles ist klein, empfindlich, zerbrechlich – im Sinne maximaler optischer Zurückhaltung. Die Hersteller sind den Ansprüchen von Technik bis Regie nicht nur mit akustisch verbesserten Wandlern begegnet. Gerade die mechanische Robustheit, Optik, das Handling und das Zubehör an Befestigungsmaterial standen im Fokus. Ein Mikrofon, das sich nicht einfach und vor allem sicher positionieren lässt, wird nie gut performen. Mittlerweile verzögern Hersteller sogar Markteinführungen, wenn dieses Mikrofonzubehör (noch) nicht am Start ist.
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Was aber bisher fehlte, war ein richtig guter Windschutz für Kleinstmikrofone. Dabei stand das Thema Windshield bei DPA schon immer unter Beobachtung, wenn man dort mit dem R&D sprach. Als DPA Air 1 liefert man nun ein Zubehör – nicht nur – für DPA-Mikrofone in zwei Kapsel-Durchmessern. Entwickelt wurde es von Timo Klinge, einem erfahrenen Audio Engineer und bekannt für seine Vorliebe zu akustischen Herausforderungen in der Produktionspraxis. Timo Klinge arbeitete in verschiedenen Positionen innerhalb der Branche, darunter als Toningenieur, Produktentwickler und Akustikexperte. Ein Schwerpunkt seiner Arbeit lag jetzt darauf, die Benutzerfreundlichkeit und die akustische Leistung des Windschutzes zu optimieren.
Dem Air 1 kann man sich nun auf zwei Wegen nähern: Sicher an seiner stabilen Klemme fassen, aufs Mikro schieben, Klemme loslassen – fertig. Sitzt, passt, wackelt nicht und hat Luft!
Oder man guckt ihn sich noch einmal genauer an:
Design und Konstruktion
Der Air 1 besteht aus dem Fell und einer inneren Klemme (ähnlich einer winzigen Wäscheklammer). Die Klemme ist aus robustem, UV-stabilisierten Hartplastik gefertigt, das auch in Autoscheinwerfern Verwendung finden soll. Diese Materialien gewährleisten Haltbarkeit und Beständigkeit gegen raue Wetterbedingungen sowie häufigen Gebrauch. Eine Feder aus rostfreiem Stahl in der Klammer garantiert einen sicheren Halt des Mikrofons. Dies sei langfristig sicherer und verschleißfreier als kleine Ringe oder Bänder aus Gummi. Der Air 1 (in zwei Größen gefertigt) ist für die schnelle und einfache Montage an omnidirektionalen Head- set- oder Lavalier-Mikrofonen mit rundem Kopf und einem Durchmesser von 2,5 mm bis 5,8 mm vorgesehen. Die beiden Größen des Air 1 sind durch eine Farbcodierung der Metallfeder leicht zu unterscheiden: Rot für die kleinere Größe (2,5 mm bis 4 mm) und Silber für die größere Größe (4 mm bis 5,8 mm). Die stabilen Haltegriffe an der Windschutzöffnung ermöglichen eine schnelle und sichere Platzierung des Mikrofons. Beim Headset empfiehlt sich, die im Fell versenkte Klammer so zu drehen, dass sie nicht als erstes auf die Wange stößt.
An die Klammer angesetzt sind zusätzlich Elemente, die für einen Lufthohlraum um die Mikrofonkapsel und für einen konstanten Abstand sorgen. Die Kapsel rutscht also nicht einfach ins Fell rein. Ein gleichbleibendes Luftvolumen um die Kapsel dient der definierten Windreduzierung und einer konsistenten Klangqualität. Diese stabilen Bögen und ein Mikrofonanschlag sorgen auch dafür, dass das Mikrofon im optimalen „akustischen Sweet Spot“ positioniert bleibt. Und dass man die Kapsel einfach bis zum Anschlag einsetzt – fertig. Sich das jetzt nicht noch jedesmal genau ansehen zu müssen, beschleunigt die Handhabung enorm.
Das Fell um die Kapsel scheint eine Banalität, aber man versuche einmal, von Zulieferern eine gleich bleibende Textilstruktur längerfristig in definierter Farbe zu beziehen. Das zudem in diesen kleinen Abnahmemengen, obwohl DPA ja größere Stückzahlen als nur ein Manufakturbetrieb produziert. Eine Herausforderung, der Audio-Spezialhersteller auch bei anderen Materialien begegnen.
