Tour mit defekter PA und Tumult

Doku-Tipp: „Leonhard Cohen: Bird On a Wire“

Es sind die Anfangstage „großer“ PA-Verstärkung: Auf seiner 1972er-Tournee spielt der damals 37-jährige Folk-Songwriter Leonard Cohen mit seiner Band 21 Gigs in Europa und Israel.

(Bild: Amazon)

Die Tour-Doku „Bird On A Wire“ beginnt in Tel Aviv, dem vorletzten Tour-Gig: Cohen lädt die Zuschauer ein, auf die Bühne zu kommen. „Aber passt auf die Kabel auf!“ Cohens Stimme ist gerade noch verständlich, kurz vor Rückkopplungen. Er fordert die Security auf, das Publikum in Ruhe zu lassen. Am Ende entsteht ein solcher Tumult, dass er das Konzert abbrechen muss.

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Der Einstieg fasst symptomatisch den Verlauf der gesamten Tournee zusammen: Cohen kämpft sich bisweilen durch Menschenmengen, und auch sonst wirkt die gemeinsame Expedition wie ein risikoreiches Abenteuer. Kontrabassist Peter Marshall verlädt sein Instrument selbst im Frachtraum des Fliegers, verbunden mit der Angst, dass der Kontrabass bei der Kälte über den Wolken aufplatzt. Gespenstisch graue Bilder vom Brandenburger Tor dokumentieren das damalige DDR-Grenzgebiet samt Mauer. Darüber liegt eine fesselnd ruhige Performance von Cohens „The Partisan“.

Später unterbrechen seltsam pulsierende Störgeräusche aus der PA-Anlage ähnlich einem altmodischen Telefonklingeln einen Gig. Feedback gesellt sich dazu. Cohen schmunzelt, widmet dem defekten Lautsprecher ein spontanes Klagelied. Es kommt erneut Feedback auf, schließlich wieder die geheimnisvollen pulsierenden Störgeräusche. Im Gespräch mit seiner Crew wird klar, dass die Probleme bereits bei vergangenen Konzerten bestanden, die Monitore nicht wirklich funktionierten.

Zwei renitente Fans beschuldigen den Manager backstage, die Fans absichtlich betrogen zu haben. Cohen erstattet ihnen selbst den Ticketpreis. Zwischenzeitlich finden sie den Fehler: Ein Techniker steckte angeblich seinen Kopfhörer in die falsche Buchse, dadurch wurden die Endstufen der PA beschädigt. Eine neue PA soll baldmöglichst organisiert werden. „Falls jemand wirklich nichts hören kann, möchte ich, dass er auf die Bühne kommt und bei uns sitzt“, meint Cohen daraufhin bei einem Gig. Das Angebot wird von mehreren Zuschauern wahrgenommen. Die Anlage zerrt gelegentlich schmerzhaft.

Beim Abschlusskonzert in Jerusalem funktioniert der Sound, allerdings hadert Cohen mit seiner Performance: „Wenn es nicht besser wird, brechen wir ab, und geben das Geld zurück. An manchen Nächten schweben wir über dem Boden, an anderen heben wir einfach nicht ab.“ Die Band verlässt zunächst die Bühne. Cohen will abbrechen, wird aber überzeugt. Das Publikum überwältigt ihn schließlich. Und Cohen? Ein Journalist fragt ihn nach seiner Definition von Erfolg. „Erfolg ist – zu überleben“, so der Musiker. Vielleicht nicht der schlechteste Rat – auch unabhängig von Corona-Zeiten.

Die 106-minütige Doku des britischen Filmemachers Tony Palmer gibt schonungslose Einblicke in eine Zeit, als die nötige Infrastruktur für Tourneen gerade erst entstand. Der Film stammt ursprünglich von 1974, galt über die Jahrzehnte als verloren und wurde schließlich 2010 restauriert und neu veröffentlicht. Momentan ist die Dokumentation bei keinem Streaminganbieter erhältlich, aber alternativ auf DVD erhältlich.

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