„The young person’s guide to sound reinforcement“

Live Mixing Workshop: Praktische Tipps für angehende Tontechniker:innen

Systemdesign, die Planung von Funkstrecken, Mikrofonierung von Livebands und Arbeitsweisen beim FOH-/Monitormix – das kann zwar auch im Live Mixing Workshop nicht an einem Nachmittag vollständig vermittelt werden. Die Besonderheit ist, dass Nachwuchstonleute nicht nur wertvolle Ratschläge erhalten, sondern deren akustische Auswirkungen hier auch live erleben können – sowohl positiv als auch negativ.

Rücken eines Bassisten mit Publikum im Hintergrund(Bild: Matthias Meier)

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Übersicht


Praktikern wie Live Sound Engineer Nils Uhthoff liegt besonders am Herzen, junge Leute an das Live-Mixing mit praktischen und theoretischen Tipps und Ansätzen, die z.B. in der Ausbildung zur Fachkraft nicht angeschnitten würden, heranzuführen: „Viele fragen sich sicherlich immer wieder, wie machen die das, denn bei den großen Bands, dass immer alles so perfekt erscheint und klingt, wenn man dann selbst im Club steht ohne Erfahrung und mit Feedbacks, zu lauter Backline etc. zu kämpfen hat.“

Die Anfänge des Projektes reichen bis 2004 zurück, erinnert Oliver Voges. Über die Jahre habe man mit unterschiedlichsten Bands und Künstlern Workshops zu verschiedenen Themen angeboten: Ortungsrichtig mischen, Vorbereitung eines Soundchecks, Kommunikationsstrukturen usw. „Nach der Corona-Pause haben wir uns gedacht: Wir kehren zu unseren Wurzeln zurück. Mit d&b-Beschallung, Shure-Mikrofonen und Yamaha-Mischpulten arbeiten wir vor Ort mit weltweiten Industriestandards, die alle  Student:innen auch einmal benutzen werden. Unsere Partner machen es uns einfach, sich nur auf die Arbeit mit den Bands zu konzentrieren. Hier werden keine Werbeflaggen geschwungen und wir machen bewusst keine Produktschulungen!“ Auf dem Live Mixing Workshop stehe daher im Vordergrund, zusammen mit den Student:innen auf Augenhöhe einen Soundcheck vorzubereiten und durchzuführen. Dabei sei keine Frage unangebracht und alles könne ohne Zeitdruck in der Praxis ausprobiert werden.

Oliver Voges
Oliver Voges „Erst wenn ich die Vision einer Band verstehe, kann ich ihren individuellen Klang auch mischen.“ (Bild: Matthias Meier)

Das mit dem Alter im Workshop-Titel nehme man dabei zwar nicht ganz ernst, so Dipl.-Ing. Janko Ramuscak, Senior Consultant bei d&b audiotechnik. Es gehe darum, in komprimierter Form einen Einblick in wesentliche Philosophien und Arbeitsabläufe zu geben, wie sie bei typischen Beschallungsaufgaben vorkommen. „Das ganze so, dass man nicht nur darüber liest, sondern Profis live bei ihrer Arbeit beobachten kann, danebenstehen, über die Schulter gucken, direkt fragen, und – das Wichtigste – die Ergebnisse direkt miterleben kann. Das kann kein Buch und kein normaler Unterricht.“

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An realitätsnahen Szenarios schulen

Neben d&b war auch wieder Neumann&Müller als Unterstützer dabei. Geschäftsleiter Matthias Kübler: „Für uns als Dienstleister für Veranstaltungstechnik ist es wichtig, unseren Nachwuchs an das Thema Live-Sound heranzuführen. Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels legen wir sehr viel Wert auf eine gute und fachlich tiefe Ausbildung, denn unser Ziel ist es, aktiv die Branche mitzugestalten, weiterzuentwickeln und unsere hohen Anforderungen an Qualität sicherzustellen.“ Mit dem Workshop habe man die großartige Möglichkeit geschaffen, um Studenten, Azubis und Nachwuchskräfte mit geringer Barriere an realitätsnahen Szenarios zu schulen und zu erklären, was sich in der Theorie nur schwer vermitteln lasse.

Aufgrund der immer anspruchsvolleren Produktionen kommen heutzutage immer mehr Drahtlosanlagen bei Veranstaltungen zum Einsatz. Nur logisch, dass auch diese Technik auf dem Workshop vertreten war, 2023 erstmalig durch Shure (der Live Mixing Workshop war bis 2022 eine Gemeinschaftsproduktion von d&b audiotechnik, Neumann&Müller, Sennheiser und Yamaha). Frank Lemmert, Director der Shure Pro Audio Group DACH: „Um störungsfrei bzw. unterbrechungsfrei senden zu können, müssen einige physikalische Gesetze verstanden und eingehalten werden, dies geht natürlich am besten, wenn man sich das Wissen um diese im Vorfeld aneignet. Wir haben ein weitreichendes Trainingsprogram, bei welchen auf verschiedenen Levels eben diese Voraussetzungen nachhaltig geschult werden. Mit unserem Engagement beim LMW wollten wir darauf aufmerksam machen.“