Einfach und effektiv Klammer, Abstandsringe für Luftvolumen, Anschlag für die Kapsel und eine diese umgebende, akustisch wirksame Fläche
Geachtet wurde bei den Fasern, die gar nicht übermäßig lang ausfallen, auf eine über Jahre haltende Farbgebung, ein gutes Formgedächtnis und eine einfache Pflegemöglichkeit. Faserlänge und Materialdichte wurden in vielen Versuchen so abgestimmt, dass sie optimale Windabweisung und akustische Transparenz bieten. Die Felle sind in sechs Farben erhältlich (schwarz, braun, beige, weiß, off-white und grau) bei identischen Audioeigenschaften. Es macht vermutlich Sinn, wenn man sich direkt ein komplettes Farb-Set zulegt. Dass DPA sogar zwei Weißtöne bereitstellt, unterstreicht die Detail-Liebe zwecks einer optimalen optischen Anpassung an die zu mikrofonierende Szene.
Probleme bei Mikrofonaufnahmen unter windigen Bedingungen
Windgeräusche können erhebliche Probleme bei Mikrofonaufnahmen verursachen. Diese Geräusche entstehen, wenn Wind direkt auf die Mikrofonmembran trifft, was zu tiefen Frequenzen führt, die als Störung wahrgenommen werden und auch als kräftige Pegel am Anschluss liegen. Cardioide (gerichtete) Mikrofone nutzen winzige Öffnungen oder Akustikkanäle auf der Rückseite der Membran, um die Richtcharakteristik zu erzielen. Diese Öffnungen ermöglichen es dem Wind, zusätzlich asymmetrische Druckänderungen zu verursachen, die Windgeräusche verstärken.
Windschutz-Varianten für Mikrofone
Es gibt verschiedene Arten von Windschutz, die für Mikrofone verwendet werden, um Windgeräusche zu minimieren: Schaumstoff-Windschutz: Diese einfachen Windschütze bestehen aus Schaumstoff und sind effektiv bei leichtem Wind. Sie bieten jedoch nur begrenzten Schutz bei starkem Wind und können die akustische Transparenz beeinträchtigen. Fell-Windschutz (Deadcats): Diese Windschütze bestehen aus synthetischem Fell und bieten besseren Schutz gegen stärkeren Wind. Sie sind besonders nützlich für Außenaufnahmen, da sie Windgeräusche deutlich reduzieren können, ohne die Klangqualität stark zu beeinträchtigen. Zeppelin-Windschutz: Diese größeren, zylindrischen Windschütze bestehen aus einem Rahmen, der mit einer Kombination aus Schaumstoff und Fellmaterial bedeckt ist. Sie bieten mehr Volumen um das Mikrofon und den besten Schutz gegen Windgeräusche und werden häufig in professionellen Film- und Fernsehproduktionen verwendet. Sie sind jedoch größer und weniger handlich als einfachere Windschutzarten.
Anwendungsfälle
Broadcasting: Ein Windschutz ist wichtig für Außenübertragungen, bei denen Windgeräusche minimiert und gleichzeitig eine hohe Sprachverständlichkeit gewährleistet werden müssen. Dies ist besonders wichtig für Nachrichtenreporter und Outdoor-Moderatoren. Film und Fernsehen: In Filmproduktionen, insbesondere bei Dreharbeiten im Freien, sorgt ein Windschutz dafür, dass Dialoge klar und verständlich bleiben, ohne dass Windgeräusche die Aufnahme beeinträchtigen. Live-Sound: Bei Live-Auftritten, Konzerten und Theateraufführungen bietet ein Windschutz eine konsistente Klangqualität und verhindert unerwünschte Geräusche durch Wind auf dem Mikrofon. Content Creation: Für Vlogger, YouTuber und Podcaster, die häufig im Freien drehen, bietet ein Windschutz eine einfache Möglichkeit, die Klangqualität ihrer Aufnahmen zu verbessern und professionelle Ergebnisse zu erzielen. Windstörungen lassen sich nachträglich nur wenig oder gar nicht und nur mühsam aus Aufnahmen entfernen.
