Entwicklung professioneller PA-Verstärker

Verstärker: Vom Amp-Trümmer zur High-End-Zentrale

Gefüllte Racks waren 1994 Standard
Gefüllte Racks waren 1994 Standard, und ganz vorne war man, wenn man (wie Günter Schwob 1994 am Midas-Monitorpult von Element of Crime) neben Crown-, Camco- und Carver-Amping sowie acht Yamaha-EQs noch einen MLSSA-Messplatz samt Röhrenmonitor und Drucker mitführte (Bild: Günter Schwob)

„Was nix wiegt, das ist auch nix“ galt lange Zeit als Qualitätskriterium für Verstärker. Voluminöse Netztransformatoren und massive Kühlkörper gehören heute der Vergangenheit an. Schaltende Transistoren sowie ausgeklügelte Limiter und Kühlkonzepte, machen aus den modernen Amps wahre Effizienzraketen.

Anfangs war Verstärkerleistung ein knappes, teures Gut und Endstufen mit über 200 oder 300 Watt galten als Hochleistungs-Amps. Die Labgruppen-Gründer testeten damals die Marktakzeptanz mit einem spektakulär als 2 × 500 W spezifizierten Prototypen. Der wurde prompt gestohlen, und nicht nur den Dieben wurde damals nach einem Blick ins tatsächlich noch leere Innenleben klar: Dieser Typ musste überhaupt erst einmal technisch auf die Beine gestellt werden (und geriet dann tatsächlich zum Erfolgsmodell). Gewicht wurde mit potenzieller Leistungsfähigkeit gleichgesetzt – eine ordentliche Endstufe mit viel Druck musste einfach schwer sein, sonst traute man ihr die angepriesene Leistung gar nicht zu. Zwei Komponenten trugen zum Gewicht bei: Die voluminösen Netztransformatoren, meist mit einem Ringkern aufgebaut, sowie die massiven Kühlkörper zur Abführung der Verlustwärme, die bei analoger Schaltungstechnik mit bescheidenem Wirkungsgrad reichlich anfällt. Und so kam ein mit diesen Boliden vollbesetztes Rack locker auf über 100 kg. Diese Zeiten sind vorbei und die heutigen Top-Modelle sind in der Lage, dermaßen viel Leistung auszuschütten, dass durch interne Nachbildungen der Charakteristik von 16oder gar 32 A Sicherungsautomaten angesteuerte Limiter dafür Sorge tragen müssen, dass diese nicht durch exzessive Stromabnahme ausgelöst werden – und dies alles auf ein oder zwei Höheneinheiten mit weniger als 15 kg Gewicht.

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Die technische Revolution, die diesen unglaublichen Wandel ermöglichte, geschah in zwei Etappen. Zunächst rückten die Entwickler den bleischweren konventionellen Netzteilen zu Leibe und ersetzten sie durch Schaltnetzteile. Das hohe Gewicht konventioneller Netzteile liegt an der für die Transformierung ungünstig niedrigen Netzfrequenz. Die mit einer gegebenen Trafogröße übertragbare Leistung ist im Wesentlichen proportional zur Frequenz der anliegenden Wechselspannung. In der simpelsten Form eines Schaltnetzteils wandert die Gleichrichtung und Glättung der Netzspannung deshalb auf die Primärseite (vor den Netztrafo) und schnelle Leistungstransistoren „zerhacken“ die Gleichspannung in ein Rechtecksignal mit einer vielfach höheren Frequenz oberhalb des hörbaren Bereichs, welches sich mit vergleichsweise winzigen Ferrit-Übertragern transformieren lässt. Damit ist der größte Gewichtssünder einer konventionellen Endstufe schon mal aus dem Weg geschaffen. Durch Steuerung der Pulsbreite des Rechtecksignals (PWM) lässt sich zudem eine Anpassung an unterschiedliche und schwankende Netzspannungen erzielen, womit das Weitbereichs-Universalnetzteil geboren wurde.

Ein Nachteil der konventionellen Netzteile blieb: Nur in den Spitzen der Netzspannung fließt für einen kurzen Augenblick Strom in die Glättungskondensatoren, aber mit einem Vielfachen der durchschnittlichen Stromaufnahme. Diese Spitzen sind umso schmaler und höher, je größer die Kapazität der Netzteilelkos ausgelegt wurde (welche unter Verstärkerfreaks vielfach als Qualitätsmerkmal gesehen wurde – „je mehr, desto besser“). Die Folgen dieser kurzen, heftigen Stromspitzen auf den Scheiteln der sinusförmigen Netzspannung sind eine Deformierung derselben (welche die Energieversorgungsunternehmer bei größeren Verbrauchern gar nicht gerne sehen) und (ähnlich wie bei traditionellen Dimmern mit Phasenanschnittssteuerung) induktiv übertragene Einstreuungen mit Vielfachen der Netzfrequenz. Die können nicht nur andere Geräte stören, sondern vor allem das Netzteil beherbergende Gerät selber: Oberwellen der Netzfrequenz lassen sich in den Ausgangsspektren fast aller konventionellen Endstufen nachweisen, wozu auch deren Aufbau (Eingangsbuchsen hinten und Gain-Regler vorne) beitrug. Diese induktiv eingekoppelten Störungen lassen sich viel schwieriger abschirmen als kapazitiv übertragene.