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To do

Was waren nun die praktischen Aufgabenstellungen, die im Live Mixing Workshop durchlaufen wurden? Stefan Zeiger, Product Manager Commercial Audio, Yamaha Music Europe erinnert an die wichtigen Fragestellungen, die im Alltag nicht so einfach mal eben in dieser Dimension ausprobiert werden können: Darunter der Unterschied zwischen Wedges/In Ear auf der Bühne oder auch mit/ohne Plexischeibe vor den Drums. Die Geschichte des Monitorings von Wedges bis hin zum IEM lag traditionell bei Nils Uhthoff: Wo liegen die Vorteile? Wie kann ich den Nachteilen entgegenwirken? Wie bereite ich mich als Monitormann am besten auf IEM Monitoring vor?

Nils Uhthoff am Mischpult
Nils Uhthoff „Wie machen die das bei den großen Bands, dass immer alles so perfekt erscheint?“ (Bild: Pawel Zachanowicz)

Hauptaugenmerk von d&b lag natürlich auf der Planung und Umsetzung der Beschallungsanlage. Janko: „Heutzutage hat man eine Menge technischer Möglichkeiten und Tools, die vor nicht einmal 20 Jahren noch undenkbar waren. Ich erlebe in meinem Berufsalltag immer wieder, dass vor lauter Technologiediskussion grundsätzliche Zusammenhänge nicht geläufig sind. Sich über die relevante Versorgungsfläche und allein die „mechanischen“ Einflussfaktoren (zu deutsch: Wo sind meine Lautsprecher und wohin sind sie ausgerichtet) im Klaren zu sein und dieses Wissen anzuwenden, ist viel wichtiger als eine zweistündige Einmess-Arie. Klar, hochwertige Werkzeuge können das Ergebnis noch weiter verbessern, aber Akustik passiert immer noch vor dem Komma.“

Auch für Matthias Kübler zählt das Vertraut machen mit Parametern, die beim Livesound maßgeblich wichtig sind, und vor allem die „sich von der Sende- und Aufzeichnungsmischung unterscheiden.“ Hinzu kämen die eher weichen Faktoren: „Klare und eindeutige Kommunikation mit Künstlern, Management und Kollegen ohne viel Vorbereitungszeit und im Austausch aus den Gegebenheiten Kompromisse finden, immer im Gedanken und mit dem Ziel, gemeinsam das beste Ergebnis zu erzielen.“

Für die Funktechnik wurde ein Drahtlos Set-Up mit Hilfe der Wireless Workbench 7 aufgesetzt, einer kostenlosen Software zum Koordinieren und Überwachen von Drahtlosanlagen, aufgesetzt, berechnet und auf das vor Ort befindliche System übertragen. Des Weiteren wies Markus Eichhofer auf die Wichtigkeit von Auswahl, Positionierung und Ausrichtung der Antennen hin: „Sie sind, ebenso wie die Antennenkabel, wesentlicher Bestandteil der drahtlosen Signalübertragung.“

Markus Eichhofer
Markus Eichhofer „Antennen sind, ebenso wie die Antennenkabel, wesentlicher Bestandteil der drahtlosen Signalübertragung“ (Bild: Matthias Meier)

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Live-Trends

Gab es aktuelle Trends, die im Live Mixing Workshop zu berücksichtigen waren? Die Grundlagen ändern sich zwar nicht, auch wenn die Tools in allen Gewerken immer mächtiger und ausgefeilter werden. Selbst seit dem letzten, länger zurückliegenden Workshop sähe er wenig Trends, die sich aktuell fachlich auswirken bzw. beeinflussen, so Matthias Kübler. Bei den Musikern sei allerdings gerade im Bereich kontemporärer Musik immer mehr der Einsatz von virtuellen Klangerzeugern und Backing Tracks zu beobachten, schätzt Janko ein – was das Erlebnis aber in keiner Weise schmälere, „wenn es richtig gemacht wird“.

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Und nun: Hausaufgaben!

Was bleibt nach dem Workshop, welche der durchgespielten Szenarien/Workflows empfehlen die Initiatoren auf jeden Fall für einen „Selbstversuch“ oder als wichtige Routine im eigenen Alltag?

Stefan Zeiger verweist auf einen der technischen Pluspunkte der letzten Jahre, den Virtual Soundcheck. Also die Möglichkeit, die Band immer per Multirack Recordings mitzuschneiden und damit Soundcheck zu machen. „Das führt oftmals zu viel besseren Ergebnissen als mit der realen Band im leeren Saal vor dem Gig – das geht mit unseren Pulten halt super easy.“

Janko leitet direkt zum nächsten Tipp über: „Nehmt euch einen beliebigen Lautsprecher, der stativmontierbar ist. Bringt ihn auf verschiedene Höhen zwischen 2 m und 5 m. Lauft einmal etwa 20 m Beschallungstiefe vor ihm ab. Am besten im Freifeld und in einem typisch-reflektierenden Raum. Hört genau hin, wie sich die Pegelverteilung über die Beschallungstiefe und die wahrgenommenen Reflektionen gegenseitig beeinflussen. ‚Gleich laut bis hinten‘ ist vielleicht gar nicht so erstrebenswert, wie ihr geglaubt habt.“ Das könne dem einen oder anderen eine Idee für den nächsten Beschallungsjob geben, egal ob groß oder klein.

