Tournee In Extremo „Wolkenschieber“

Tour In Extremo: IP-Technik für Indoor

Ende 2024 fand die „Wolkenschieber“-Tour der Mittelalter-Rocker von In Extremo ihr vorläufiges Ende. Wir trafen uns beim Halt in Hannover mit Martin Heining, der die Band seit fast 20 Jahren begleitet und Einblicke in sein aktuelles Stage- und Lichtdesign gibt.

Herausforderung bei der Arbeit mit In Extremo ist auch, alle sechs Bandmitglieder gleichwertig in Szene zu setzen
Herausforderung bei der Arbeit mit In Extremo ist auch, alle sechs Bandmitglieder gleichwertig in Szene zu setzen (Bild: Lukas J. Herbers)

„Das ist mir mittlerweile wichtig, weil wir viel Pyrotechnik verwenden und die Lampen sonst extrem verschmutzen würden“, erklärt erklärt Heining: „Die Spots im Mid- und Backtruss sind allesamt Ayrton Rivale, IP-zertifizierte Lampen“. Das Lichtkonzept der Tour basiert so auf einem Rigg, das nahezu ausschließlich aus Produkten dreier Hersteller besteht: Ayrton, ACME und GLP. Für eine Hallentour sei IP-Kapselung zwar auf den ersten Blick irrelevant, man müsse aber eben die Staub- und Rußbelastung durch Pyrotechnik bedenken.

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Staubdicht und leicht: neue Realität der IP-Lampen

Zu schätzen gelernt habe er die Vorteile von IP-Lampen auf einer vergangenen Tour mit VNV-Nation. „Die Band tourt immer sehr lange und nach etwa zwei Wochen hatten wir dort immer Hazer-Rückstände in den Lampen, so dass man sie nicht mehr scharfziehen konnte und die Systemer die dann immer öffnen und reinigen mussten,“ erinnert er sich. „Damals hatten wir auch schon dichte Ayrton und Mac Viper AirFX von Martin dabei und bei denen war der Workflow im Kontrast dann einfach, einmal mit einem Tuch über die Linse zu gehen.“ Vor allem scheine mittlerweile das Problem gelöst zu sein, dass lange Zeit IP-Zertifizierung mit enormem Gewicht einher ging. „Heute wiegt die Lampe nicht mehr, ob sie dicht ist oder nicht. Da stellt sich dann eigentlich die Frage nicht mehr, ob man zur IP-Lampe greift oder nicht.“

Martins persönliches Highlight im aktuellen Set ist aber die ACME Tornado, eine Moving Bar mit Pan-, Tilt- und Zoom-Funktionen, die so noch nicht im europäischen Tourbetrieb genutzt wurde. „Das ist ein relativ neues Produkt und wirklich interessant, weil ich jeden der Köpfe einzeln ansteuern und bewegen kann“, so Heining über die neue Bar. Ebenfalls ergänzt wird das Setup außerdem durch die neuen GLP Impression X5 IP Maxx als Wash Light. „Auch hier haben wir wieder die IP-Zertifizierung, die sich eben durch das ganze Rigg zieht und es so extrem wartungsarm macht,“ lobt er die Lampen über den „brachialen Output“ hinaus.

Keine Fronttruss, aber viel Atmosphäre

Ihre Qualität spielen die X5 IP maxx komplett als Gassenlichter aus, denn ein besonderes Merkmal der aktuellen Produktion ist der Verzicht auf eine Fronttruss. „Ich mag zu viele Lampen in der Front nicht, weil das Licht oft zu platt wirkt“, so Martin. „Außerdem haben wir hier ständig Flammen, die hochgehen – da ist es natürlich materialschonender, nichts darüber zu hängen.“ Stattdessen setze sein Lichtdesign auf starkes Gassenlicht und teils kreative Lösungen: Ein Astera HydraPanel etwa sorgt für zusätzliches Auflicht am Schlagzeug. „Der Schlagzeuger ist ansonsten sehr verbaut und schwer auszuleuchten, da gewinne ich mit dem HydraPanel ein gutes Führungslicht.“ Gesteuert wird die einzelne Lampe über eine Lumenradio CRMX Luna Einheit.