DPA Air1 in sechs Farben incl. zweier Weißtöne (kalt/neutral und leicht wärmer) (Bild: Detlef Hoepfner)
Grenzgänger
Wenn die Kapsel schon in einer Halterung steckt, die unvermeidbar auch einen akustischen Einfluss ausübt, nutzt DPA diese gleich bewusst als Grenzfläche. Diese werden eingesetzt, um Reflexionen in der Nähe der Kapsel zu kontrollieren und den Klang natürlicher und direkter erscheinen zu lassen. Direkt hinter der Kapsel erzeugt sie im Air 1 ein Druckfeld um die Mikrofonmembran. Timo Klinge hat diese Grenzfläche so dimensioniert, dass sie möglichst diejenigen Frequenzen verstärkt, die zuvor durch das Fell leicht abgeschwächt wurden. Das mag man alles als Over Engineering empfinden. Oder als konsequenten Gestaltungswillen am Produkt, Design im Sinne der Anwendung: Man fühlt sich mit den Air 1 in jeder Hinsicht in der eigenen Produktionsarbeit sehr ernst genommen.
Mikroskope, Mars und Meeresluft
Was wäre ein guter Windschutz … ohne ebenso verlässliches Mikrofon? Diese fertigt DPA nach wie vor in Dänemark, küstennah halb von der Ostsee umgeben. Entstanden ist die Firma aus einem Ableger des Messtechnikspezialisten Brüel & Kjær. Bis heute lebt dessen Knowhow in DPAProdukten weiter. Ein Merge mit einem Hersteller aus dem Hörgerätemarkt – hierzu besitzt Dänemark einige führende Kompetenzen – half bei der späteren Einführung von Miniaturmikrofonen. Die Kapseln mit fünf bzw. sogar nur drei Millimetern Durchmesser zählen sicher zu DPAs absoluter Vorzeigetechnik. Und DPA ist nun sogar auf dem Mars gelandet, von wo ein – nur wenig mechanisch angepasstes – DPA-Mikrofon Weltraum-Sounds einfängt. Beständigkeit wird auch beim Thema Fachpersonal gelebt. Während unseres Besuches der beiden Standorte in der Nähe Kopenhagens spürten wir nicht nur den typischen „Hygge“. Die Teams bestehen anscheinend auch sehr beständig: DPAs Fertigungsprozesse sind so lern- und schulungsintensiv, dass sich selbst ein Umzug innerhalb Dänemarks als problematisch erweisen würde. Bisher so nicht erlebt haben wir, wie bereitwillig das Engineering uns Einblicke bis tief in den Aufbau der Mikrofone gab.
Bild: Detlef Hoepfner
Ein Set Kapseln (Einzelansicht oben auf dem Mikroskop-Screen) wird im Produktionsverlauf mit metallisierten Membranen versehen
Bild: Detlef Hoepfner
Sounds from Mars Entwicklungsmuster einer nur mechanisch etwas an die Situation angepassten Kapsel – auf dem Mars hat DPA nun „100% market share“ 😉
Bild: Detlef Hoepfner
Hauchdünne Distanzringe
deren Handhabung auch schon Feinmotoriker an ihre Grenzen bringen
Die Einarbeitung von Details in Mikrometer-Dimensionen erfordert einen ständig modernisierten Maschinenpark, der die Ergebnisse ohne thermische Verformungen oder inakzeptable Serientoleranzen liefert.
Von Geheimniskrämerei hält man hier nicht viel: Wie sich ein Mikrofon zusammensetze, könne man seit 100 Jahren in Bü- chern nachlesen. Aber wie dann die winzigen Einzelteile nicht nur mit höchster Präzision, sondern auch Serienkonstanz und für höchste mechanische Belastbarkeit gefertigt werden, sei nicht einfach als Blaupause weiterzugeben.
Die Einarbeitung von Details in Mikrometer-Dimensionen erfordert einen ständig modernisierten Maschinenpark, der die Ergebnisse ohne thermische Verformungen oder inakzeptable Serientoleranzen liefert. (Bild: Detlef Hoepfner)
Sichtbar – bzw. unsichtbar ist das beim Gang durch die Fertigung. In manchen Räumen sitzen die Teams dermaßen konzentriert vor ihren Mikroskopen, durch deren Beobachtung sie arbeiten, dass man kaum einen Schritt zu gehen wagt. In der hellen Kantine hängen neben dem Speiseplan mit frischem, leckeren Essen die Terminlisten für Gesundheitsangebote.
Einzelne Musterbauteile in die Hand gelegt traut man sich dann kaum, selbst einmal zu tief einzuatmen. In die winzigen, ineinander verschachtelten Bauteile werden feinste Strukturen eingearbeitet, um die gewünschte Performance, Richtwirkung etc. zu erzielen. Bei ein paar Mikrometern hier und ein paar μm da hilft das Team mit einem Größenvergleich: Eine Bakterie würde darüber schon stolpern!