Summerjam Festival: Towerbühne als Statement

Summerjam 2017 Red Stage, Auftritt von Freedom of Screech
Summerjam 2017 Red Stage, Auftritt von Freedom of Screech (Bild: www.JoergKuester.com)

Seit vielen Jahren sind bewährte Bühnenkonstruktionen von Megaforce charakteristische Bestandteile des Summerjam Festivals. Insbesondere die große Red Stage ist als Statement zu verstehen, das dem Nimbus von „Europas größtem Reggae-Festival“ keineswegs abträglich ist.

Europas größte Reggae-Veranstaltung hat seit vielen Jahren eine Heimat auf der Regatta-Insel im Fühlinger See gefunden: hier fand vom 30. Juni bis 2. Juli 2017 im Norden Kölns das 32. Summerjam Festival statt. Der Zugang zum von Wasser umgebenen Eiland ist mit Fahrzeugen lediglich über eine einzelne Brücke an der Oranjehofstraße möglich – für die technischen Gewerke stellt dieser Umstand überraschenderweise jedoch keine besondere Herausforderung dar, wie Dipl.-Ing. Arch. Florian Pott erläutert: „Die Logistik ist zum Glück überhaupt kein Problem, weil es direkt auf der Insel einen weitläufigen Parkplatz gibt. Das Summerjam Festival ist de facto einer der ganz wenigen Orte, an denen wir alle Transporte auf einen Schlag anliefern und abladen können – einen Shuttle benötigen wir nicht. Im gegenüberliegenden Industriegebiet gibt es sogar Plätze, auf denen sich die Trailer während des Veranstaltungszeitraums abstellen lassen.“

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Red Stage und der zugehörige FOH-Tower auf der Regatta-Insel, sie basiert auf dem modular konzipierten Megaforce-Modell TVG-R
Red Stage und der zugehörige FOH-Tower auf der Regatta-Insel, sie basiert auf dem modular konzipierten Megaforce-Modell TVG-R (Bild: www.JoergKuester.com)

Florian Pott ist seit zwei Jahren bei Megaforce angestellt und bekleidet bei den badischen Bühnenbauspezialisten die Funktion des „Manager Sales, Marketing & Project Management Event and Special Constructions & Event Infrastructure“. Beim Summerjam Festival 2017 trug Florian Pott wie im Vorjahr als Projektleiter im Auftrag von Megaforce Verantwortung – alle (Bühnenbau-)Fäden liefen bei ihm zusammen. Pott formuliert sein Credo so: „Der Beruf des Architekten besteht entgegen landläufiger Meinung nicht darin, Häuser zu bauen, sondern Strukturen zu entwickeln und Projekte zu strukturieren – genau diese Aufgaben erfülle ich bei Megaforce.“

Megaforce TVG-R Bühne und FOH-Tower
Megaforce TVG-R Bühne und FOH-Tower (Bild: www.JoergKuester.com)

„Menschlich ein Herzblutprojekt …“

Die Megaforce Bühnen- und Veranstaltungstechnik GmbH ist seit Jahren für die beiden großen Bühnen des Summerjam Festivals zuständig, welche Besuchern als „Red Stage“ und „Green Stage“ bekannt sind und Fans nicht selten vor die Qual der Wahl stellen: Während auf der „Red Stage“ meist weithin bekannte Acts auftreten, sind parallel auf der „Green Stage“ vor kleinerem Publikum mitunter wahre musikalische Perlen zu vernehmen – im aktuellen Jahr beispielsweise die Hits der legendären Skatalites, die (in der 1964 gegründeten, mittlerweile größtenteils verstorbenen Originalbesetzung) wesentlichen Anteil an der Entwicklung einer originären jamaikanischen Popmusik hatten und letztlich als Urväter des Reggae zu verstehen sind. Anders formuliert: Ohne Bands wie die Skatalites hätte es ein Phänomen namens Bob Marley möglicherweise nie gegeben.

Zurück zum Bühnenbau: Mit der Anlieferung für das an einem Freitag beginnende Festival wurde sonntags begonnen; in Spitzenzeiten waren bis zu 30 Personen für Megaforce tätig. Während der Aufbau vier Tage in Anspruch nahm, konnte der Abbau in lediglich zwei Tagen bewältigt werden. „Der eigentliche Abbau geht immer recht schnell – was Zeit in Anspruch nimmt, ist mehr das Sortieren des Materials und dessen Verladung“, erklärt Florian Pott. Die beiden Bühnen wurden vom Summerjam Festival zu anderen Veranstaltungen transportiert, ohne zwischenzeitlich um- oder abgeladen werden zu müssen.