Im Dach dominieren Ayrton Rivale Spots und GLP Fusion Sticks FS 16Z sowie GLP X5 IP maxx Washer als Gassenlicht
Die fünf Köpfe neuen ACME Tornado Bars, ergänzt werden sie durch Mac Viper AirFX

Tilt Washer und redundante Konsolen

Weiterhin von dabei sind mehrere GLP X4 Bar 20 und Fusion Sticks FS 16Z sowie als einer der weltweit ersten Toureinsätze acht Creos, eine brandneue Wash-Lampe mit Tilt Funktion, ebenfalls von GLP. Einige Mac Viper AirFX durften als Überbleibsel des letzten Festivalsommers im Set bleiben. Die gesamte Ansteuerung des Sets erfolgt über ein Hog4-System, bestehend aus zwei Konsolen und einer HPU (Hybrid Processor Unit). „Das System bietet volles Tracking Backup“, erklärt Martin. „Theoretisch können zwei Komponenten ausfallen, und alles läuft weiter – das ist zwar noch nie passiert, aber die Sicherheit weiß ich natürlich zu schätzen.“ Zu betonen sei aber, dass alle gängigen Konsolensysteme heutzutage ähnlich leistungsfähig seien. „Ob GrandMA, Chamsys oder Hog – man könnte diese Show mit jedem dieser Pulte machen“, resümiert Martin mit einem Augenwinkern: „Aber ich kann es nur auf der Hog.“

Von der Burgen-Tour zur aktuellen Optik

Bei In Extremo steht das Lichtdesign im Dienst der Band und ihrer Musik. „In Extremo besteht aus sechs gleichwertigen Individuen, die alle ihre eigene Präsenz auf der Bühne haben und jeder für sich echte Typen sind“, erklärt Martin. „Die würden auch draußen am helligten Tag funktionieren, weil wir nichts wegleuchten müssen. Meine Aufgabe ist es, die Stimmung zu verstärken und sicherzustellen, dass die Fans jeden Musiker zu jeder Zeit sehen können.“ Das sei besonders wichtig wegen der vielen exotischen Instrumente, die die Band verwendet. „Es passiert auf der Bühne so viel, dass man die Musiker immer im Blick behalten muss“, so Heining. „Das ist die oberste Prämisse beim Design.“

Martin Heining ist seit fast 20 Jahren mit In Extremo unterwegs und schätzt die kreativen Freiräume, die die Band ihm bietet
Martin Heining ist seit fast 20 Jahren mit In Extremo unterwegs und schätzt die kreativen Freiräume, die die Band ihm bietet (Bild: Lukas J. Herbers)

Das komplette Stagedesign basiert auf dem namensgebenden Album „Wolkenschieber“, dessen Artwork Martin als Inspiration diente. „Wir haben Elemente aus dem Booklet übernommen und in die Bühnenwelt transportiert“, erklärt er. Um die Band auf unterschiedlich großen Bühnen optimal in Szene zu setzen, entwickelte er ein skalierbares Set auf Basis von Dollies. „Damit können wir schnell imposante Sets aufbauen, die sowohl auf kleinen 12-Meter-Bühnen als auch als Wacken Headliner Act funktionieren.“

Im aktuellen Fall sei erst auf dieses skalierbare Konzept des Stagedesigns das eigentliche Lichtdesign entstanden. Die ersten Entwürfe für das aktuelle Design hatte Martin bereits im Winter 2023 vorgeschlagen und im Mai 2024 das erste Mal während der Burgen-Tour damals mit noch anderen Prints ausprobiert. Die finale Optik wurde im November 2024 umgesetzt. Die Nettoarbeitszeit betrug etwa drei bis vier Wochen, inklusive aller Abstimmungen“, erklärt Heining. „Prinzipiell habe ich dabei auch komplett freie Hand, aber tatsächlich bin ich sehr dankbar, wenn da auch noch irgendwelche Inputs von Seiten der Band kommen. In diesem Fall war es ein kreatives Bingospiel von Ideen, die hin und her gingen.“

Besonders die exotischen Instrumente müssen angemessen in Szene gesetzt werden
Besonders die exotischen Instrumente müssen angemessen in Szene gesetzt werden