Abhilfe schufen erst Schaltnetzteile mit aktiver PFC-Stufe. Die Power Factor Correction bedeutet, dass der Strom zum angeschlossenen Verbraucher möglichst proportional zur Netzspannung sein soll, sich der Verbraucher also wie eine ohmsche Last verhält. Direkt nach der Gleichrichtung wird noch vor der Glättung durch die Netzteilelkos ein Boost-Converter (Aufwärtsregler) eingeschleift – nichts weiter als eine Induktivität, welche durch einen Leistungstransistor für kurze Augenblicke kurzgeschlossen wird. Wenn der Transistor wieder öffnet, entsteht wie bei der Ansteuerung von Weidezäunen und Zündkerzen eine Spannung, die um ein Vielfaches über der des Eingangs liegt und so auch in den Phasen niedriger Eingangsspannung bis fast herab zum Nullpunkt noch zum Laden der Netzteilelkos beiträgt. Ein intelligentes Steuer-IC sorgt dafür, dass die kurzfristige Stromaufnahme zur Netzspannung annähernd proportional ist. Sinusförmig ist die Stromentnahme damit natürlich noch nicht: die extremen Stromimpulse auf den Scheiteln der Netzspannung werden zunächst nur durch eine dichte Folge von deutlich schwächeren Pulsen abgelöst und erst der Einsatz eines mehrstufigen Netzfilters aus Drosseln und Folienkondensatoren lässt den tatsächlich entnommenen Strom sinusförmig aussehen (und beseitigt hochfrequente Störungen, die sich über das Stromnetz ausbreiten und drahtlos übertragende Geräte beeinträchtigen könnten). Damit werden auch die gesetzlichen Grenzwerte nach EN 61000 für die von Geräten mit mehr als 75 Watt Leistungsaufnahme ins Netz geleiteten Oberwellen mühelos eingehalten, ihre induktive Interferenz in den Signalweg wird erheblich reduziert und das Netzteil grundsätzlich zum  „Allesfresser“ mit einem typischen Eingangsspannungsbereich von 90–270 Volt bei nahezu beliebiger Netzfrequenz bis herab zu Gleichstrom.

Vor allem aber – und dies macht die aktive PFC für moderne Höchstleistungsendstufen so wichtig – maximiert sie die mögliche Leistungsaufnahme aus dem Stromnetz, die sich nur mit (annähernd) ohmschen Lasten erzielen lässt. Interessant sind Verstärker mit aktiver PFC auch für den Betrieb an Generatoren, denn sie haben keinerlei Probleme mit Schwankungen der Netzspannung und Frequenz. Schwachbrünstige Generatoren können hingegen umgekehrt Probleme mit PFC-Verstärkern bekommen: sinkt die Netzspannung, so gleichen PFC-Verstärker dies durch erhöhte Stromaufnahme aus, um so die Leistung konstant zu halten. Dies kann einen eh schon schwächelnden Generator allerdings endgültig zur Hissung der weißen Fahne treiben. Auch zur Vermeidung dieser Situation sind einstellbare Leistungslimiter wichtig. Die ersten Generationen von Schaltnetzteilen waren noch relativ empfindlich gegen Spannungsspitzen auf dem Netz und Überlastung. Aber die Entwicklung der Leistungshalbleiter (eine umsatzkräftige Sparte vor allem für die Steuerung elektrischer Antriebe und Inverter) nahm eine stürmische Entwicklung in der Elektronikindustrie an und heutzutage stehen preiswerte und robuste MOSFETs und IGBTs mit technischen Eigenschaften, von denen man vor 25 Jahren nur träumen konnte, zur Verfügung.

Endstufen-Test von 20 Modellen aus dem Jahr 1995
20 Amps im Test 1995 begann PRODUCTION PARTNER mit der bis heute weiterentwickelten Testreihe für professionelle Endverstärker. Damals bekam man viele Modelle in eine Ausgabe – heutige Amps bieten vielfache Features (Bild: Detlef Hoepfner)