Janko Ramuscak während Präsentation
Janko Ramuscak „Das gute Zusammenspiel der Musiker untereinander, was Arrangement und Soundgestaltung angeht, ist unglaublich wichtig für das Gesamtergebnis“ (Bild: Pawel Zachanowicz)

Nils Uhthoff mahnt an, sich in Kommunikation mit den Musikern/ Künstlern bezüglich ihrer Ziele und ihres Setups, mit dem sie auf die Bühne kommen, zu üben. Was wollen sie erreichen? Bei der Mikrofonierung sei die Positionierung wichtiger als das Mikrofon selbst, und um die Lautstärken auf der Bühne selbst müsse sich gekümmert werden, bevor es überhaupt an das Mixing gehe.“

Matthias Kübler erinnert auch aus Dienstleistersicht daran, dass Musik am Instrument gemacht werde – „vor allen elektronischen Eingriffen, Tools, Verbesserungen der modernen Mischpulte, Verstärkern und Software.“ Also sei es wichtig, zuerst sicherzustellen, dass sich der Musiker wohlfühlt und ein optimales Umfeld zum Spielen habe. „Dazu gehört auch, Mikrofonpositionen und Bühnenaufstellung zu optimieren. Anschließend folgen akustische Anpassungen und die richtige und optimierte Lautsprecheraufstellung, denn diese hat oftmals den größeren Einfluss.“

Frank Lemmert erinnert vor allem bezüglich der Sendestrecken daran, dass es aus seiner Sicht unabdingbar sei, vor Ort einen Frequenz-Scan vorzunehmen, um den Gegebenen entsprechend das richtige Set-Up zu erzielen. „Viele potenzielle Unterbrechungen im Livebetrieb kann man so schon im Keim ersticken.“ Auf Festivals ist das längst üblich, hier kommen im Idealfall auch Frequenzkoordinatoren zum Einsatz, welche die zu verwendenden Systeme berücksichtigen und die Produktionen mit entsprechend kompatiblen Frequenzlisten versorgt. „Frequenzkoordination ist sicherlich auch in der Zukunft ein spannendes Berufsbild.“

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Learnings auch für „Alte Hasen“

Was waren auch für die Beteiligten die persönlichen Highlights im Programm? Für Matthias Kübler gehörte „ganz sicher die Korrelation von Lautstärkepegel und Stromaufnahme der Endstufen dazu. Die Erkenntnis, dass die oftmals gnadenlose Überdimensionierung der bestellten und als benötigt geglaubten Anschlusswerte überwertet sind. Aber auch praxisnahe Erkenntnisse und Aha-Effekte durch Janko.“ Dieser wiederum gibt das Lob an die Band weiter, für die eine solche „öffentliche Probe“ ja auch immer ein Risiko darstellt: „Wir hatten mit Fresh Music Live ein paar fantastische Musiker auf der Bühne. Durch ihren Producer-Hintergrund ergab sich immer wieder ein erfrischender Dialog ‚im on‘, in dem sie den vielen Anwesenden erläutern konnten, wie unglaublich wichtig das gute Zusammenspiel der Musiker untereinander, was Arrangement und Soundgestaltung angeht, für das Gesamtergebnis ist.“

Live Mixing Workshop
Typisch für den Workshop freie Bewegung im Saal und später auch auf der Bühne inmitten der Band (Bild: Uwe Henne/d&b audiotechnik)

Ein Ergebnis, das laut Olli Voges wohl nicht ganz zufällig entstanden war: „Diesmal war uns besonders die musikalische Arbeit mit der Band (Fresh Music Live) wichtig. Wir möchten veranschaulichen, dass die Menschen an den Mischpulten auf die Zusammenarbeit mit den Musiker:innen angewiesen sind! Nur zusammen ist es möglich, den Klang einer Band zu übertragen. Wir haben bei dem ‚öffentlichen Soundcheck‘ viel mit den Musikern gesprochen, sie haben ihr Setup erklärt und welche Grundsounds sie benutzen. Aus ihren Aussagen sprach sehr viel Erfahrung und ich glaube, da konnten wir alle viel mitnehmen.

Erst wenn ich die Vision einer Band verstehe, kann ich ihren individuellen Klang auch mischen. Der Austausch bis dahin ist elementar. Das vor Publikum zu machen, ist nicht einfach – aber es hat diesmal sehr gut geklappt. Deshalb gilt mein Dank neben allen Menschen des LMW Teams und den unterstützenden Herstellern und Dienstleistern in erster Linie der Band Fresh Music Live. Es hat sehr viel Spaß gemacht und wir freuen uns aufs nächste Mal!“

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