Kein Video, aber viel Atmosphäre

Ein Ergebnis dieses Austauschs war, auf Video komplett zu verzichten. Obwohl Video-Panels in den Dollies vorgesehen und bei der letzten Wacken Show auch genutzt wurden, entschied sich die Band schließlich dagegen. „Wir haben uns gefragt, ob wir das wirklich brauchen“, so Heining. „Am Ende war klar, dass eine Videowand nicht zum analogen Charakter der Band passt.“ Stattdessen setzt die Produktion auf klassische Elemente wie Vorhänge und Kabuki-Effekte. „Das ist oldschool, aber es funktioniert perfekt“, erklärt Heining. „Theoretisch könnten wir hier aber morgen direkt wieder eine Videowand einbauen, sogar die Programmierung ist im Pult und über Resolume schon fertig.“

Markenzeichen von Martin Heinings Lichtdesigns ist der Verzicht auf Licht aus der Fronttruss. Plastizität schafft er vor allem über den Einsatz von Gassenlicht
Markenzeichen von Martin Heinings Lichtdesigns ist der Verzicht auf Licht aus der Fronttruss. Plastizität schafft er vor allem über den Einsatz von Gassenlicht

Licht für Fotografen

Ein besonderes Anliegen ist es Martin Heining, Fotografen optimale Bedingungen zu bieten. „Ich kontrolliere mich nach jeder Show gerne selbst und es ist mir sehr wichtig, dass nicht nur die Fans, sondern auch die Fotografen am Ende zufrieden nach Hause gehen“, erklärt er. „Ein glücklicher Fotograf ist mein Freund.“ Unter anderem, daher rühre auch seine Vorliebe, ohne Fronttruss zu arbeiten und Gassenlicht für plastisches Licht zu nutzen. „Ich leuchte nicht platt, sondern schaffe darüber Tiefe“, so Heining. „Generell hat man schon auf weite Strecke gewonnen, wenn man an das Lichtkonzept herangeht und die späteren Fotos im Hinterkopf hat,“ erklärt er den Prozess. „Die Band selbst kann oft gar nicht richtig beurteilen, ob man gutes Licht macht. Aber wenn man glückliche Fotografen mit guten Bildern hat, dann hat man am Ende auch eine zufriedene Band. Oder eben umgekehrt.“

Kanäle verziehen für besseres Kamerabild

Gerade mit LED-Lampen müsse man dafür heutzutage immer auch Farbpeaks beachten. „Egal, ob das analoger Film ist oder moderne Kamerasensoren. Wenn man einen reinen Farbkanal verwendet, geht sehr viel Bildinformation verloren,“ so Martin, der seine Arbeit auch immer selbst mit der Kamera dokumentiert. „Ich gehe dann oft den Weg, dass ich die Farben im Pult etwas entsättige, also etwa leicht von vollem Tiefblau in ein breiteres Spektrum schifte. Das fällt dem menschlichen Auge kaum auf, ist aber besonders wichtig, wenn die Show filmbar sein soll.“ Ein guter Maßstab sei dabei die iPhone-Kamera: „Wenn ich mit der ein ordentliches Bild hinbekomme, schaffen die professionellen Kameras das gleich dreimal.“

Martin Heinings Design für In Extremo ist ein perfektes Beispiel dafür, wie Technik und Kreativität Hand in Hand gehen können. Mit einem durchdachten Rigg, einem skalierbaren Bühnenaufbau und einem Fokus auf Atmosphäre und Sichtbarkeit schafft er eine Show, die sowohl die Band als auch das Publikum begeistert. Und das alles ohne Fronttruss und Videowand – aber mit viel Liebe zum Detail. Und wie immer ist nach der Tour schon vor der Tour. Im September 2025 feiert die Band auf der Loreley 30-jähriges Jubiläum und auch Martin ist wieder dabei.

Bei farbintensiven Szenen denkt Martin auch an die Kameras und mischt entsprechende Spektren, die Peaks auf den Kamerasensoren vermeiden (hier im CMYK-Druck gehen Farben dennoch verloren und vergrauen)
Wegen des intensiven Einsatzes von Pyrotechnik setzt Martin mittlerweile fast ausschließlich auf IP-zertifizierte Lampen um eine einfache Reinigung garantieren zu können. Die Dollies könnten mit Videowänden bestückt werden, um die Show zu skalieren

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