Dipl.-Ing. Arch. Florian Pott war beim Summerjam Festival 2017 Projektleiter im Auftrag von Megaforce
Dipl.-Ing. Arch. Florian Pott war beim Summerjam Festival 2017 Projektleiter im Auftrag von Megaforce (Bild: www.JoergKuester.com)

Eine Besonderheit beim Summerjam Festival ist, dass die Bühnen seit Jahren vom gleichen Bau-Team errichtet werden: Die Crew bleibt während der gesamten Veranstaltung vor Ort und campiert auf dem Gelände. „Menschlich ist das Summerjam Festival für mich ein Herzblutprojekt, rein musikalisch allerdings eher nicht …“, sagt Florian Pott, der jenseits seines vielfältigen Berufsumfelds (am Vortag des Summerjam-Sonntags beim Kraftwerk-Konzert in Düsseldorf) Stromgitarrenklängen der härteren Gangart zugeneigt ist.

Red Stage

Die Red Stage basiert auf dem modular konzipierten Megaforce-Modell TVG-R, dessen Spielfläche mit 20 bis 22 Meter in der Breite sowie 13 oder 15 Meter in der Tiefe variabel gestaltbar ist. Das Rundbogendach ist für eine Traglast von bis zu 42 Tonnen ausgelegt. Durch eine moderne Dachverriegelung wird der Aufbau vereinfacht, was sowohl die Bauzeiten als auch den Personalaufwand reduziert.

Die Towerbühne mit Rundbogenaufsatz ist eine extrem stabile, auf vier Türmen ruhende Konstruktion, die sich nicht zuletzt durch hohe mögliche Dachlasten auszeichnet. Auf dem Summerjam Festival, das von jeher für eine tendenziell budgetorientiert-zielführende Ausstattung ohne jeglichen Technik-Hokuspokus bekannt ist, sind die eingebrachten Lasten für eine Bühne dieser Struktur salopp formuliert kaum der Rede wert, doch auch in anderen Zusammenhängen wurde die TVG-R nach Aussage von Florian Pott noch nie wirklich an ihre Grenzen gebracht. Bewegte Lasten wären auf der Bühne dank ihres hohen Headrooms sehr gut realisierbar, sind auf dem Summerjam Festival jedoch nicht gefragt.

Die lichte Höhe des Aufbaus auf der Regatta-Insel betrug im aktuellen Jahr 15,30 Meter – kennt man andere Reggae-Festivals, wirkt die Dimension der Bühne geradezu gigantisch, was fraglos den Anspruch der Veranstalter untermauert, alljährlich „Europas größtes Reggae-Festival“ auf die Beine zu stellen.

Guido Craveiro Reggae-Producer par excellence, mischte den FOH-Sound beim Auftritt von Jamaram auf der Red Stage
Guido Craveiro Reggae-Producer par excellence, mischte den FOH-Sound beim Auftritt von Jamaram auf der Red Stage (Bild: www.JoergKuester.com)

Zur grandiosen Wirkung trägt die Banner-Bestückung nicht unerheblich bei: XXL-Banner links und rechts der Bühne betonen den mächtigen Charakter, und ein geschwungener Header mit Summerjam-Logo thront weithin sichtbar über dem Geschehen. Megaforce verfügt über eine eigene Planenmanufaktur und konfektioniert die großflächigen Drucke.

Festival-Sommer in Deutschland Green Stage mit FOH-Tower
Festival-Sommer in Deutschland Green Stage mit FOH-Tower (Bild: www.JoergKuester.com)

»Der Beruf des Architekten besteht entgegen landläufiger Meinung nicht darin, Häuser zu bauen, sondern Strukturen zu entwickeln und Projekte zu strukturieren – genau diese Aufgaben erfülle ich bei Megaforce.«

Florian Pott | Megaforce


Auf Seite der Veranstalter mag es eine weise Entscheidung gewesen sein, bei der Bedruckung der Planen auf Jahreszahlen oder Ähnliches zu verzichten – die riesigen Prints lassen sich auf diese Weise wiederverwenden und werden auf Wunsch zwischenzeitlich bei Megaforce eingelagert.

