Parallelen zur Fliegerei? Array-Processing aus neuer Perspektive

Jakob Bernhart konnte erste Erfahrungen mit d&b Array-Processing während der Festivalsaison 2016 sammeln, wobei ihm die Lautsprecher und Endstufen aus Backnang selbstverständlich bereits länger bekannt sind… Dabei zieht er Parallelen zur Fliegerei:

Jakob Bernhart verantwortete den FOH-Sound bei Jennifer Rostock im Palladium Köln.
Jakob Bernhart verantwortete den FOH-Sound bei Jennifer Rostock im Palladium Köln. (Bild: Jörg Küster)

„Auf dem Summer Breeze Open Air hängt immer die J-Serie, welche schon vor vier unter fünf Jahren mit Prototypen der D80-Verstärker angetrieben wurde“, erinnert sich Bernhart. „Im Vergleich mit den älteren D12-Endstufen war mir sofort klar, dass die PA durch den neuen Antrieb noch einmal einen richtigen Sprung nach vorne macht – in einer Deutlichkeit, die ich nicht unbedingt erwartet hätte. Als mir dann zu Ohren kam, dass bei ArrayProcessing noch mehr Endstufenkanäle pro Box verwendet werden, ahnte ich bereits, welchen Satz nach vorne die Systeme bezüglich der Klangqualität vollziehen würden. Mehr Power, die sich darüber hinaus noch besser steuern lässt, ist ein klarer technologischer Fortschritt! Das Heil liegt im Fortschritt, sage ich immer – wobei man genau definieren sollte, was wirklicher Fortschritt überhaupt ist.

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Ganz allgemein wie auch konkret in der Audiowelt gibt es technologisch keinen Weg zurück – angesichts der Dimensionen, welche das Live-Geschäft mittlerweile erreicht hat, will doch niemand mehr ernsthaft zurück zu gestackten Boxensystemen, weil früher alles mal so nett war – das ist dann vielleicht Liebhaberei, aber nicht professionell! Mit zunehmend leistungsstärkeren Beschallungsanlagen wird es immer wichtiger, dass die Steuerparameter derart angelegt sind, dass man vernünftig mit ihnen umgehen kann.

Meiner Meinung nach sollte man in der Fliegerei etablierte Prinzipien auch auf die Live-Beschallung übertragen: Sinnvoll ist eine standardisierte Herangehensweise, die durch Personen vermittelt wird, welche nachweislich für Ausbildungsaufgaben qualifiziert sind und über geeignete didaktische Fähigkeiten verfügen.“

 

“In der Fliegerei gibt es das Multi Crew Cooperation Training: Man lernt, mit anderen Personen zusammenzuarbeiten. In Flugzeugen wie bei modernen Beschallungsanlagen sind die Systeme inzwischen so komplex, dass man sich auf die Kompetenz der Verantwortlichen verlassen können muss – als FOH-Mischer darauf, dass der Systemtechniker die Anlage perfekt im Griff hat”.
Jakob Bernhart | FOH-Sound Jennifer Rostock

 

Jakob Bernhart betont den Team-Gedanken: „In der Fliegerei gibt es das so genannte Multi Crew Cooperation Training: Das ist ein Ausbildungsbestandteil, bei dem man lernt, mit anderen Personen zusammenzuarbeiten. In Flugzeugen wie bei modernen Beschallungsanlagen sind die Systeme inzwischen so komplex, dass man sich auf die Kompetenz der Verantwortlichen verlassen können muss – als FOH-Mischer verlasse ich mich darauf, dass der Systemtechniker die Anlage perfekt im Griff hat.“

Auf die Frage, ob Array-Processing seine Herangehensweise an die Live-Mischung verändert, antwortet Jakob Bernhart ohne zu zögern: „Klar! Ich muss nun in einem deutlich geringeren Umfang als früher eine defizitäre Abbildung kompensieren. Ich muss mir keine Gedanken darüber machen, ob die Gitarre plötzlich in der Hälfte des Raums nicht mehr zu hören ist, wenn ich sie 1 dB leiser mache. Man könnte sagen, dass ich mit Array-Processing viel musikalischer mischen kann, da ich weniger technische Defizite ausgleichen muss. Array-Processing verbessert die Möglichkeiten des Systemtechnikers, die Beschallungsanlage als eine Art weiße Leinwand einzustellen, auf die ich als FOH-Mischer dann malen kann. Ich kann mich somit besser darauf konzentrieren, wie die einzelnen Songs künstlerisch zu verstehen und in Klang zu übersetzen sind, was ja meine eigentliche Aufgabe am Pult ist.“

Die Abstimmung mit Systemtechniker Alexander Lewin bezeichnet Jakob Bernhart bildhaft als „Philosophiebriefing“: „Für mich ist Gleichmäßigkeit bei der Beschallung extrem wichtig“, so Bernhart. „Frequenzgang und Impulstreue sollen sich innerhalb der Halle an einzelnen Positionen nicht großartig unterscheiden. Um es plakativ und ein wenig böse zu formulieren: Ich habe es lieber überall in der Halle gleichmäßig matschig, als an einzelnen Stellen vollkommen andersartig klingende Hotspots anzutreffen. Sind je nach Standort zu große Unterschiede vorhanden, erreiche ich keine Konsistenz in der Wahrnehmung der Besucher.

Beim Einsatz von Array-Processing kann ich davon ausgehen, dass sich der Klang für mich am FOH-Platz so anhört, wie es auch für die meisten Konzertbesucher in der Halle der Fall ist. Das betrifft wie bereits erwähnt den Frequenzgang und die Impulse, nach meinem Dafürhalten aber nicht unbedingt die Lautstärke. Ich strebe in diesem Punkt eine klassische Verteilung an: Wer hinten in der Halle steht, will es nicht so laut haben wie die Hardcore-Fans, die sich in den ersten Reihen niederföhnen lassen. Ich bin absolut nicht der Ansicht, dass der Pegel im hinteren Teil der Halle genauso weit oben sein muss wie direkt vor der Bühne. Konkret: Bei Jennifer Rostock teilen wir die Halle mit Array-Processing in drei Zonen ein. Den HF-Abfall haben wir so eingerichtet, dass er hinten im Palladium zwar wahrnehmbar ist, aber bei Weitem nicht so stark ausfällt, wie ich es mit anderen PA-Systemen bereits in dieser lang gestreckten Halle erlebt habe.“

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