Von analoger Verstärkung zu Class D

Diese ermöglichten auch die zweite Etappe der Gewichtsreduzierung und Leistungssteigerung von Endstufen: die Migration von analoger Verstärkung zur deutlich effizienteren Class-D-Technologie. Typischerweise stehen bei beiden Technologien eine positive und eine negative Versorgungsspannung bereit, welche die maximal mögliche Spannung definieren, die in den positiven und negativen Halbwellen des Audiosignals an den Lautsprecher angelegt werden kann – bei Höchstleistungsendstufen mehr als 100 Volt in beide Richtungen. In analogen Endstufen fungieren die Endtransistoren als variable Widerstände, welche in Spannungsteilermanier die Spannung der Rails zum Lautsprecher herabsetzen. Dabei fällt viel Verlustwärme an, die sich aus dem Produkt des Ausgangsstroms mit der Differenz von Versorgungsspannung zur der am Lautsprecher anliegenden ergibt. Anstatt die Ausgangstransistoren kontinuierlich leiten zu lassen, können sie aber auch in schneller Folge vollständig durchund wieder abgeschaltet werden, wie bei einem Schaltnetzteil. Dies passiert im Kern einer Class-D-Endstufe. Zur Ansteuerungen der Transistoren stehen verschiedene Methoden zur Verfügung, fast immer wird die Pulsweite der Rechteckfolge vom Audiosignal moduliert (PWM). Zur Rekonstruktion des Signals und zur Unterdrückung der hochfrequenten Taktreste sind passive LC-Filter an den Ausgängen erforderlich, die wegen der hohen zu übertragenden Leistung relativ groß ausfallen. Damit auch die höheren Frequenzen des hörbaren Bereichs einigermaßen klirrarm rekonstruiert werden können, muss die Schaltfrequenz hoch sein (einige 100 kHz), was andererseits die ansonsten sehr niedrigen Verluste durch das häufigere Umladen der GateKapazitäten und Sperrbereiche in den Halbleitern erhöht. In der Praxis ergeben sich Wirkungsgrade in der Größenordnung von 90 %, die Kühlkörperfläche kann im Vergleich zu einem günstig konzipierten Class-H-Amp auf ein Drittel reduziert werden.

Durch die Kombination beider Maßnahmen (in schneller Folge schaltende Transistoren sowohl im Netzteil als auch in der Endstufe) in Verbindung mit ausgeklügelten Limiter und Kühlkonzepten sind die enormen Leistungsdichten moderner Endstufen erklärbar, die ihre klobigen Vorgänger aus den 70erund 80er-Jahren in jeder Hinsicht alt aussehen lassen.

Insbesondere für Festinstallationen, aber auch für mobile Einsätze gehört ein Netzwerkanschluss zur Fernabfrage und -Steuerung aller Parameter mittlerweile zum Standard. Einige Top-Modelle haben zudem gleich das digitale Lautsprecher-Management integriert, ein integriertes DSP-Board sorgt also für die aktive Trennung, Entzerrung, Limitierung und Laufzeitanpassung eines jeden angeschlossenen Weges der PA. Aus den schwergewichtigen, aber konzeptionell relativ simplen Leistungsverstärkern der 70er und 80er mit zwei XLR-Eingängen und einer Reihe Bananen-Anschlussklemmen hinten sowie zwei Potis vorne sind also intelligente und kommunikative Leistungsumwandlungszentralen im kW-Bereich geworden.

Kommentare zu diesem Artikel

  1. Ich wünsche mal einen Test mit einer alten PA gegenüber einer Linearray PA
    zum Test ,ich habe eine Phase Linear 700b aus altem Beatand so wie eine Crown DC300a mit den sogenannten neuen digitalen Endstufen verglichen nicht Messtechnisch
    sondern Hör technisch die neuen Endstufen haben auch mit 2000W keine Chance gegen eine ohne Schnickschnack 700b die dynamic was aus einem Martin 215 Horn oder eine TL606Q 4×15″ EV hab ich mit einem digiamp nicht erreicht. das einzige ist das Gewicht
    und im Übrigen gab es auch damals schon eine Crown MA 10000 an diese konnte man(Frau) 32x 15″ Basslautsprecher ohne probleme betreiben .Heute brauche ich Leistung ohne Ende um aus den Lautsprechern etwas Schalldruck zu bekommen und wenn der Wind seitwärts bläst ist auch der Sound im Arsch viel Spass bei der Diskusion die jetzt los geht

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  2. Ich hatte vor einigen Wochen einen Test mit 2 Class-D Module je 1000W RMS machen können. Ein original bestückter uralter BOSE-Amp mit 2x 500W RMS brachte bedeutend mehr Bums in die Speaker.

    Dann bekam ich noch einen defekten Bose-Amp mit 2 def. Endstufen, die so verbrannt waren, das wir uns sagten: Okay, Ringkerntrafos und Diodenbrücke sind in Ordnung, auch die 4 fettel 100.000µF/100V Elkos, schmeiß die alten Module raus und setze 2x 1000W Class-D Module mit +/- 80 Volt ein. Es stellte sich heraus, dass die Class-D Module im Vergleich zu AB-Amps wieder nicht überzeugten. Ein Modul ging sogar sofort in Rauch auf, obwohl im Amp alles in Ordnung war. Wir wollten eigentlich selber Class-D Module bauen, aber uns überzeugt das aus recht viele Gründe gar nicht.

    Ich verstehe deswegen diesen Beitrag hier nicht wirklich. Was wollt Ihr den denn Leuten nun wirklich nahe bringen? Die Praxis sieht ganz anders aus.

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