Bei Windstärken ab 15 m/s (7 Bft auf der Beaufortskala) würde man die Banner aus Sicherheitsgründen abtakeln. Erwartungsgemäß ist jede Bühne mit Windmessern aus – gestattet, welche vom Standby-Personal des Bühnenbau – Unternehmens bei widrigen Wetterbedingungen verstärkt im Auge behalten werden. Ein spezieller Blitzschutz kommt nicht zum Einsatz und wird vom Gesetzgeber derzeit auch nicht gefordert – neue Vorschriften zur Verteilung von Verantwortung auf mehrere Schultern werden in der Branche nach den Ereignissen bei „Rock am Ring 2016“ erwartet. Einen funktionierenden Blitzschutz an einer temporären Konstruktion einzurichten, ist am Rande bemerkt ein ziemlich komplexes Unterfangen, wobei insbesondere die Energieableitung ein nennenswertes Problem darstellt.

Das Bühnenmodell TVG-R ist als fertig zusammengestelltes, auf Trailern gelagertes Set konzipiert, zu dem auch ein FOH-Tower mit sechs Meter Breite und sechs Meter Tiefe gehört – beim Summerjam Festival wird jedoch ein FOH mit 6 × 4 m verwendet. Der Tower verfügt auf dem Summerjam Festival an der großen wie der kleinen Bühne grundsätzlich über drei Ebenen: Auf der untersten Plattform ist die Tonabteilung angesiedelt, eine Etage höher arbeiten die Lichtleute, und ganz oben haben die Verfolgerfahrer ihren Platz. An der Red Stage wird die Rückseite des großzügig dimensionierten FOH-Towers zum Teil von einer LED-Wall verdeckt, auf welcher weiter hinten stehende Gäste das Bühnengeschehen per Live-Bild verfolgen können. Darüber hinaus dient der Tower dank eigens eingerichteter Auskragungen der Anbringung von Lautsprechern einer Delay-Line – zusammenfassend also eine Art „eierlegender Wollmilchsauturm“.

Green Stage

Die deutlich kleinere Green Stage beruht auf dem TÜV- geprüften Megaforce-Modell RBB SB62: Die Rundbogenbühne gefällt mit einer eleganten Gestaltung und sollte gerade in urbanen Umfeldern überzeugen, beispielsweise mit transparenter Überdachung bei Klassikkonzerten, Firmenveranstaltungen oder kommunalen Events. In Köln hat sich beim Einsatz als Green Stage die Schaffung von Backstorage (zusätzlicher Lagerraum im hinteren Bühnenbereich, abgetrennt durch den Backdrop) bewährt.

Green Stage beruht auf dem TÜV-geprüften Megaforce-Modell RBB SB62, auf dem Summerjam Festival wird die Bühne als Besonderheit von zwei rundum mit Bannern verkleideten Türmen flankiert
Green Stage beruht auf dem TÜV-geprüften Megaforce-Modell RBB SB62, auf dem Summerjam Festival wird die Bühne als Besonderheit von zwei rundum mit Bannern verkleideten Türmen flankiert, welche unter Einsatz konventioneller Layher-Produkte konstruiert werden (Bild: www.JoergKuester.com)

Bezüglich der einzubringenden Lasten erreicht das Modell RBB SB62 beim Summerjam Festival mit einem Wert von maximal zehn Tonnen seine Grenzen, zumal Sonderwünsche einzelner Produktionen gelegentlich nur schwer mit dem besonderen Bühnentypus in Einklang zu bringen sind. Florian Pott spricht diplomatisch von einer „iterativen Näherung“ zwischen (künstlerischen) Wünschen und (statischen) Gegebenheiten.

Pott erwähnt, dass Megaforce im Gegensatz zu namhaften Wettbewerbern die Decks (MEBU-Podestsystem) „mit Rahmen und allem Drum und Dran“ inhouse produziert und somit nicht auf Anbieter wie beispielsweise Bütec angewiesen sei. Die Podeste lassen sich bei Bedarf in quasi beliebiger Menge fertigen und von externen Interessenten über einen Webshop ordern. Für die Decks wurde bei Megaforce ein abgestimmtes Aluminiumrandprofil entwickelt.

Auf dem Summerjam Festival wird die RBB SB62 als Besonderheit von zwei rundum mit Bannern verkleideten Türmen flankiert, die unter Einsatz konventioneller Layher-Produkte konstruiert werden. „In Köln muss man für fliegende Bauten ein Prüfbuch vorweisen“, erläutert Florian Pott beim Blick auf das Standardmaterial. Selbstverständlich werden beim Summerjam Festival (und anderswo) alle Bühnen nach Beendigung des Aufbaus offiziell von einem Bauprüfer abgenommen. Die Beschaffenheit des temporären Bauwerks wird dabei sorgfältig mit den Angaben im Prüfbuch verglichen; ein Stempel besiegelt nach der sogenannten „Gebrauchsabnahme gemäß Landesbauordnung“ den korrekten Aufbau. „Mit dem Bau einer großen Bühne geht im Gegensatz zu einem simplen Zelt viel Verantwortung einher“, weiß Florian Pott. „Für Bauwerke im öffentlichen Raum ist eine Prüfung durch die Behörden ab einer Höhe von fünf Meter zwingend erforderlich.“

Skatalites bei ihrem Auftritt auf der Green Stage
Skatalites bei ihrem Auftritt auf der Green Stage (Bild: www.JoergKuester.com)

Bewährtes bleibt – oder ändert sich …

Die beiden großen Bühnen sind auf dem Summerjam Festival seit Jahren baugleich; Variationen sind lediglich bei der Gestaltung des Podestes für Menschen mit Behinderung sowie der Kamerapodeste für den WDR zu beobachten. Schenkt man der Gerüchteküche Glauben, wird die bewährte RBB SB62 im kommenden Jahr möglicherweise einem anderen Modell weichen: Die Ansprüche der auf der Green Stage auftretenden Produktionen steigen, und bedingt durch die Bauform kann bei einer Rundbogenbühne prinzipiell weniger (bzw. anders verteilte) Rigging-Last eingebracht werden als bei anderen Konstruktionskonzepten. Nicht zuletzt sind durch die gerundete Dachform unterschiedliche Höhen für die Lampen mehr oder weniger vorgegeben, womit sich nicht jeder Künstler abfinden mag – es gibt Produktionen, deren Tour-Setup sich hier schlichtweg nicht einbringen lässt. Eine endgültige Entscheidung ist derzeit allerdings wohl noch nicht getroffen, zumal sich die aktuelle Lösung bei einem bemerkenswert geringen Spielraum zwischen Bootshaus und Bäumen absolut perfekt in die örtlichen Gegebenheiten einpasst.


Megaforce – The Stage Company

Die Megaforce Bühnen- und Veranstaltungstechnik GmbH ist seit 1992 aktiv. Der Hauptsitz des von Michael Brombacher geführten Unternehmens befindet sich in Weingarten bei Karlsruhe, wo auch ein großes Lager unterhalten wird.

Megaforce steht Kunden von der ersten Idee über Entwicklung und Herstellung bis zum Auf- und Abbau kompetent zur Seite. Zur Vermietung bereitgestellte Produkte werden mit Ausnahme der Aluminiumtraversen sowie der allgegenwärtigen Layher-Gerüstbaukomponenten inhouse entwickelt und gefertigt. Megaforce verfügt über eigene Werkstätten, die mit Holz wie Metall perfekt umzugehen verstehen. Auch für Schwergewebe (PVC-Planen) ist Kompetenz vorhanden – Megaforce ist das erste deutsche Bühnenbauunternehmen, das über eine eigene Planenwaschanlage verfügt. Auch eine Podestwaschanlage gehört zur Ausstattung der Instandhaltung. Die hausinterne Ingenieurabteilung berechnet Statiken und prüft Kundenideen mithilfe moderner CAD-Tools auf Machbarkeit, während das R&D-Department mit Neuentwicklungen befasst ist.

Überdachungen und Funktionsbauten, Treppenanlagen und Überbrückungen, Beschallungs- und Aussichtstürme, Portale und Schwerlastkonstruktionen für LED-Wände, Rampen und Plattformen, Hubbühnen, Drehscheiben und Podest-Sonderformen, PA-Tower und vieles mehr – wenn es „groß, schwer und sicher“ sein soll, kommt Megaforce ins Spiel.

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